Verfahrensgang

OLG Hamburg (Urteil vom 02.09.1994; Aktenzeichen 1 U 15/94)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 1. Zivilsenat, vom 2. September 1994 – 1 U 15/94 – wird nicht angenommen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Streitwert: 153.000 DM.

 

Gründe

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 554 b ZPO). Die Revision hat auch im Ergebnis keine Aussicht auf Erfolg.

Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß die Behandlung des Ehemannes der Klägerin durch den beklagten Arzt in einem Krankenhaus des beklagten Landes Ausübung eines öffentlichen Amtes war und daß deshalb weder der behandelnde Arzt (Beklagter zu 1) unmittelbar (Art. 34 GG), noch der öffentliche Krankenhausträger (Beklagte zu 2) (§ 91 a Abs. 1 Satz 2 SVG) auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden kann. Der Senat hat zwar bisher nur entschieden, daß die Heilbehandlung von Soldaten durch Truppenärzte oder in Krankenanstalten der Bundeswehr Ausübung eines öffentlichen Amtes ist (vgl. Senatsurteile BGHZ 108, 230, 232; 120, 176, 178). Für die Behandlung eines Soldaten, die im Auftrag der Bundeswehr durch Ärzte eines zivilen Krankenhauses durchgeführt wird und deren rechtliche Einordnung der Senat bisher hat dahinstehen lassen (Senatsurteil 108, 230, 236), kann jedoch nichts anderes gelten.

1. Unerheblich ist, daß die Behandlung des Ehemannes der Klägerin aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages zwischen der Bundeswehr und dem Allgemeinen Krankenhaus H. durchgeführt worden ist. Die öffentliche Hand kann zur Erfüllung ihrer hoheitlichen Aufgaben auch Dritte aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages heranziehen. Das Innenverhältnis zwischen der Körperschaft, deren Aufgaben wahrgenommen werden, und dem Verwaltungshelfer (im weitesten Sinne) ist für die Beurteilung der Tätigkeit des Verwaltungshelfers im Verhältnis zu einem betroffenen Bürger nicht von Bedeutung.

2. Für die Hinzuziehung eines Facharztes durch den Vertragsarzt einer Justizvollzugsanstalt zur Untersuchung eines Untersuchungsgefangenen hat der Senat bereits entschieden, daß auch die Tätigkeit des hinzugezogenen Facharztes Bestandteil der staatlichen Gesundheitsfürsorge ist mit der Folge, daß ihm vorzuwerfendes ärztliches Fehlverhalten dem Land als Träger der Vollzugsanstalt anzulasten ist (Senatsurteil vom 26. November 1981 – III ZR 59/80 – VersR 1982, 240, 241 f. = NJW 1982, 1329). Mit Recht nimmt das Berufungsgericht an, daß nichts anderes gelten kann, wenn Ärzte des Gesundheitsdienstes der Bundeswehr zur Untersuchung oder Behandlung eines Bundeswehrangehörigen Ärzte eines Zivil Krankenhauses hinzuziehen.

In einem solchen Fall untersteht der hinzugezogene Zivilarzt allerdings Weisungen des Bundeswehrarztes allenfalls hinsichtlich des Umfangs seiner Tätigkeit; eine weitergehende, inhaltliche Weisungsgebundenheit, wie der Senat sie bei der Entscheidung über die Haftung für schadenstiftendes Handeln mit Straßenbauarbeiten beauftragter Privatfirmen für wesentlich gehalten hat (vgl. Senatsurteile vom 18. Mai 1967 – III ZR 94/65 – VersR 1967, 859 [Beschädigung von Versorgungsleitungen durch die von einer Stadt mit Kanalisationsarbeiten beauftragte Baufirma] –, vom 15. Juni 1967 – III ZR 23/65 – BGHZ 48, 98 [Verschmutzung von Grundstücken und Maschinen durch eine von Bund und Land mit der Durchführung von Autobahnbauarbeiten beauftragte Baufirma] – und vom 11. Januar 1973 – III ZR 186/91 – VersR 1973, 417), ist durch die Natur der ärztlichen Tätigkeit in einem solchen Fall ausgeschlossen. Trotzdem bleibt die Behandlung des Bundeswehrangehörigen Bestandteil der Kraft seines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses zu gewährenden Gesundheitsfürsorge.

3. Wird demnach die persönliche Haftung des Beklagten zu 1 als des behandelnden Arztes durch die befreiende Schuldübernahme des Art. 34 GG ausgeschlossen (vgl. Senatsurteile BGHZ 99, 62, 63; 121, 161, 163), so steht andererseits einer Haftung seines Dienstherrn die Anspruchsbeschränkung des § 91 a SVG entgegen.

Gesundheitliche Nachteile, die durch Handlungen des Zivilarztes verursacht werden, sind Wehrdienstbeschädigungen i.S. des § 81 Abs. 1 SVG. Denn nach der gesetzlichen Begriffsbestimmung in § 81 Abs. 1 SVG ist Wehrdienstbeschädigung eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Ein schädigendes Ereignis, das zu einer Wehrdienstbeschädigung führt, kann auch ein mißlungener ärztlicher Heileingriff oder ein sonstiger ärztlicher Behandlungsfehler bei der ärztlichen Betreuung im Rahmen des Wehrdienstverhältnisses sein (BSG SozR 3200 SVG § 81 Nr. 4 [= § 80 Nr. 2], 15, 20, 27). Eine Zuordnung der Heilbehandlungsmaßnahme zum Bereich des Wehrdiensteigentümlichen wird nicht einmal dadurch ausgeschlossen, daß das zu behandelnde Leiden unabhängig vom Wehrdienst entstanden war (BSG SozR 3200 SVG § 80 Nr. 2; § 81 Nr. 20). Maßgeblich ist vielmehr, ob eine „innere Beziehung” zwischen der Behandlungsmaßnahme und dem soldatischen Sozialbereich im vorstehend dargelegten Sinne bestanden hat (Senatsurteil BGHZ 120, 176, 179). Eine solche innere Beziehung ist – ausnahmsweise – verneint worden bei den nicht voraussehbaren Folgen einer Operation, die aus vitaler Indikation wegen eines vor Beginn des Wehrdienstes entstandenen („eingebrachten”) Leidens nach den Regeln der ärztlichen Kunst in einem allgemeinen Krankenhaus vorgenommen worden ist (BSG SozR 3200 SVG § 81 Nr. 27; Senatsurteil vom 25. April 1991 – III ZR 175/90 – BGHR SVG § 81 Abs. 1 Truppenärztliche Versorgung 1).

Im übrigen ist die in Rede stehende Gesundheitsbeeinträchtigung des Ehemannes der Klägerin durch Bescheid vom 24. Januar 1990 als Wehrdienstbeschädigung anerkannt worden und sind entsprechende Ansprüche nach § 85 SVG festgestellt worden. Diese Entscheidung bindet – wie die Entscheidung der Verwaltungsbehörde über das Vorliegen eines Dienstunfalls (dazu Senatsurteil BGHZ 121, 131) – auch die Gerichte, die über Schadensersatzansprüche aus demselben Anlaß zu entscheiden haben.

 

Unterschriften

Rinne, Engelhardt, Werp, Streck, Schlick

 

Fundstellen

Haufe-Index 1398924

NJW 1996, 2431

NVwZ 1996, 1141

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