Leitsatz (amtlich)

Ein Vermittler kann bei der Beratung über die finanziellen Vorteile eines Immobilienkaufs zugleich im eigenen und im fremden Namen handeln. Er kann daher von dem Verkäufer auch dann zum Abschluss eines Beratungsvertrages stillschweigend bevollmächtigt sein, wenn er seinerseits einen Vermittlungs- oder Beratungsvertrag mit dem Kaufinteressenten geschlossen hat (Fortführung von BGH, Urt. v. 14.3.2003 - V ZR 308/02, NJW 2003, 1811).

 

Normenkette

BGB §§ 433, 675

 

Verfahrensgang

OLG Köln (Urteil vom 24.05.2011; Aktenzeichen 24 U 82/10)

LG Köln (Urteil vom 24.02.2010; Aktenzeichen 4 O 12/08)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 24. Zivilsenats des OLG Köln vom 24.5.2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage gegen die Beklagte zu 1) abgewiesen worden ist.

Die Berufung der Beklagten zu 1) gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Köln vom 24.2.2010 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es anstelle des in dem dritten Absatz des Tenors genannten Datums (1.1.2009) heißen muss: 1.8.2009.

Die erst- und zweitinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner. Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Beklagte zu 1). Die Beklagte zu 2) trägt die durch ihre Nichtzulassungsbeschwerde entstandenen Kosten.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Beklagte zu 1) ist Eigentümerin eines in den 1930er Jahren errichteten und im Jahr 1995 unter Denkmalschutz gestellten Wohngebäudekomplexes. Sie bestellte zu ihren Gunsten ein Erbbaurecht, teilte dieses - zwecks Veräußerung - in Wohnungserbbaurechte auf und sanierte bis Ende des Jahres 2001 die Gebäude. Der Aufwand für die Sanierungsarbeiten sollte von den Erwerbern der Wohnungserbbaurechte steuerlich als Sonderabschreibung in Ansatz gebracht werden können. Die Sonderabschreibung hing davon ab, dass die Sanierungsmaßnahmen nach dem rechtswirksamen Abschluss des Erwerbsvertrages durchgeführt wurden.

Rz. 2

Mit der Vermarktung der Erbbaurechte beauftragte die Beklagte zu 1) die Rechtsvorgängerin der inzwischen rechtskräftig zu einer Schadensersatzleistung verurteilten Beklagten zu 2) (im Folgenden einheitlich Beklagte zu 2 genannt), die auf dem Gebiet der Anlageberatung und Finanzdienstleistung tätig war. Der Kläger gehörte zu ihren Kunden. Zwei ihrer Mitarbeiterinnen besprachen mit ihm den Erwerb einer Wohnung in dem Objekt. Sie erstellten am 8.10.2001 einen Berechnungsbogen betreffend die später von dem Kläger erworbene Wohnung Nr. 29; darin sind die auf den Kaufpreis von 217.588 DM entfallenden Sanierungskosten mit 170.959 DM angegeben. Im Rahmen einer Prognoseberechnung wurden für die Jahre 2002 bis 2010 die steuerlich absetzbaren Aufwendungen mit einem Betrag von 19.000 DM pro Jahr in Ansatz gebracht und, trotz jährlicher Mieteinnahmen von etwas mehr als 10.000 DM, Verluste aus Vermietung und Verpachtung einschließlich Zinsen, Erbbauzins und sonstiger Nebenkosten i.H.v. jährlich knapp 25.000 DM errechnet. Als Datum des Baubeginns wurde der 1.8.2001 genannt, als Fertigstellungstermin der 31.12.2001.

Rz. 3

Der Kläger unterzeichnete zunächst einen "Reservierungsauftrag" für die Wohnung Nr. 29, der von einer der beiden Mitarbeiterinnen der Beklagten zu 2) gegengezeichnet und an die Beklagte zu 1) weitergeleitet wurde. Am 12.11.2001 gab der Kläger - nach Besichtigung einer Wohnung, allerdings nicht der Wohnung Nr. 29 - ein notarielles Kaufangebot unter gleichzeitigem Beitritt zu einem Mietpool ab, welches die Beklagte zu 1) am 22.11.2001 fristgerecht annahm. In diesem Zeitpunkt waren die Sanierungsarbeiten bereits nahezu vollständig abgeschlossen. Der später noch angefallene und deshalb steuerlich absetzbare Sanierungsaufwand betrug lediglich 826,20 EUR.

