Entscheidungsstichwort (Thema)

Immobilienverkäufer. Verletzung der Beratungspflicht. Unwahrscheinlichkeit eines gewinnbringenden Verkaufs. Vergleich möglicher Finanzierungsmöglichketien. Ungünstige empfohlene Finanzierungsgestaltung

 

Leitsatz (amtlich)

a) Ein Verkäufer, der die Beratung des Käufers übernommen hat, verletzt seine Beratungspflichten, wenn er eine Immobilie als absolut sichere, nach fünf Jahren mit Gewinn wiederverkäufliche Kapitalanlage bezeichnet, obwohl wegen des überhöhten Erwerbspreises schon im Zeitpunkt der Beratung abzusehen ist, dass ein Gewinn bringender Verkauf zum genannten Zeitpunkt auch bei günstiger Entwicklung des Immobilienmarkts gänzlich unwahrscheinlich ist.

b) Hat die Beratung des Verkäufers (auch) die Finanzierung des Immobilienerwerbs zum Gegenstand, so kann ein Beratungsfehler vorliegen, wenn die empfohlene Kombination von Festkredit und als Tilgungsersatz dienender Lebensversicherung sich für den Käufer ungünstiger darstellt als ein marktübliches Tilgungsdarlehen.

Mit der bloßen Behauptung, der Einsatz einer Lebensversicherung erhöhe die Finanzierungskosten, wird ein solcher Beratungsfehler jedoch nicht dargelegt; erforderlich ist ein umfassender Vergleich der Auswirkungen der empfohlenen Finanzierung mit denen eines im Zeitpunkt des Vertragsschlusses von dem Käufer für den Erwerb der Immobilie am Markt erhältlichen Tilgungsdarlehens.

 

Normenkette

BGB §§ 433, 675

 

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf (Urteil vom 06.06.2002; Aktenzeichen 14 U 171/02)

LG Duisburg

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 14. Zivilsenats des OLG Düsseldorf v. 6.6.2003 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz und Rückabwicklung eines Vertrags in Anspruch, mit dem er am 4.12.1998 eine in O. belegene vermietete Eigentumswohnung für 134.028 DM erwarb.

Den Kaufpreis finanzierte der Kläger in vollem Umfang durch ein Darlehen mit einem Nominalbetrag von 143.000 DM. Die Tilgung des durch eine Grundschuld gesicherten Darlehens wurde für 30 Jahre ausgesetzt. Die Rechte aus einer von dem Kläger abgeschlossenen Lebensversicherung wurden an die finanzierende Bank abgetreten. Ein älteres Bankdarlehen des Klägers, das i.H.v. mindestens 22.500 DM valutierte, wurde mit Mitteln eines von der Beklagten mit dem Verkauf der Wohnung beauftragten Maklerunternehmens abgelöst.

Nach Darstellung des Klägers hatte dieses Unternehmen eine Anlagevermittlungsgesellschaft an dem Vertrieb der Wohnung beteiligt. Deren Mitarbeiter G. habe ihm den Erwerb als absolut sichere Kapitalanlage vorgestellt, bei der sich die Wohnung durch Mieteinnahmen und Steuervorteile praktisch von selbst trage und nach Ablauf von fünf Jahren mit Gewinn verkauft werden könne. Es sei eine Rentabilitätsberechnung erstellt worden, nach der die Wohnung in den ersten 17 Monaten nach dem Erwerb keine Kosten verursache, später habe die Zuzahlung monatlich 171,08 DM betragen sollen. Den Abschluss der Lebensversicherung habe G. anstelle einer annuitätischen Darlehenstilgung empfohlen.

Der Kläger behauptet, falsch beraten worden zu sein. Seine monatliche Belastung sei unzutreffend berechnet worden. Der Wert der Eigentumswohnung habe bei Abschluss des Kaufvertrags allenfalls 68.800 DM betragen. Der Einsatz einer Lebensversicherung als Tilgungsersatz führe im Vergleich zu einem Annuitätendarlehen zu einer 30 %igen Verteuerung der Finanzierungskosten.

