Entscheidungsstichwort (Thema)

Eidesstattliche Versicherung bzgl. vollständiger Angabe über den Bestand des Nachlasses

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Bemessung des Wertes des Beschwerdegegenstandes einer Verurteilung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung über den Bestand eines Nachlasses.

 

Normenkette

ZPO §§ 889, 511a Abs. 1

 

Tenor

  1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluß des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts K. vom 30. Juni 1995 aufgehoben.

    Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

  2. Beschwerdewert: 5.000,00 DM
 

Gründe

I.

Der Kläger ist der Sohn des am 8. November 1992 verstorbenen Erblassers. Er macht gegen die Beklagte, dessen zweite Ehefrau und testamentarische Alleinerbin, im Wege der Stufenklage seinen Pflichtteils- und einen Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend. Den Antrag, Auskunft über den Bestand des Nachlasses zu erteilen, haben die Parteien übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Auf den weiteren Antrag des Klägers hat das Landgericht die Beklagte verurteilt,

"... zu Protokoll an Eides statt zu versichern, daß sie nach bestem Wissen den Bestand des Nachlasses ihres am 08.11.1992 verstorbenen Ehemannes Hermann A. so vollständig angegeben hat, als sie dazu imstande ist."

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Mit Beschluß vom 21. Juni 1995 hat das Berufungsgericht den Wert des Beschwerdegegenstandes auf weniger als 600,00 DM festgesetzt und sodann durch Beschluß vom 30. Juni 1995 die Gegenvorstellung der Beklagten gegen die Wertfestsetzung zurückgewiesen und ihre Berufung als unzulässig verworfen, weil die Berufungssumme nicht erreicht sei. Die Beklagte hat gegen den Beschluß vom 30. Juni 1995 sofortige Beschwerde eingelegt.

II.

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

A.

Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist auch im übrigen zulässig. Zwar fehlt es an einem ausdrücklichen Antrag. Im Beschwerdeverfahren der ZPO ist ein bestimmter Antrag entgegen der Ansicht der Beschwerdeerwiderung jedoch keine Zulässigkeitsvoraussetzung (BGHZ 91, 154, 160; Zöller/Gummer, ZPO § 577 Rdn. 17). Davon abgesehen geht aus der Beschwerdebegründung hinreichend deutlich hervor, daß die Beklagte jedenfalls die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses begehrt.

B.

Die sofortige Beschwerde ist auch begründet.

1.

Das Berufungsgericht nimmt an, der Aufwand an Zeit und Kosten für die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung sei gering und übersteige die Berufungssumme von 1.500,00 DM nicht. Der Aufwand beschränke sich darauf, daß die Beklagte beim Nachlaßgericht oder beim Vollstreckungsgericht zu erscheinen und die eidesstattliche Versicherung abzugeben habe. Auf die Kosten einer Überprüfung und etwaigen Ergänzung und Berichtigung der erteilten Auskunft komme es nicht an, weil das gerichtliche Verfahren insoweit abgeschlossen sei. Strafrechtliche oder haftungsrechtliche Risiken aufgrund einer unrichtigen oder möglicherweise unrichtigen Versicherung müßten bei der Streitwertbemessung unberücksichtigt bleiben.

2.

Soweit das Rechtsmittelinteresse - wie hier - gemäß §§ 2, 3 ZPO festzusetzen ist, kann die Bewertung durch das Berufungsgericht vom Senat nur darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht die gesetzlichen Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat; das ist insbesondere der Fall, wenn maßgebliche Tatsachen verfahrensfehlerhaft nicht berücksichtigt oder etwa erhebliche Tatsachen unter Verstoß gegen die Aufklärungspflicht nicht festgestellt worden sind (Senatsurteil vom 02.06.1993 - IV ZR 211/92 - NJW-RR 1993, 1154 m.w.N.; BGH, Urteil vom 05.05.1992 - XII ZR 88/92 - NJW-RR 1993, 1026 unter 1 b).

a)

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß sich der Wert des Beschwerdegegenstandes (§ 511a Abs. 1 ZPO) auch im Fall der Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Verurteilung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach dem Aufwand an Zeit und Kosten, die die Erfüllung des titulierten Anspruchs erfordert, sowie einem - hier nicht geltend gemachten - Geheimhaltungsinteresse des Verurteilten bemißt. Insoweit besteht, anders als die Beschwerde offenbar meint, kein grundsätzlicher Unterschied zur Verurteilung zur Auskunft oder Rechnungslegung (Großer Senat für Zivilsachen, Beschluß vom 24.11.1994 - GSZ 1/94 - BGHZ 128, 85 = NJW 1995, 664; BGH, Beschluß vom 01.04.1992 - VIII ZB 2/92 - NJW 1992, 2020 m.w.N. = BGHR ZPO § 3 Rechtsmittelinteresse 18).