Rz. 4

Der Kläger hat die Verurteilung beider Beklagten als Gesamtschuldner zur Freistellung von Darlehensverbindlichkeiten Zug um Zug gegen Rückübertragung des Wohnungserbbaurechts und zur Zahlung von 4.152,62 EUR sowie die Feststellung weiterer Schadensersatzpflicht beantragt. Das LG hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Das OLG hat die Berufung der Beklagten zu 2) zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten zu 1) die gegen diese gerichtete Klage abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision will der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen. Die Beklagte zu 1) beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

 

Entscheidungsgründe

I.

Rz. 5

Nach Ansicht des Berufungsgerichts scheiden Ansprüche des Klägers aus Prospekthaftung ebenso aus wie Ansprüche auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung (§ 463 BGB a.F.) und wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen. Eine Haftung der Beklagten zu 1) wegen der Verletzung einer besonderen vertraglichen Beratungspflicht komme ebenfalls nicht in Betracht, denn die Beklagte zu 1) habe die Beratung des Klägers weder im Zusammenhang mit dem Abschluss des Kaufvertrags noch im Wege eines selbständigen Beratungsvertrags übernommen.

II.

Rz. 6

Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis nicht Stand. Dabei kann dahinstehen, ob die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil hinsichtlich möglicher Ansprüche des Klägers aus Prospekthaftung, aus § 463 BGB a.F. und wegen Verschuldens bei Vertragsschluss frei von Rechtsfehlern sind. Jedenfalls verneint das Berufungsgericht zu Unrecht eine Haftung der Beklagten zu 1) wegen der Verletzung ihrer Pflichten aus einem Beratungsvertrag.

Rz. 7

1. a) Nach der Rechtsprechung des Senats, die das Berufungsgericht seinen Überlegungen zugrunde legt, kommt zwischen Verkäufer und Käufer ein Beratungsvertrag zustande, wenn der Verkäufer im Zuge eingehender Vertragsverhandlungen, insb. auf Befragen, einen ausdrücklichen Rat erteilt; gleiches gilt, wenn der Verkäufer dem Käufer als Ergebnis der Verhandlungen ein Berechnungsbeispiel über Kosten und finanzielle Vorteile des Erwerbs vorlegt, welches der Herbeiführung des Geschäftsabschlusses dienen soll (s. nur Urt. v. 31.10.2003 - V ZR 423/02, BGHZ 156, 371 [374 m.w.N.]). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Rz. 8

b) Für den Kläger wurde in Vorbereitung eines von mehreren Gesprächen, die den Erwerb der später tatsächlich erworbenen Wohnung Nr. 29 unter Ausnutzung steuerlicher Abschreibungsmöglichkeiten zum Gegenstand hatten, von einer Mitarbeiterin der Beklagten zu 2) ein Berechnungsbogen erstellt. Darin wurden auf der Grundlage der Einkommensverhältnisse des Klägers und seiner Steuerlast die bei einem Ankauf der Wohnung erzielbaren Steuervergünstigungen umfassend dargestellt und erläutert. Dass die Mitarbeiterin der Beklagten zu 2) damit - erfolgreich - das Ziel verfolgte, die Vermittlung des Wohnungskaufs zu fördern, steht außer Frage.

Rz. 9

c) Die Mitarbeiterinnen der Beklagten zu 2) konnten einen Beratungsvertrag für die Beklagte zu 1) zustande bringen.

Rz. 10

aa) Stellt sich bei der Vermittlung des Kaufvertrags die Aufgabe der Beratung des Kaufinteressenten und ist sie von dem Verkäufer einem Makler oder sonstigen Vermittler überlassen worden, kann sich dessen stillschweigende Bevollmächtigung zum Abschluss des Beratungsvertrags zwischen Verkäufer und Käufer aus den Umständen ergeben (§ 167 BGB). Dabei sind für die Annahme einer stillschweigenden Bevollmächtigung und an die Kundgabe des Willens, die Beratung für den Verkäufer zu übernehmen und auszuführen (§ 164 BGB), keine zu strengen Anforderungen zu stellen, wenn der Käufer dem Vermittler seinerseits keinen Maklerauftrag erteilt. Es reicht dann aus, dass die individuelle Beratung des Kaufinteressenten eine wesentliche Voraussetzung für den erfolgreichen Abschluss der Verkaufsbemühungen war (BGH, Urt. v. 14.3.2003 - V ZR 308/02, NJW 2003, 1811 [1812 f.]; Urt. v. 13.10.2006 - V ZR 66/06, NJW 2007, 1874, 1875 Rz. 16).