Das LG hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG sie abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hält den Kaufvertrag für wirksam, weil der Kaufpreis nicht sittenwidrig überhöht sei. Dem Kläger stehe auch kein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer besonderen vertraglichen Beratungspflicht zu. Angaben zu dem bei einem Weiterverkauf der Eigentumswohnung erzielbaren Gewinn stellten keine Tatsachenbehauptungen dar, sondern lediglich wertende Anpreisungen bzw. Prognosen mit erkennbar spekulativem Charakter. Insoweit könne eine Beratung nicht angenommen werden. Ob der Einsatz einer Lebensversicherung zur Finanzierung fehlerhaft sei, hänge von den persönlichen Verhältnissen des Darlehensnehmers ab. Hierzu und zu dem entsprechenden Umfang der Beratung fehle näherer Vortrag des Klägers. Eine falsche Berechnung der monatlichen Belastung des Klägers sei nicht erkennbar.

II.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht in allen Punkten stand.

1. Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass der Kaufvertrag nicht sittenwidrig und deshalb wirksam ist. Frei von Rechtsfehlern hat es ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, welches Voraussetzung sowohl des Wuchertatbestands (§ 138 Abs. 2 BGB) als auch eines wucherähnlichen Rechtsgeschäfts (§ 138 Abs. 1 BGB) ist, unter Berücksichtigung der in die Gegenleistung der Beklagten einzustellenden Ablösung des Altdarlehens des Klägers i.H.v. mindestens 22.500 DM verneint. Die Revision nimmt das hin.

2. Im Ansatz zutreffend geht das Berufungsgericht ferner davon aus, dass die Beklagte wegen Verletzung einer besonderen vertraglichen Beratungspflicht zum Schadensersatz verpflichtet sein kann.

a) Die Beratung ist eine selbständige Hauptpflicht des Verkäufers aus einem Beratungsvertrag, wenn der Verkäufer im Rahmen eingehender Vertragsverhandlungen und auf Befragen des Käufers einen ausdrücklichen Rat erteilt. Dabei steht es einem Rat gleich, wenn der Verkäufer bei Vertragsverhandlungen ein Berechnungsbeispiel über Kosten und finanzielle Vorteile des Erwerbs vorlegt, das den Geschäftsabschluss fördern soll (BGH v. 27.11.1998 - V ZR 344/97, BGHZ 140, 111 [115] = MDR 1999, 349; BGHZ 156, 371 [374]; Urt. v. 6.4.2001 - V ZR 402/99, MDR 2001, 800 = BGHReport 2001, 446 = NJW 2001, 2021; Urt. v. 14.3.2003 --V ZR 308/02, MDR 2003, 865 = BGHReport 2003, 719 = NJW 2003, 1811 [1812]; Urt. v. 8.10.2004 --V ZR 18/04, Umdr. S. 7). Nach dem - revisionsrechtlich maßgeblichen - Vortrag des Klägers ist hier davon auszugehen, dass eine solche Beratung durch einen als Verhandlungsgehilfe der Beklagten anzusehenden Vermittler stattgefunden hat und deshalb ein Beratungsvertrag mit der Beklagten zu Stande gekommen ist.

b) Der Beratungsvertrag verpflichtet den Verkäufer zu richtiger und vollständiger Information über die tatsächlichen Umstände, die für den Kaufentschluss des Interessenten von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können (BGH v. 6.7.1993 - XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126 [129] = MDR 1993, 861; Urt. v. 20.11.1987 --V ZR 66/86, WM 1988, 95 [96]). Bei dem Erwerb einer Immobilie zu Anlagezwecken sind dies zunächst die Aufwendungen, die der Interessent erbringen muss, um das Objekt mit seinen Mitteln erwerben und halten zu können (BGHZ 156, 371 [377]). Der Verkäufer muss dabei insb. die mit einer von ihm vorgeschlagenen Finanzierung des Kaufs verbundenen finanziellen Auswirkungen, einschließlich in eine Aufwandsberechnung eingestellte Steuervorteile, zutreffend darstellen (BGH, Urt. v. 14.3.2003 - V ZR 308/02, MDR 2003, 865 = BGHReport 2003, 719 = NJW 2003, 1811 [1812]; v. 26.4.1991 - V ZR 165/89, BGHZ 114, 263 [268] = MDR 1991, 966, für die Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss) und im Zeitpunkt der Beratung bereits abzusehende ungünstige Veränderungen der Mieteinnahmen oder Unterhaltungskosten bei der Berechnung der Finanzierungslasten berücksichtigen (BGHZ 156, 371 [378]).

