Entscheidungsstichwort (Thema)

Verschleierte Veräußerung eines Grundstücks trotz Veräußerungsverbotes

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Auslegung einer in einem Hofübergabevertrag enthaltenen Klausel, wonach der Übernehmer bei teilweiser oder ganzer Veräußerung des Übergabeanwesens verpflichtet sein soll, ein Drittel des Reinerlöses an den Übergeber (oder dessen Tochter) zu zahlen.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157; HöfeO § 13

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München mit dem Sitz in Augsburg vom 16. Juni 1983 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien sind Geschwister. Aufgrund notariellen Übergabevertrags vom 15. September 1975 erwarb der Beklagte das in O. gelegene, 12,8 ha große landwirtschaftliche Anwesen (im folgenden auch: Hof) von seinem Vater. Der Vertrag regelt u.a. eine Abfindung für die Klägerin (Zahlung einer Summe von 10.000 DM; Recht auf einmalige Abholzung von 6 cbm Rundholz, Ziff. VI Nrn. 12 und 13 des Vertrages). In Ziff. VI Nr. 14 des Vertrages ist bestimmt:

"Der heutige Übernehmer verpflichtet sich hiermit dem Übergeber gegenüber, ohne dessen Zustimmung keinerlei Grundbesitz zu veräußern auf die Dauer von 15 Jahren von heute an gerechnet. Sollte der Übernehmer innerhalb von 15 Jahren, wie vorgenannt, oder dessen Rechtsnachfolger das Übergabeanwesen ganz oder teilweise veräußern, so sind sie verpflichtet 1/3 des Reinerlöses hinauszubezahlen an den heutigen Übergeber, falls dieser nicht mehr am Leben sein sollte an Frau Maria B., geb. G. und zwar umgehend. Unter Reinerlös versteht sich der Betrag, der nach Abzug aller von dem Übernehmer in der heutigen Übergabe übernommenen und eingegangenen Verbindlichkeiten, aller Nebenkosten und aller von ihm nachweisbaren Kosten für Verbesserungen am Übergabebesitz von dem erzielten Kaufpreisbetrag verbleibt.

Die vorstehende Hinauszahlungsverpflichtung gilt nicht, wenn

a)

das Übergabeanwesen an einen Ehegatten oder an einen Abkömmling des Übernehmers veräußert wird,

b)

das Übergabeanwesen gegen ein gleich- oder höherwertiges Anwesen vertauscht wird,

c)

das Übergabeanwesen verkauft und innerhalb von einem Jahr nach dem Verkauf ein gleich oder höherwertiges Anwesen erworben wird."

Der Vater der Parteien starb am 26. April 1977. Der Beklagte schloß mit seinem Cousin Anton H. und dessen Ehefrau Paula am 15. September 1980 einen notariellen "Erbvertrag mit bedingter Übertragung", in dem er sie vertragsmäßig zu alleinigen Erben einsetzte (Ziff. II des Vertrages). Dafür verpflichteten sich die Ehegatten H., eine monatliche lebenslängliche Rente von 700 DM (Ziff. V Nr. 3) und sämtliche Beiträge zu Krankenkassen, Altersversicherungen sowie Berufsgenossenschaften für den Beklagten (Ziff. V Nr. 1) zu bezahlen, falls nötig, Wart- und Pflegeleistungen zu erbringen (Ziff. V Nr. 4) und mit Wirkung ab 1. Oktober 1980 alle öffentlichen Lasten und Abgaben für den Grundbesitz des Beklagten zu tragen (Ziff. V Nr. 5). Sie übernahmen auch Bankverbindlichkeiten des Beklagten in Höhe von ca. 40.500 DM mit Wirkung vom 1. September 1980 (Ziff. V Nr. 2). Der Hof des Beklagten blieb an die Ehegatten H. ohne gesonderte Gegenleistung verpachtet und zwar ohne Lösungsmöglichkeit für den Beklagten, solange der "Erbvertrag Gültigkeit hat" (Ziff. VI). Die landwirtschaftlichen Maschinen der Hofstelle wurden auf die Eheleute H. übertragen (Ziff. VII). Dem Beklagten ist ein Rücktrittsrecht eingeräumt, falls die Eheleute H. ihre Verpflichtungen nicht, nicht gehörig oder nicht rechtzeitig erfüllen und für den Fall, daß er heirate oder Abkömmlinge bekomme (Ziff. VIII). Der Beklagte verpflichtete sich, "ab sofort in keiner Weise ohne Zustimmung" der Eheleute H. über seinen Hof zu verfügen, andernfalls diese berechtigt sein sollten, "die sofortige Übertragung der Grundstücke an sich zu verlangen". Zur Sicherung dieses bedingten Übereignungsanspruchs bewilligte der Beklagte an seinen Grundstücken eine Vormerkung (Ziff. IX).