Rz. 11

Umgekehrt folgt daraus aber nicht, dass unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen dem Vermittler und dem Kaufinteressenten die Annahme eines kraft konkludent erteilter Vollmacht zustande gekommenen Beratungsvertrags mit dem Verkäufer hindern (so zutreffend Krüger, ZNotP 2007, 442 [443]; vgl. auch BGH, Urt. v. 13.10.2006 - V ZR 66/06, a.a.O., Rz. 17). Abgesehen davon, dass ein Handeln zugleich im eigenen und im fremden Namen sowohl bei der Abgabe von Willenserklärungen wie auch bei der Erfüllung von Verbindlichkeiten rechtlich möglich ist (vgl. BGH, Urt. v. 23.3.1988 - VIII ZR 175/87, BGHZ 104, 95 [100]; Urt. v. 21.4.1954 - VI ZR 55/53, BGHZ 13, 111 [113 f.]), kommt ohnehin stets in Betracht, dass ein Makler oder Anlagevermittler bei der Vertragsanbahnung - ohne äußeren Einschnitt in seinem Auftreten - auch für den Verkäufer, also in doppelter Funktion tätig wird (vgl. BGH, Urt. v. 26.4.1991 - V ZR 165/89, BGHZ 114, 263 [269 ff.]). Folglich kann eine Haftung aus beiden Rechtsverhältnissen entstehen.

Rz. 12

Im Hinblick auf eine Haftung des Verkäufers machen Rechtsbeziehungen zwischen dem Kaufinteressenten und dem Vermittler lediglich nähere Feststellungen dazu erforderlich, ob die - auf das Objekt des Verkäufers bezogene - Beratung des Interessenten dessen Kaufentschluss fördern sollte, ob der Vermittler dabei (auch) namens des Verkäufers handeln konnte und gehandelt hat und ob der Kaufentschluss (auch) auf der Beratung in Vertretung des Verkäufers beruhte. Ausreichend für die Annahme einer konkludenten Bevollmächtigung des Vermittlers zum Abschluss eines Beratungsvertrages ist die Feststellung, dass der Verkäufer den Vermittler mit dem Vertrieb der Immobilie beauftragt hat und dabei wusste oder jedenfalls nicht ausschließen konnte, dass dieser gegenüber Interessenten die finanziellen Vorteile eines Kaufs herausstellen würde. Von Letzterem ist stets auszugehen, wenn sich bereits nach dem Vertriebskonzept des Verkäufers die Aufgabe stellt, den Kaufinteressenten über die finanziellen Vorteile eines Erwerbs der angebotenen Immobilie zu beraten. Dass die Beratung nach den Umständen (auch) im Namen des Verkäufers erfolgt ist, kann sich beispielsweise daraus ergeben, dass der Berater in den verwendeten Prospekten als Vertriebspartner des Verkäufers genannt ist, dass er von dem Verkäufer zur Verfügung gestellte Berechnungsbeispiele verwendet oder dass der Verkäufer auf einen Kontakt mit dem Kaufinteressenten verzichtet und es dem mit dem Vertrieb beauftragten Berater überlässt, die Vertragsverhandlungen bis zur Abschlussreife zu führen (vgl. BGH, Urt. v. 31.10.2003 - V ZR 423/02, BGHZ 156, 371 [375]; Urt. v. 13.10.2006 - V ZR 66/06, NJW 2007, 1874, 1875 Rz. 16 f.).

Rz. 13

bb) Nach diesen Grundsätzen ist ungeachtet des zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) bestehenden, von dem Berufungsgericht als Anlageberatungsvertrag qualifizierten, Vertragsverhältnisses ein Beratungsvertrag mit der Beklagten zu 1) zustande gekommen.

Rz. 14

Ausweislich des von der Beklagten zu 1) erstellten Prospekts gehörte es zu dem Vertriebskonzept, die steuerlichen Vorteile eines Erwerbs, insb. die Abschreibungsmöglichkeiten nach § 7i bzw. § 10 f EStG (Denkmalabschreibung), herauszustellen. So wurden die begünstigten, zu 100 % abschreibbaren Kosten im Prospekt mit ca. 80 % des Gesamtkaufpreises angegeben, ergänzt durch den Hinweis, dass der zu zahlende Erbbauzins bei Kapitalanlegern wie Werbungskosten zu behandeln und damit ebenfalls abzugsfähig sei. Damit stellte sich bei der Vermittlung des Kaufvertrages insb. die Aufgabe, den Kaufinteressenten die steuerlichen Vorteile des Kaufs darzustellen. Indem sie die Beklagte zu 2) auf dieser Grundlage mit dem Vertrieb der Wohnungen beauftragte, bevollmächtigte die Beklagte zu 1) diese konkludent, im Rahmen der Verkaufsverhandlungen eine solche Beratung vorzunehmen.