Wird als Kaufanreiz die wirtschaftliche Rentabilität des Erwerbs herausgestellt, muss der Verkäufer auch über die hierfür bedeutsamen Umstände richtig informieren. Er verletzt seine Beratungspflichten, wenn er ein in tatsächlicher Hinsicht unzutreffendes, zu positives Bild der Ertragserwartung der Immobilie oder ihres Wertsteigerungspotenzials gibt und den Interessenten dadurch zum Vertragsschluss veranlasst. Haftungsbegründend sind dabei nicht sich nachträglich als unrichtig erweisende Prognosen zur Entwicklung des Immobilienmarktes, sondern unrichtige bzw. unterlassene Angaben zu spezifischen, aus den individuellen Gegebenheiten der Immobilie folgenden Risiken, welche die in Aussicht gestellte Rentabilität des Erwerbs erheblich zu mindern oder gar auszuschließen vermögen (BGH, Urt. v. 30.10.1987 - V ZR 144/86, MDR 1988, 303 = WM 1988, 48 [50], für die Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss).

aa) Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht die dem Kläger zur Wiederverkäuflichkeit der Wohnung gegebenen Erläuterungen rechtsfehlerhaft als außerhalb der Beratung abgegebene Prognosen mit erkennbar spekulativem Charakter angesehen.

(1.) Zu Gunsten des Klägers ist revisionsrechtlich davon auszugehen, dass ihm bei den Vertragsverhandlungen erklärt worden ist, die zu erwerbende Immobilie sei ein Renditeobjekt; sie trage sich praktisch von selbst und werde im Wert regelmäßig steigen, es handele sich um eine absolut sichere Kapitalanlage, bei der nichts schief gehen könne; entweder behalte man die Wohnung und habe dann im Alter eine Zusatzrente oder man verkaufe sie und mache durch die Wertsteigerung einen erheblichen Reibach; je länger der Kläger mit dem Verkauf warte, desto höher sei der Gewinn, aber bereits nach fünf Jahren könne man die Wohnung mit Gewinn verkaufen.

(a) Entgegen der Auffassung der Revision folgt das allerdings nicht schon daraus, dass die Berufungsbegründung keine Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen zum Inhalt des Beratungsgesprächs vorgebracht hat und es deshalb - mangels einer den Anforderungen des § 520 Abs. 3 S. 2 Ziff. 2 u. 3 ZPO genügenden Berufungsbegründung - insoweit an einer zulässigen Berufung fehlt.

Eine Berufungsbegründung genügt den gesetzlichen Anforderungen, wenn der Berufungskläger im Rahmen einer auf den Streitfall zugeschnittenen Darlegung mindestens einen der in § 520 Abs. 3 S. 2 ZPO genannten Berufungsgründe geltend macht. Die Benennung einer bestimmten Norm ist dabei ebenso wenig erforderlich wie die Schlüssigkeit oder Vertretbarkeit der sachlichen Begründung (BGH, Beschl. v. 21.5.2003 - VIII ZB 133/02, MDR 2003, 1130 [1131] = BGHReport 2003, 971; Beschl. v. 28.5.2003 - XII ZB 165/02, MDR 2003, 1192 = BGHReport 2003, 968 = NJW 2003, 2531 [2532]; Beschl. v. 26.6.2003 - III ZB 71/02, MDR 2003, 1246 = BGHReport 2003, 1031 = NJW 2003, 2532 [2533]). Die Berufungsbegründung genügt diesen Anforderungen, indem sie - u.a. bezogen auf die Anwendung von § 278 BGB - darlegt, aus welchen Gründen die Beklagte das angefochtene Urteil materiell-rechtlich für falsch hält und damit die Rechtsanwendung des Erstgerichts angreift (§ 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO).