Die Klägerin ist der Auffassung, in der vertraglichen Übereinkunft des Beklagten mit den Eheleuten H. liege eine verschleierte Veräußerung. Sie hat beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 353.677,66 DM nebst Zinsen zu verurteilen. Daneben hat sie Auskunft über sämtliche seit dem 15. September 1980 von ihm oder Dritten entrichteten Beiträge zu Krankenkassen, Altersversorgungen und Berufsgenossenschaften sowie die Höhe der auf dem Grundbesitz des Beklagten ruhenden öffentlichen Lasten und Zahlung eines nach dem Ergebnis der Auskünfte zu ermittelnden Betrages begehrt. Der Beklagte hat anerkannt, wegen des Verkaufes einer 25 qm großen Grundfläche der Klägerin 500 DM zu schulden. Diesen Betrag hat das Landgericht der Klägerin zugesprochen. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben.

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Berufungsziel weiter. Der Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg.

1.

a)

Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht der Klägerin kein Zahlungs- und Auskunftsanspruch gegen den Beklagten zu, weil der notarielle Vertrag vom 15. September 1980 nicht als Veräußerung im Sinne der Ziffer VI Nr. 14 des Übergabevertrages vom 15. September 1975 angesehen werden könne. Darunter sei nur die Übertragung des Eigentums zu verstehen. Die Erbeinsetzung der Eheleute H. sei ungeachtet der von ihnen vertraglich übernommenen Gegenleistungen nur eine bindende letztwillige Verfügung, die aber weder eine dingliche Rechtsänderung herbeigeführt noch das Recht des Beklagten beschränkt habe, über sein Vermögen unter Lebenden zu verfügen. Im Zuge der Verpachtung hätten die Eheleute H. nur den unmittelbaren Besitz, nicht aber das Eigentum an den Grundstücken des Beklagten erlangt. Ziffer IX des Erbvertrages gewähre den Eheleuten H. lediglich einen aufschiebend bedingten Auflassungsanspruch, enthalte aber noch nicht die Auflassung selbst.

b)

Diese Auslegung des Berufungsgerichts ist nicht rechtsbedenkenfrei.

Dem Berufungsgericht ist zwar zuzugeben, daß unter Veräußerung eines Grundstücks in der Regel die rechtsgeschäftliche Übertragung des Eigentums durch Auflassung und Eintragung des Erwerbers im Grundbuch zu verstehen ist (vgl. BGHZ 29, 252, 254; 73, 282, 287 jeweils zu § 13 HöfeO; BGH Urt. v. 28. Juni 1961, VIII ZR 46/60, LM BGB § 571 Nr. 4 zu § 571) und die Eheleute H. bisher nicht Eigentum am Hof erworben haben. Das Berufungsgericht durfte bei seiner Auslegung aber nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks Veräußerung haften bleiben, sondern hätte unter Beachtung von Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (§ 157 BGB) den wirklichen Willen der Parteien erforschen müssen (§ 133 BGB). Der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck (BGHZ 2, 379, 385; 20, 109, 110) und die Interessenlage zwischen den Vertragsparteien (BGHZ 21, 319, 328) gewinnen dabei besondere Bedeutung. Damit hat sich das Berufungsgericht indes nicht befaßt. Der Beklagte erhielt von seinem Vater ein 12,8 ha großes landwirtschaftliches Anwesen. Damit der Hof ungeteilt vom Beklagten zu wirtschaftlich tragbaren Bedingungen übernommen und fortgeführt werden konnte, mußte sich die Klägerin im Vergleich zur allgemeinen Erbrechtslage mit einer relativ geringen Abfindung zufrieden geben. Ziffer VI Nr. 14 des Übergabevertrages lehnt sich in ihrer Passung mit gewissen Modifikationen an den Wortlaut von § 13 der Höfeordnung in der bis zum 30. Juni 1976 geltenden Fassung an. Da in Bayern die Höfeordnung nicht gilt, liegt es nahe, daß diese Klausel diejenige Funktion hat, die im Geltungsbereich der norddeutschen Höfeordnung dem gesetzlichen Ergänzungsanspruch nach § 13 HöfeO zukommt (vgl. auch Eckhardt, AgrarR 1975, 136, 138; Liesenborghs, AgrarR 1977 Beilage I S. 23, 29). Ein dem weichenden Miterben im Interesse der Fortführung des ungeteilten Betriebes zugemutetes Opfer verliert seinen Sinn, wenn der Hoferbe das Anwesen veräußert; die ursprüngliche Benachteiligung des Miterben soll dann ausgeglichen werden (zum Gesetzeszweck von § 13 HöfeO vgl. Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery, HöfeO 8. Aufl. § 13 Rdn. 1; Wöhrmann/Stöcker, Landwirtschaftserbrecht 4. Aufl. § 13 Rdn. 4-6).