Rz. 15

Die Mitarbeiterinnen der Beklagten zu 2) haben den Kläger anhand des Prospekts und eines Berechnungsbogens über die steuerlichen und sonstigen finanziellen Auswirkungen des Erwerbs der später erworbenen Wohnung beraten. Dass die Beklagte zu 2) hierbei (auch) für die Verkäuferin, also für die Beklagte zu 1), tätig war, ließen die Umstände erkennen. Denn die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts verwendeten Berechnungsbögen enthielten den Hinweis, dass die Berechnung nur "im Zusammenhang, insb. mit den Haftungshinweisen und Erläuterungen, sowie mit einem gültigen Verkaufsprospekt" gelte, welchen der Berater gerne aushändige. Dies machte deutlich, dass die Beispielsrechnung keine selbständige Analyse der Rentabilität eines fremden Anlageprodukts darstellte, sondern die in dem Verkaufsprospekt enthaltenen allgemeinen Angaben der Beklagten zu 1) konkretisierte und ergänzte und damit Teil des Verkaufskonzepts war.

Rz. 16

2. Die Mitarbeiterinnen der Beklagten zu 2) haben den Kläger falsch beraten. Das muss die Beklagte zu 1) - über die Beklagte zu 2) - gegen sich gelten lassen (§ 278 BGB).

Rz. 17

a) Der Beratungsvertrag verpflichtet zu richtiger und vollständiger Information über die tatsächlichen Umstände, die für den Kaufentschluss des Erwerbsinteressenten von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können (BGH, Urt. v. 15.10.2004 - V ZR 223/03, NJW 2005, 983). Wer als Verkäufer für eine Immobilie wirbt und dabei Steuervorteile einer Anlage- oder Kaufentscheidung herausstellt oder in konkrete Finanzierungsvorschläge einbezieht, muss Voraussetzungen, Hinderungsgründe und Ausmaß der Steuervorteile richtig und so vollständig darstellen, dass bei dem Käufer über keinen für seine Entscheidung möglicherweise wesentlichen Umstand eine Fehlvorstellung erweckt wird (BGH, Urt. v. 26.4.1991 - V ZR 165/89, BGHZ 114, 263 [268 m.w.N.]).

Rz. 18

b) Gegen diese Pflicht haben die Mitarbeiterinnen der Beklagten zu 2) verstoßen. Mögen sie den Kläger über sämtliche Umstände der erhöhten Denkmalabschreibung informiert haben, haben sie es doch unterlassen, ihn auf den Stand der bereits begonnenen Sanierungsarbeiten hinzuweisen. Wollte man diesen Hinweis in der Angabe auf dem Berechnungsbogen "Baubeginn 1.8.2001" sehen, hätten sie dem Kläger das Ausmaß der Steuervorteile falsch dargestellt.

Rz. 19

c) Die Verletzung der Beratungspflicht haben die Mitarbeiterinnen der Beklagten zu 2) zu vertreten. Das wird entsprechend § 282 BGB a.F. (heute: § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB) vermutet. Die Vermutung ist nicht entkräftet worden.

Rz. 20

d) Der Kaufentschluss des Klägers beruht auf der Beratung, welche auf der Grundlage des Prospekts und der Berechnungsbögen und damit (auch) für die Verkäuferin durchgeführt worden ist. Die Kausalität des Beratungsfehlers für den Kaufentschluss wird vermutet, wenn es für den anderen Teil vernünftigerweise nur eine bestimmte Möglichkeit der Reaktion auf die Aufklärung gibt und die Möglichkeit eines Entscheidungskonflikts ausscheidet (vgl. BGH, Urt. v. 30.11.2007 - V ZR 284/06, NJW 2008, 649 [650]; Urt. v. 6.4.2001 - V ZR 402/99, NJW 2001, 2021 f.). So liegt es hier; für die Möglichkeit eines Entscheidungskonflikts fehlt jeder Anhaltspunkt.

Rz. 21

e) Auf einen Haftungsausschluss kann sich die Beklagte zu 1) nicht berufen. Der in dem Verkaufsprospekt enthaltene Ausschluss der Haftung "für den Eintritt der Kosten, Ertrags- und Steuerprognosen" ist nicht einschlägig. Hiermit sind ersichtlich Unwägbarkeiten, mit denen jede Prognose behaftet ist, gemeint soweit sonstige außerhalb der Sphäre des Verkäufers liegende Umstände, die sich auf das individuelle steuerliche Ergebnis auswirken können. Die unterbliebene Aufklärung darüber, in welchem (Sanierungs-)Zustand sich die ausgewählte Immobilie befand, betrifft dagegen einen konkreten, feststehenden Umstand aus dem Verantwortungsbereich der Beklagten zu 1), der die in Aussicht gestellten steuerlichen Denkmalsabschreibungen und damit den Anlagezweck insgesamt in Frage stellte.