Liegt aber eine zulässige Berufung vor, so ist das angefochtene Urteil nicht nur auf Rechtsfehler hin zu überprüfen, vielmehr gehört es gem. § 513 Abs. 1 ZPO zu den Aufgaben des Berufungsgerichts, das Urteil der Vorinstanz - auch ohne dahingehende Rüge - auf konkrete Anhaltspunkte für Zweifel hinsichtlich der Richtigkeit und Vollständigkeit der getroffenen Tatsachenfeststellungen zu prüfen und etwaige Fehler zu beseitigen (BGH, Urt. v. 12.3.2004 - V ZR 257/03, BGHReport 2004, 833 = MDR 2004, 954 = WM 2004, 845 [848]). Die dem Berufungsgericht nach Maßgabe des § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO obliegende Kontrolle der Feststellungen des Erstgerichts zum Verlauf des Beratungsgesprächs besteht deshalb unabhängig davon, ob die Berufungsbegründung einen den Anforderungen des § 520 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 ZPO genügenden Angriff gegen diese Feststellungen enthält.

(b) Hinsichtlich des die Rentabilität des Erwerbs betreffenden Teils der Vertragsverhandlungen besteht auch keine - für die Revisionsinstanz über § 559 Abs. 2 ZPO wirkende - Bindung des Berufungsgerichts an Feststellungen des LG nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1 ZPO. Festgestellt in diesem Sinn sind nur Tatsachen, hinsichtlich derer das erstinstanzliche Gericht auf Grund einer freien Beweiswürdigung gem. § 286 Abs. 1 ZPO die Entscheidung getroffen hat, dass sie wahr oder unwahr sind, sowie Tatsachen, die es seiner Entscheidung ohne Prüfung der Wahrheit zu Grunde gelegt hat, sei es, dass sie offenkundig oder gerichtsbekannt (§ 291 ZPO), ausdrücklich zugestanden (§ 288 ZPO) oder unstreitig (§ 138 Abs. 3 ZPO) waren oder sich aus gesetzlichen Vermutungen oder Beweis- und Auslegungsregeln ergeben haben (BGH, Urt. v. 19.3.2004 - V ZR 104/03, BGHReport 2004, 1110 = MDR 2004, 1077 = NJW 2004, 2152 [2153]). Das trifft auf die Erklärungen, die der Vermittler zur Wertentwicklung und Wiederverkäuflichkeit der Eigentumswohnung gegeben haben soll, nicht zu. Zwar hat das LG das Bestreiten der Beklagten "über den Hergang der Beratung" als unerheblich bezeichnet. Tatsächlich ist es aber nur bezüglich der zu einer monatlichen finanziellen Belastung von 171,08 DM führenden Aufwandsberechnung von einem - durch Vorlage der Beratungsdokumente - "qualifizierten" Vortrag des Klägers ausgegangen, der einer substantiierten Einlassung der Beklagten bedurft habe, und hat seiner Entscheidung nur insoweit einen unstreitigen Tatsachenvortrag (§ 138 Abs. 3 ZPO) zu Grunde gelegt. Feststellungen zu weiteren Inhalten des Beratungsgesprächs hat das LG hingegen nicht getroffen.

(2.) Die - revisionsrechtlich zu Gunsten des Klägers zu unterstellenden - Äußerungen des Vermittlers G. zur Rentabilität des Erwerbs beschränken sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht auf spekulative und damit erkennbar unverbindliche Prognosen zu Wertsteigerungen, die Immobilien bei günstiger Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse erfahren können. Die Erklärung, es handele sich um eine sichere, rentierliche und mit Gewinn wiederverkäufliche Anlage, bei der nichts schief gehen könne, geht über den Hinweis auf Wertsteigerungschancen hinaus. Sie erweckt den Eindruck, der Erwerb sei praktisch risikofrei, weil den Aufwendungen des Käufers mit der Immobilie ein entsprechender, nach Ablauf von fünf Jahren zu realisierender Sachwert gegenüberstehe, der sich bei günstiger wirtschaftlicher Entwicklung noch erhöht haben und einen Gewinn ergeben könne.

