Leitsatz

Bei der zwangsweisen Übertragung von Aktien auf den Mehrheitsaktionär erhalten Minderheitsaktionäre mehr Schutz. Die Rechtmäßigkeit eines solchen Beschlusses ist auch gerichtlich überprüfbar, wenn der Kläger seine Aktionärsstellung bereits vor Zustellung der Klageschrift verloren hat.

 

Sachverhalt

Die Regelung des § 245 Nr. 1 AktG gewährt einem Aktionär die Befugnis zur gerichtlichen Anfechtung von Beschlüssen der Hauptversammlung unter der Voraussetzung, dass er zum Zeitpunkt der Klageerhebung, d.h. bei Zustellung der Klage, Aktionär der Gesellschaft ist. Obwohl diese Voraussetzung in dem vom BGH entschiedenen Fall nicht gegeben war, bejahte er die Klagebefugnis der Aktionäre. Bis zu ihrer Umwandlung im Jahr 2009 war die beklagte GmbH eine AG. Nachdem die Mehrheitsaktionäre die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf die Hauptaktionärin beschlossen hatte, erhoben einige Minderheitsaktionäre eine Anfechtungsklage. Nach Klageeinreichung aber vor Zustellung der Klageschrift wurde der Übertragungsbeschluss im Handelsregister eingetragen, womit die Aktionärsstellung der Kläger kraft Gesetzes entfallen war.

Nach divergierenden Entscheidungen der Vorinstanzen betonten die BGH-Richter das Schutzbedürfnis der Minderheitsaktionäre. Die Eigentums- und die Rechtsschutzgarantie erforderten eine verfassungskonforme Auslegung des § 245 Nr. 1 AktG. Die Klagebefugnis des Minderheitsaktionärs gegen einen Übertragungsbeschluss der Hauptversammlung könne nicht davon abhängen, dass infolge von mehr oder weniger zufälligen Abläufen dessen Aktionärsstellung bereits vor Zustellung der Klageschrift entfallen sei. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Möglichkeit der zwangsweisen Übertragung von Aktien auf den Hauptaktionär (95 % Anteile) gegen Zahlung einer angemessenen Barabfindung in das Eigentumsrecht der Betroffenen eingreife. Die Rechtmäßigkeit eines solchen Beschlusses müsse daher gerichtlich überprüfbar sein. Der BGH hat den Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückverwiesen, die nun über die sachliche und rechtliche Begründetheit der vorgebrachten Anfechtungsgründe der Kläger zu entscheiden hat.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 22.03.2011, II ZR 229/09.

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