Rz. 22

Soweit es im Prospekt ferner heißt, Personen und deren Unterbeauftragte, die mit dem Vertrieb und der Vermittlung befasst seien, seien nicht Erfüllungsgehilfen des Prospektherausgebers, ist auch diese Regelung nicht einschlägig; denn sie bezieht sich nach dem Zusammenhang, in dem sie steht, auf eine mögliche Haftung für Angaben, Aussagen oder Zusagen der Vertriebsbeauftragten, die von dem Prospektinhalt abweichen. Um solche Angaben geht es hier nicht.

Rz. 23

3. Den durch die Falschberatung entstandenen Schaden muss die Beklagte zu 1) dem Kläger ersetzen. Er ist so zu stellen, wie er stünde, wenn er den Kaufvertrag nicht abgeschlossen hätte (BGH, Urt. v. 14.3.2003 - V ZR 308/02, NJW 2003, 1811 [1814]). Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht die von dem LG in dem erstinstanzlichen Urteil vorgenommene Schadensberechnung im Rahmen der Zurückweisung der Berufung der Beklagten zu 2) zu Recht bestätigt. Insbesondere muss sich der Kläger, entgegen der von der Beklagten zu 1) vertretenen Meinung, die von ihm erzielten Steuervorteile nicht anrechnen lassen (vgl. BGH, Urt. v. 30.11.2007 - V ZR 284/06, NJW 2008, 649 [650]; BGH, Urt. v. 19.6.2008 - VII ZR 215/06, NJW 2008, 2773). Dem Kläger ist somit ein bezifferbarer Schaden i.H.v. 174.844,66 EUR entstanden, den er - Zug um Zug gegen Rückübertragung des Erbbaurechts an der Wohnung Nr. 29 - i.H.v. 38.544,66 EUR als Zahlung, in Höhe weiterer 3.893,49 EUR zusätzlich Zug um Zug gegen Abtretung des Anspruchs auf Rückerstattung der gezahlten Grunderwerbsteuer ebenfalls als Zahlung, im Übrigen im Wege der Freistellung von seinen für die Finanzierung des Kaufpreises entstandenen Darlehensverbindlichkeiten ersetzt verlangen kann. Zusätzlich steht ihm ein Anspruch auf Erstattung von 4.158,82 EUR nebst Zinsen vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zu.

Rz. 24

4. Die von dem LG ausgeurteilten Feststellungen, dass sich die Beklagte zu 1) mit der Annahme des Übereignungsangebots des Klägers in Verzug befindet und dass sie verpflichtet ist, ihm den aus dem Kauf des Erbbaurechts entstandenen weiteren Schaden zu ersetzen, lassen Rechtsfehler nicht erkennen; dabei hat der Senat die von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht vorgenommene Klarstellung hinsichtlich der zeitlichen Einschränkung der weiteren Schadensersatzpflicht auch im Verhältnis zu der Beklagten zu 1) berücksichtigt.

Rz. 25

5. Die von der Beklagten zu 1) in der ersten Instanz erhobene und in der zweiten Instanz aufrechterhaltene Verjährungseinrede hindert die Durchsetzung der Ansprüche nicht. Verjährung ist nicht eingetreten. Nach Art. 229 § 6 EGBGB, §§ 195, 199 BGB beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre. Sie beginnt mit dem Schluss des Jahres, in welchem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen sowie der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen, frühestens jedoch am 1.1.2002. Davon, dass die erhöhte Denkmalabschreibung dem Kläger nur zu einem geringen Teil zugute kam, erhielt er erst durch den Feststellungsbescheid des Finanzamts Ende November 2006 Kenntnis. Dass der Kläger diese Kenntnis infolge grober Fahrlässigkeit nicht früher erlangt hat, verneint das Berufungsgericht - in der Begründung der Zurückweisung der von der Beklagten zu 2) eingelegten Berufung - rechtsfehlerfrei.

III.

Rz. 26

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1, 565, 516 Abs. 3 ZPO analog.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3722637

NJW 2013, 1873

NZM 2013, 585

WM 2013, 839

WuB 2013, 563

ZfIR 2013, 419

JZ 2013, 352

MDR 2013, 644

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