Diese Aussage ist unrichtig, wenn ein Gewinn bringender Verkauf der Wohnung nach fünf Jahren wegen eines überhöhten Erwerbspreises von vornherein, d.h. unabhängig von dem in der Erklärung enthaltenen spekulativen Element, ausgeschlossen oder zumindest gänzlich unwahrscheinlich ist. Reichen die bei optimistischer Prognose realistischerweise zu erwartenden Wertsteigerungen von Eigentumswohnungen noch nicht einmal aus, um nach fünf Jahren einen Verkaufserlös zu erzielen, der alle Kosten des Erwerbers deckt, hat der Verkäufer falsche Vorstellungen über die Werthaltigkeit der Immobilie geweckt und damit seine Verpflichtung verletzt, über alle Umstände aufzuklären, die für eine von ihm als Kaufanreiz herausgestellte Rentabilität des Erwerbs von Bedeutung sind oder sein können (BGH, Urt. v. 30.10.1988 - V ZR 144/86, MDR 1988, 303 = WM 1988, 48 [50]; Urt. v. 14.3.2003 - V ZR 308/02, MDR 2003, 865 = BGHReport 2003, 719 = NJW 2003, 1811 [1812]; Urt. v. 20.11.1987 - V ZR 66/86, WM 1988, 95 [96]).

Der Annahme einer fehlerhaften Beratung steht nicht entgegen, dass ein Verkäufer bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit und des Wuchers grundsätzlich nicht verpflichtet ist, den Wert des Kaufobjekts offen zu legen oder irrige Vorstellungen seines Verhandlungspartners über die Angemessenheit des Kaufpreises zu korrigieren. Im Regelfall muss der Verkäufer den Käufer nicht auf ein für diesen ungünstiges Geschäft hinweisen, sondern darf davon ausgehen, dass sich sein künftiger Vertragspartner über Art und Umfang seiner Vertragspflichten im eigenen Interesse Klarheit verschafft hat (BGH, Urt. v. 14.3.2003 - V ZR 308/02, MDR 2003, 865 = BGHReport 2003, 719 = NJW 2003, 1811 [1812]). Das bedeutet jedoch nicht, dass Auswirkungen eines überhöhten Kaufpreises auf die Rentabilität eines Immobilienerwerbs zu Anlagezwecken rechtlich folgenlos blieben. Sie können dazu führen, dass Angaben, die von dem Verkäufer - oder einer Person, deren er sich zur Erfüllung seiner vorvertraglichen oder beratungsvertraglichen Pflichten bedient - im Vorfeld des Vertragsschlusses zur Rendite gemacht wurden, sich als unzutreffend erweisen. In diesem Fall kommen Schadensersatzansprüche aus Verschulden bei Vertragsschluss oder wegen Verletzung der Pflichten aus einem Beratungsvertrag in Betracht.

So liegt es auch hier. Trifft die Behauptung zu, der Verkehrswert der Eigentumswohnung habe bei Vertragsschluss allenfalls 68.800 DM betragen, so müsste ein Verkaufserlös, der die Erwerbskosten des Klägers deckt, unter Berücksichtigung des abgelösten Altdarlehens, sich bei überschlägiger Berechnung auf etwa 120.000 DM belaufen (143.000 DM Nominalkreditsumme abzgl. 22.500 DM; der angesparten Lebensversicherungssumme stehen entsprechende monatliche Aufwendungen des Klägers gegenüber). Eine Wertsteigerung von über 70 % innerhalb von fünf Jahren dürfte jedoch auch bei optimistischer Prognose der Entwicklung des Immobilienmarktes bei Vertragsschluss gänzlich unwahrscheinlich gewesen sein.

bb) Einen Beratungsfehler im Zusammenhang mit der Finanzierung des Erwerbs mittels einer Kombination von Darlehen und Kapitallebensversicherung hat das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend verneint.