b)

Zuzustimmen ist dem Berufungsgericht auch darin, daß das Risiko, wegen einer falschen oder möglicherweise falschen eidesstattlichen Versicherung mit einem Strafverfahren oder mit Schadensersatzansprüchen überzogen zu werden, als solches bei der Wertbemessung nicht zu berücksichtigen ist. Das Gesetz (§§ 259 Abs. 2, 260 Abs. 2 BGB) verlangt eine wahrheitsgemäße eidesstattliche Versicherung, und nur auf eine solche bezieht sich eine entsprechende Verurteilung und der zur Erfüllung des titulierten Anspruchs erforderliche Aufwand. Deshalb kann der Senat der Ansicht der Beschwerde nicht folgen, die Vermeidung strafrechtlicher Konsequenzen schon für den Fall der fahrlässigen Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung entspreche dem bei der Wertfestsetzung zu berücksichtigenden Geheimhaltungsinteresse des Verurteilten.

c)

Mit Recht beanstandet die Beschwerde jedoch, daß das Berufungsgericht bei der Bemessung des für die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erforderlichen Aufwands wesentliche Umstände außer Betracht gelassen hat.

aa)

Wer zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verurteilt ist, ist nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, die erteilte Auskunft auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen und gegebenenfalls zu ergänzen und zu berichtigen (BGHZ 104, 369, 373; BGH, Urteil vom 16.09.1982 - X ZR 54/81 - LM Nr. 23 zu § 259 BGB unter I). Die Einschaltung eines Rechtsanwalts kann dem verurteilten Beklagten dann nicht verwehrt werden, wenn der Urteilsausspruch nicht hinreichend bestimmt genug ist, so daß Zweifel über seinen Inhalt und Umfang im Vollstreckungsverfahren zu klären sind, oder wenn die sorgfältige Erfüllung des titulierten Anspruchs Rechtskenntnisse voraussetzt (Senatsurteil vom 02.06.1993 - IV ZR 211/92 - NJW-RR 1993, 1154).

bb)

Nach diesen Maß Stäben kann der Beklagten nicht zugemutet werden, die eidesstattliche Versicherung ohne anwaltlichen Rat und Beistand abzugeben. Zwar ist der Auskunftsanspruch prozessual erledigt. Dies hat aber nicht, wie das Berufungsgericht meint, zur Folge, daß es deshalb auf die Kosten einer Überprüfung und etwaigen Ergänzung und Berichtigung der erteilten Auskunft nicht ankomme und die Beklagte lediglich beim Gericht zu erscheinen und die eidesstattliche Versicherung abzugeben habe. Dies mag bei einfachen Auskünften tatsächlicher Art und einer auf diese konkreten Auskünfte bezugnehmenden Verurteilung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zutreffen. Um einen solchen Fall handelt es sich hier nicht. Der Kläger stellt sich einen Pflichtteilsanspruch von circa 71.000,00 DM und einen Pflichtteilsergänzungsanspruch von circa 100.000,00 DM vor und verlangt Auskunft nicht nur über die vorhandenen Nachlaßgegenstände, sondern auch über Schenkungen des Erblassers an die Beklagte während der Ehe und vor der Eheschließung 1972. Im Rechtsstreit hat er weiter geltend gemacht, die Beklagte sei zur Auskunft über eine Unternehmensbeteiligung des Erblassers und zur Herausgabe der vollständigen Geschäftsunterlagen und deren Erläuterung verpflichtet. Es liegt auf der Hand, daß ein Laie ein derartiges Auskunftsverlangen ohne umfassende rechtliche Beratung nicht erfüllen kann.