In der Rechtsprechung zu § 13 HöfeO ist anerkannt, daß bei einer Umgehung der Vorschrift durch wirtschaftlich einer Veräußerung gleichkommende Rechtsgeschäfte Ausgleichsansprüche der weichenden Miterben entstehen können (vgl. BGHZ 73, 282, 287; 91, 154, 171 m.w.N.). Das Berufungsgericht hätte daher Anlaß gehabt, insbesondere Überlegungen zum Zweck der Hinauszahlungsklausel anzustellen und zu prüfen, ob unter Veräußerung im Sinne dieser Klausel auch Rechtsgeschäfte fallen, die wirtschaftlich auf eine Veräußerung des Hofes unter Vermeidung der Hinauszahlungspflicht gerichtet sind. Dies ist nachzuholen.

Bejahendenfalls wird sich das Berufungsgericht bei der dann notwendigen Prüfung, ob der Vertrag des Beklagten mit den Eheleuten H. veräußerungsgleich ist, nicht damit begnügen dürfen, die einzelnen Elemente (Erbeinsetzung, Pacht, Verfügungsverbot, bedingter Auflassungsanspruch) für sich zu prüfen, sondern es wird die Abreden in ihrer Gesamtheit dahin würdigen müssen, ob sie wirtschaftlich einer Veräußerung gleichkommen.

2.

a)

Das Berufungsgericht begründet die Klageabweisung auch noch folgendermaßen: Der Beklagte hätte nach Ablauf der 15-Jahresfrist ohne Zustimmung des Übergebers oder vor Ablauf dieser Frist mit Zustimmung des Übergebers Grundbesitz veräußern können, ohne einen Zahlungsanspruch auszulösen. Ziffer VI Nr. 14 Satz 2 des Übergabevertrages lege mit den Worten "wie vorgenannt" eine Zahlungsverpflichtung nur unter den Voraussetzungen des Satzes 1 fest. Eine Veräußerung löse eine Zahlungsverpflichtung mithin nur dann aus, wenn sie ohne Zustimmung des Übergebers erfolge. Nach dem Tode des Vaters könne die Klägerin zwar möglicherweise einen Zahlungsanspruch erwerben. Damit sei aber nicht gesagt, daß sie berechtigt sein solle, die erforderliche Zustimmung zu erteilen oder zu verweigern. Das Recht zur Zustimmung oder Verweigerung gehe zwar grundsätzlich auf die Erben des Übergebers (die Parteien) über. Dies sei aber hier nicht der Fall gewesen, weil der Ubergeber keine für den Fall seines Todes ausübungsberechtigte Person benannt und sich damit das Recht zur Zustimmung höchstpersönlich vorbehalten habe. Dafür sprächen auch die Schwierigkeiten, die sonst bei einer Zustimmung zur Veräußerung oder deren Verweigerung entstünden. Gesichtspunkte, unter denen ein Dritter eine solche Zustimmung ersetzen könne, enthalte der Vertrag nicht. Der Vertrag lasse auch nicht "die zwingende Tendenz oder Intention des Erblassers" erkennen, daß jede Veräußerung eine Zahlungsverpflichtung auslösen solle, weil er ausdrücklich gewisse Ausnahmen vorsehe und Veräußerungen innerhalb von 15 Jahren mit Zustimmung des Übergebers und nach Ablauf dieser Frist generell gestatte.

b)

Auch diese Ausführungen sind rechtsfehlerhaft. Der Zweck der Hinauszahlungspflicht unter Berücksichtigung der Interessenlage wird auch hierbei nicht erwogen. Auch das Berufungsgericht nimmt an, der Vater habe seinen Sohn 15 Jahre lang bei Grundstücksveräußerungen an seine Zustimmung binden wollen, mit der Folge, daß die Klägerin noch einen Zahlungsanspruch hätte erwerben können, falls der Vater kurz vor Ablauf der 15-Jahresfrist die Zustimmung zu einer Veräußerung verweigert hätte, dann aber gestorben wäre. Ein Tod des Vaters bald nach dem Abschluß des Übergabevertrages sollte den Beklagten dagegen nach der Auslegung des Berufungsgerichts dazu berechtigen, ohne Ausgleichszahlung den Hof ganz oder teilweise zu veräußern. Hätte die einschlägige Vertragsklausel auch den vom Berufungsgericht nicht erwogenen Zweck, der Klägerin als weichender Miterbin Ausgleich für ein ihr zugemutetes Opfer zu verschaffen (s. oben Ziff. 1), dann erscheint vor diesem Hintergrund die vom Berufungsgericht vorgenommene Differenzierung zweckwidrig. Weder aus dem Vertragswortlaut noch aus sonstigen Anhaltspunkten ließe sich dann entnehmen, daß die Vertragsparteien dies so gewollt haben.

3.

Das angefochtene Urteil muß deshalb aufgehoben werden. Es bedarf zunächst einer weiteren tatrichterlichen Würdigung der Hinauszahlungsklausel im Übergabevertrag und eventuell auch des Erbvertrages zwischen dem Beklagten und den Eheleuten H..

 

Unterschriften

Dr. Thumm

Dr. Eckstein

Linden

Vogt

Lambert-Lang

 

Fundstellen

Haufe-Index 1391516

DNotZ 1986, 242

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