Zu Recht vermisst es näheren Vortrag zu dem Umfang der Beratung. Eine Aufklärung über die spezifischen Nachteile, die mit der Tilgung eines Darlehens durch eine anzusparende Kapitallebensversicherung verbunden sind, schuldete die Beklagte nur, soweit sie oder eine Person, deren sie sich zur Erfüllung ihrer beratungsvertraglichen Pflichten bedient hat, dem Kläger zum Abschluss einer solchen Lebensversicherung geraten hat. Hieran bestehen Zweifel, weil die von dem Kläger eingereichte Rentabilitätsberechnung zwar den Beitrag für die Lebensversicherung umfasst, den monatlichen Mehraufwand des Klägers aber ausdrücklich "ohne Tilgung" ausweist.

Darüber hinaus fehlt es an der schlüssigen Darlegung eines Beratungsfehlers. Entgegen der Auffassung der Revision ist ein solcher hier nicht schon durch die Behauptung dargetan, der Einsatz der Lebensversicherung erhöhe die Finanzierungskosten um 30 %, weil das Darlehen für die gesamte Laufzeit, also stets mit der vollen Kreditsumme, zu verzinsen sei, und der daraus entstehende Nachteil durch die aus der Lebensversicherung gezahlten Garantiezinsen nicht kompensiert werde.

Wer auf Grund eines Beratungsvertrags zu richtiger und vollständiger Information hinsichtlich der für eine Finanzierung wesentlichen tatsächlichen Umstände verpflichtet ist, muss den anderen Teil über die mit der Kombination von Festkredit und als Tilgungsersatz dienender Kapitallebensversicherung verbundenen spezifischen Nachteile und Risiken aufklären, wenn sie sich für den Kreditnehmer ungünstiger darstellt als ein marktübliches Tilgungsdarlehen (BGH v. 3.4.1990 - XI ZR 261/89, BGHZ 111, 117 = MDR 1990, 1001; Urt. v. 9.3.1989 - III ZR 269/87, MDR 1989, 718 = WM 1989, 665). Dieser für den Konsumentenkredit entwickelte Grundsatz lässt sich zwar auch auf grundbuchlich gesicherte Darlehen anwenden, welche durch eine während der Laufzeit des Darlehens anzusparende Kapitallebensversicherung getilgt werden sollen. Angesichts der Vielzahl der für die Finanzierung einer vermieteten Eigentumswohnung relevanten Faktoren erfordert die Darlegung eines Beratungsfehlers jedoch einen Vergleich der Konditionen der zur Finanzierung abgeschlossenen Verträge mit den Bedingungen eines marktüblichen, durch eine Belastung des zu erwerbenden Wohnungseigentums gesicherten Tilgungsdarlehens. Dabei sind die Vor- und Nachteile der jeweiligen Finanzierungsmodelle zu berücksichtigen, insb. die Zinsaufwendungen einschließlich etwaiger Zinsrisiken, die - garantierten und prognostizierten - Erträge der Lebensversicherung, die steuerlichen Auswirkungen der Finanzierungsmodelle (Abzugsfähigkeit der Versicherungsprämien, Verlustabzug der Zinsen), die Nebenkosten der jeweiligen Verträge und die bei einem Annuitätendarlehen für eine von der Bank geforderte Absicherung des Todesfallrisikos möglicherweise zusätzlich anfallenden Kosten. Nur wenn sich die Kombination aus Festkredit und Lebensversicherung - auch unter Berücksichtigung der sich für den Erwerber jeweils ergebenden monatlichen Belastungen - im Gesamtvergleich deutlich ungünstiger darstellt als die Abwicklung über ein Annuitätendarlehen, kommt eine Verletzung von Beratungspflichten in Betracht. Das hat der Kläger nicht dargelegt.

cc) Soweit das Berufungsgericht eine fehlerhafte Beratung des Klägers hinsichtlich seiner monatlichen Belastungen verneint hat, sind Rechtsfehler nicht ersichtlich und von der Revision auch nicht gerügt worden.

III.

Nach alledem war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 1 S. 1 ZPO).

1. a) Im wiedereröffneten Berufungsrechtszug sind - unter Berücksichtigung möglicher Bindungen nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO - Feststellungen zum Zustandekommen eines Beratungsvertrags mit der Beklagten zu treffen. Zur Zurechnung der Beratungstätigkeit von Untervermittlern weist der Senat auf die in seinem Urt. v. 14.3.2003 (BGH, Urt. v. 14.3.2003 - V ZR 308/02, MDR 2003, 865 = BGHReport 2003, 719 = NJW 2003, 1811) dargestellten Grundsätze hin. Weiter wird zu klären sein, ob dem Kläger die unter II. 2. b) aa) (1.) wiedergegebenen Angaben zur Rentabilität der Immobilie gemacht worden sind und ob diese unzutreffend waren, weil angesichts des - noch festzustellenden - Verkehrswerts der Wohnung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits feststand, dass ein Gewinn bringender Verkauf nach Ablauf von fünf Jahren auch bei günstiger Entwicklung des Immobilienmarktes gänzlich unwahrscheinlich war.

b) Sollte dies zutreffen, wird - weil ein Verkäufer, der die Rentabilität eines Immobilienerwerbs zu Anlagezwecken unter Anpreisung von Wertsteigerungsmöglichkeiten herausstellt, den Verkehrswert des Objekts nicht außer Acht lassen darf - von einer schuldhaften Verletzung des Beratungsvertrags auszugehen sein, deren Ursächlichkeit für den Kaufentschluss vermutet wird (BGH, Urt. v. 6.4.2001 - V ZR 402/99, MDR 2001, 800 = BGHReport 2001, 446 = NJW 2001, 2021). Den im Kaufvertrag enthaltenen Haftungsausschluss für außerhalb des Vertrags gegebene Zusagen und Erklärungen hat das Berufungsgericht zu Recht als unwirksam angesehen (BGH, Urt. v. 13.1.2000 - III ZR 62/99, MDR 2000, 405 = WM 2000, 426 [429]).

c) Ist die Wohnung den Kaufpreis nicht wert, steht zugleich fest, dass dem Kläger durch die unrichtige Beratung ein Schaden entstanden ist (zum Erfordernis eines Schadens vgl. BGH v. 27.11.1998 - V ZR 344/97, BGHZ 140, 111 [117] = MDR 1999, 349; Urt. v. 14.3.2003 - V ZR 308/02, MDR 2003, 865 = BGHReport 2003, 719 = NJW 2003, 1811), auf den sich der Kläger allerdings durch die Ablösung seines alten Bankdarlehens zugeflossene Vorteile, soweit diese der Beklagten zuzurechnen sind, anrechnen lassen muss.

2. Zugleich erhält das Berufungsgericht Gelegenheit, auf eine sachdienliche Antragstellung hinzuwirken (§ 139 Abs. 1 S. 2 ZPO). Der auf Leistung gerichtete Klageantrag ist nur dann nicht zu beanstanden, wenn der Kläger Zahlung zu Händen eines entsprechend treuhänderisch beauftragten Notars verlangt. Andernfalls besteht die Gefahr, dass Zahlungen der Beklagten nicht zur Ablösung des durch die auf der Wohnung lastenden Grundschuld gesicherten Darlehens verwendet werden und deshalb - trotz Zahlung der Urteilssumme durch die Beklagte und Vorlage der von dem Kläger Zug um Zug abzugebenden Willenserklärung - eine lastenfreie Rückauflassung der Wohnung an die Beklagte nicht erreicht wird.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1283898

DB 2005, 1163

DStZ 2005, 171

NJW 2005, 983

NWB 2005, 238

BGHR 2005, 342

NZM 2005, 118

WM 2005, 69

WuB 2005, 199

ZIP 2005, 306

ZfIR 2005, 245

MDR 2005, 326

BauSV 2005, 57

ZBB 2005, 53

ZNotP 2005, 103

BBV 2005, 39

GuG 2005, 314

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