Die Beklagte hat das Nachlaßverzeichnis vom 26. März 1993 von einem Notar am Nachlaßort aufnehmen und sich zudem anwaltlich beraten lassen. Im Schreiben vom 26. April 1993, mit dem ihr Anwalt das Nachlaßverzeichnis an den Anwalt des Klägers übersandt hatte, sind ergänzende Auskünfte zu Bankkonten enthalten. Während des Rechtsstreits hat die Beklagte schriftsätzlich weitere Auskünfte erteilt. Gleichwohl hat der Kläger geltend gemacht, die Auskunft sei unvollständig und nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erteilt, und hält diesen Vorwurf auch in der Beschwerdeerwiderung aufrecht. Das Landgericht hat den Standpunkt des Klägers geteilt. Unter diesen Umständen kann es der Beklagten nicht verwehrt werden, sich vor Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erneut anwaltlich darüber beraten zu lassen, inwieweit ihre bisherige Auskunft ergänzungs- und berichtigungsbedürftig ist. Die Tatsache, daß diese Beratung im Zuge der Ausarbeitung der Berufungsbegründung inzwischen erfolgt sein könnte, ist auf die Höhe der Beschwer ohne Einfluß, weil es auf den Zeitpunkt der Einlegung der Berufung ankommt (Senatsurteil vom 02.06.1993 - IV ZR 211/92 - NJW-RR 1993, 1154 unter 2 a m.w.N.).

Anwaltlicher Beratung bedarf die Beklagte ferner deshalb, weil der Inhalt der abzugebenden eidesstattlichen Versicherung im Urteil des Landgerichts nicht hinreichend bestimmt wird. Da die eidesstattliche Versicherung ihrer Natur nach inhaltlich an eine vorangegangene Auskunft anknüpft, soll schon das Prozeßgericht dementsprechend die Formel der Versicherung genau festlegen (BGH, Urteil vom 18.10.1961 - V ZR 192/60 - LM Nr. 5 zu § 2314 BGB unter III 3; BGHZ 33, 373, 374, 375; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO § 889 Rdn. 3; Baumbach/Hartmann, ZPO § 889 Rdn. 2). Der Urteilstenor bezieht sich nicht auf bestimmte erteilte Auskünfte (z.B. im Nachlaßverzeichnis, im Begleitschreiben dazu und in anderen Schriftstücken), sondern nur pauschal auf die Angaben der Beklagten über "den Bestand des Nachlasses" des Erblassers. Die Entscheidungsgründe tragen zur Präzisierung nichts bei. Sie sind eher geeignet, Unklarheit zu erzeugen, weil sie nur auf die fehlende Sorgfalt bei Erstellung des notariellen Nachlaßverzeichnisses abheben. Hierbei ist nicht berücksichtigt, daß eine Auskunft im Sinne von § 260 Abs. 1 BGB sich auch aus einer Mehrheit von Teilauskünften zusammensetzen kann (BGH, Urteil vom 18.10.1961 - V ZR 192/60 - LM Nr. 5 zu § 2314 BGB unter III 1; BGH, Urteil vom 06.06.1962 - V ZR 45/61 - LM Nr. 14 zu § 260 BGB).

Spätestens im Zeitpunkt der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung müssen die in Bezug genommenen Auskünfte jedoch im einzelnen genau bezeichnet sein und sollten zweckmäßigerweise in einem einheitlichen Verzeichnis zusammengefaßt werden (BGH, Urteil vom 18.10.1961 a.a.O. unter III 1 und 3). Dabei kann der Beklagten anwaltliche Hilfe nicht mit der Begründung verwehrt werden, auch das Vollstreckungsgericht müsse sich um eine sachgerechte Fassung der Formel der Versicherung bemühen. Es kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß dem Vollstreckungsgericht der gesamte Prozeßstoff und die Probleme im einzelnen bekannt sind (vgl. BGH, Urteil vom 18.12.1991 - XII ZR 79/91 - NJW-RR 1992, 450). Daß Komplikationen bei der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 889 ZPO in derartigen Fällen nicht von vornherein auszuschließen sind, zeigt sich im vorliegenden Fall auch daran, daß die Beklagte zum Termin mit einem Formular geladen worden ist, das für die eidesstattliche Offenbarungsversicherung nach § 899 ZPO bestimmt ist und die entsprechenden Hinweise enthält (unter anderem Verpflichtung zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses, Androhung eines Haftbefehls, Eintragung in das Schuldnerverzeichnis).

cc)

Ob die erforderlichen Anwaltskosten den von der Beklagten genannten Betrag von 4.329,75 DM erreichen, kann offen bleiben. Jedenfalls steht außer Zweifel, daß die Beschwer bei Berücksichtigung von Anwaltskosten die Berufungssumme übersteigt.

 

Unterschriften

Dr. Schmitz,

Dr. Zopfs,

Dr. Ritter,

Terno,

Seiffert

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1456570

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge