Tenor

An den IX. Zivilsenat wird gemäß § 132 Abs. 3 GVG folgende Anfrage gerichtet:

Wird an der Rechtsauffassung festgehalten, daß die Verjährung von Zinsen aus einer Sicherungsgrundschuld gehemmt ist, solange der Sicherungsfall nicht eingetreten ist?

 

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich im Wege der Vollstreckungsabwehrklage gegen die von der beklagten Raiffeisenbank aus drei vollstreckbaren notariellen Urkunden betriebene Zwangsvollstreckung.

Am 23. Juli 1966, am 17. Mai 1968 und am 15. Januar 1970 bestellten die Klägerin und ihr inzwischen verstorbener Ehemann für die Kreissparkasse S. Grundschulden über 40.000 DM, 15.000 DM und nochmals 15.000 DM, jeweils zuzüglich 10% Zinsen, an ihren in S. und T. gelegenen Grundstücken, übernahmen die persönliche Haftung und unterwarfen sich der sofortigen Zwangsvollstreckung. Anlaß für die Grundschuldbestellungen und Schuldversprechen waren Kredite, die die Gläubigerin dem Ehemann der Klägerin für seinen Geschäftsbetrieb gewährte. Der Betrieb wurde im Jahre 1980 auf den Sohn der Klägerin übertragen und von ihm in Form einer GmbH fortgeführt.

Im Februar 1989 räumte die Beklagte der GmbH Umschuldungs- und andere Kredite über insgesamt 714.850 DM ein. Als Sicherheit dienten u.a. die drei vorgenannten Grundschulden über insgesamt 70.000 DM. Die Klägerin und ihr Ehemann erklärten am 8. Februar 1989 die „Abtretung” an die Beklagte, unterzeichneten am folgenden Tag eine formularmäßige Zweckerklärung, nach der die Grundschulden zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Ansprüche der Beklagten aus der Geschäftsverbindung mit der GmbH dienen, und übernahmen die persönliche Haftung. Am 17. Februar 1989 trat die Kreissparkasse S. die Grundschulden nebst Zinsen seit dem Tage der Eintragung ins Grundbuch an die Beklagte ab.

Die Beklagte stellte Kredite der GmbH in Höhe von rund 280.000 DM im September 1996 fällig, ließ die vollstreckbaren Urkunden der Klägerin zustellen und beantragte am 30. Dezember 1996 die Zwangsversteigerung zweier belasteter Grundstücke.

Mit ihrer Vollstreckungsgegenklage hat sich die Klägerin auf die Unwirksamkeit der Übernahme der persönlichen Haftung, auf die Beschränkung der dinglichen Haftung auf die Nominalbeträge der Grundschulden und auf die Verjährung von Grundschuldzinsen berufen.

Das Landgericht hat nur die Zwangsvollstreckung aus den vollstreckbaren Schuldversprechen für unzulässig erklärt und die Vollstreckungsgegenklage im übrigen abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer Revision greift sie das Berufungsurteil nur beschränkt an; sie begehrt nur noch, die Zwangsvollstreckung hinsichtlich der vor dem 1. Januar 1992 fällig gewordenen Grundschuldzinsen für unzulässig zu erklären.

II.

1. Die Entscheidung über die Revision hängt davon ab, ob der Anspruch der Beklagten auf vor dem 1. Januar 1992 fällig gewordene Grundschuldzinsen verjährt ist. Nach §§ 902 Abs. 1 Satz 2, 197 BGB verjähren Ansprüche auf Rückstände von dinglichen Hypotheken- und Grundschuldzinsen in vier Jahren. Diese Frist war bei Unterbrechung der Verjährung nach § 209 Abs. 2 Nr. 5 BGB durch Stellung des Zwangsversteigerungsantrags am 30. Dezember 1996 für die im Jahre 1991 oder früher fällig gewordenen Grundschuldzinsen abgelaufen (§§ 198, 201 BGB), es sei denn, die Verjährung wäre gehemmt gewesen (§ 202 Abs. 1 BGB). Wäre Verjährung eingetreten, so müßte der Revision stattgegeben werden. Wäre die Verjährung der Grundschuldzinsen bis zum Jahre 1992 oder länger gehemmt gewesen, so müßte die Revision zurückgewiesen werden.

2. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs ist der Ansicht, die Verjährung von Zinsen aus einer Sicherungsgrundschuld sei gemäß § 202 Abs. 1 BGB gehemmt, solange der Sicherungsfall nicht eingetreten sei. Zwar komme eine Hemmung dann nicht in Betracht, wenn der Sicherungsgeber berechtigt sei, die Duldung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück nicht nur vorübergehend, sondern dauernd zu verweigern. Hierfür reiche aber nicht aus, daß der Schuldner die zugrundeliegende Forderung teilweise zurückgezahlt habe. Ein Anspruch auf Rückgewähr der dinglichen Sicherheit, der ein dauerndes Leistungsverweigerungsrecht begründen könne, entstehe erst, wenn die persönliche Schuld ganz getilgt sei (BGH, Beschluß vom 21. Januar 1993 - IX ZR 174/92, ZIP 1993, 257, 258; s. auch Urteil vom 9. November 1995 - IX ZR 179/94, WM 1995, 2173, 2176).

3. Der XI. Zivilsenat möchte dieser Rechtsprechung nicht folgen. Er ist der Ansicht, die Verjährung des Anspruchs auf Zinsen aus einer Sicherungsgrundschuld sei nicht gemäß § 202 Abs. 1 BGB bis zum Eintritt des Sicherungsfalles gehemmt; er möchte der Revision der Klägerin deshalb stattgeben. Daran sieht er sich jedoch durch die genannten Entscheidungen des IX. Zivilsenats gehindert. Dies ist der Grund für die auf § 132 Abs. 3 GVG beruhende Anfrage.

4. Nach § 202 Abs. 1 BGB ist die Verjährung gehemmt, solange die Leistung gestundet oder der Verpflichtete aus einem anderen Grunde vorübergehend zur Verweigerung der Leistung berechtigt ist. Das aus dem Sicherungsvertrag folgende Recht des Sicherungsgebers, bis zum Eintritt der Fälligkeit der gesicherten Forderung die Leistung aus der jederzeit fälligen Grundschuld zu verweigern (BGH, Urteil vom 29. März 1985 - V ZR 188/83, WM 1985, 953, 954), fällt nicht unter § 202 Abs. 1 BGB.

Die gegenteilige Ansicht des IX. Zivilsenats, die Zustimmung (OLG Koblenz WM 1993, 1033, 1034 f.; LG Bückeburg WM 1994, 202, 203; Merkel, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch § 94 Rdn. 182; Palandt/Bassenge, BGB 58. Aufl. § 1193 Rdn. 3; Rauch/Zimmermann, Grundschuld und Hypothek 2. Aufl. Rdn. 314; v. Feldmann WuB IV A. § 202 BGB 1.94), aber auch Kritik (Staudinger/Wolfsteiner, BGB 13. Bearb. Vorbem. zu §§ 1191 ff. Rdn. 56 f.; RGRK-Joswig, BGB 12. Aufl. § 1192 Rdn. 5; Nobbe, Neue höchstrichterliche Rechtsprechung zum Bankrecht 6. Aufl. Rdn. 1332, 1333; Hök MDR 1994, 645, 646 f.; Clemente EwiR 1993, 369 f.; Blaschczok WuB I F 3. - 6.93) erfahren hat, ist mit dem Willen und den Vorstellungen der Parteien der Sicherungsabrede nicht vereinbar (a), widerspricht der Intention des Gesetzgebers (b) und dem Sinn und Zweck der Sicherungsabrede (c), ist im Vergleich zur Verjährung des Anspruchs auf rückständige Zinsen aus isolierten Grundschulden und aus Hypotheken systemwidrig (d) und benachteiligt den Sicherungsgeber ohne sachlichen Grund unangemessen (e).

a) Die Rechtsprechung des IX. Zivilsenats führt dazu, daß Ansprüche auf Zinsen aus Sicherungsgrundschulden bis zum Eintritt der Fälligkeit der gesicherten Forderung nicht verjähren, sondern sich der Sicherungsumfang der Grundschuld Jahr für Jahr um die Grundschuldzinsen erhöht. Da heute regelmäßig Grundschuldzinsen von 15% jährlich und mehr vereinbart werden, verdoppelt sich der Sicherungsumfang der Grundschuld in weniger als sieben Jahren. Während der Dauer eines langfristigen Darlehens etwa im Rahmen einer Eigenheimfinanzierung steigt der Sicherungsumfang einer Grundschuld einschließlich Zinsen auf das Vier- bis Fünffache der Grundschuldsumme, bis er schließlich den Verkehrswert des Grundstücks ausschöpft.

Nichts spricht dafür, daß verständige Parteien einer Sicherungsabrede eine solche Erweiterung des Sicherungsumfangs der Grundschuld ohne Begrenzung und die damit in aller Regel einhergehende stetig steigende Übersicherung des Gläubigers wollen. Insbesondere ein Drittsicherungsgeber wie die Klägerin will sein Grundstück auf jeden Fall nur bis zu einer bestimmten Obergrenze als Haftungsobjekt zur Verfügung stellen. In der Praxis wird der Nominalbetrag einer neu bestellten Sicherungsgrundschuld deshalb in der Regel nach der ausgereichten Kreditsumme bemessen. Ein durchschnittlicher Darlehensnehmer und Grundschuldbesteller geht regelmäßig davon aus, daß Grundschuldzinsen keine wesentliche Rolle spielen, wenn er die auf die gesicherte Forderung geschuldeten Zinsen entrichtet. Dem trägt die Rechtsprechung des IX. Zivilsenats zur Verjährung von Grundschuldzinsen nicht Rechnung, sondern führt zu einer überraschenden (§ 3 AGBG), sich ständig erweiternden Haftung des Grundstückseigentümers (vgl. Staudinger/Wolfsteiner, BGB 13. Bearb. Vorbem. zu §§ 1191 ff. Rdn. 56, 57; Blaschczok WuB I F 3. - 6.93).

b) Das unablässige Anschwellen des Sicherungsumfangs der Grundschuld durch Zinsen widerspricht auch der Intention des Gesetzgebers. Durch die Bestimmung des § 197 BGB, daß Ansprüche auf Rückstände von Zinsen in vier Jahren verjähren, sollte die Ansammlung rückständiger Leistungen vermieden (Motive I S. 305) und ein übermäßiges, möglicherweise existenzbedrohendes Anwachsen von Schulden durch auflaufende Zinsen verhindert werden (vgl. BGHZ 28, 144, 152; 103, 160, 169). Dieselbe Erwägung liegt der Vorschrift des § 218 Abs. 2 BGB, daß auch titulierte Ansprüche auf künftig fällig werdende Zinsen nach § 197 BGB verjähren, sowie des § 223 Abs. 3 BGB zugrunde, daß sich der Schuldner auf die Verjährung von schuldrechtlichen Ansprüchen auf rückständige Zinsen auch dann berufen kann, wenn dafür eine Hypothek oder eine Grundschuld bestellt ist (BGH, Urteil vom 5. Oktober 1993 - XI ZR 180/92, WM 1993, 2041, 2043). Die vom IX. Zivilsenat befürwortete Anwendung des § 202 Abs. 1 BGB auf Zinsen aus Sicherungsgrundschulden trägt dem nicht Rechnung, sondern bewirkt das Gegenteil dessen, was der Gesetzgeber gewollt hat.

c) Gegen die Anwendung des § 202 Abs. 1 BGB sprechen weiter in besonderem Maße der Sinn und Zweck der Sicherungsabrede und die sich aus ihr ergebende Einrede des mangelnden Sicherungsfalles. Durch den Sicherungsvertrag soll die dinglich nicht beschränkte Rechtsmacht des Grundschuldgläubigers schuldrechtlich im Verhältnis der Parteien auf das Maß begrenzt werden, das sich aus dem Kausalverhältnis ergibt (BGH, Urteil vom 5. Oktober 1993 - XI ZR 180/92, WM 1993, 2041, 2043). Die Sicherungsabrede bindet damit den Sicherungsnehmer und schützt den Sicherungsgeber vor einer jederzeitigen unkontrollierten Inanspruchnahme aus der Grundschuld. Die Funktion der Sicherungsabrede, den Sicherungsgeber zu schützen und ihn besser zu stellen, als er bei einer isolierten Grundschuld stünde, wird durch die Anwendung des § 202 Abs. 1 BGB, was die Verjährung des Anspruchs auf rückständige Grundschuldzinsen angeht, in ihr Gegenteil verkehrt (Blaschczok WuB I F 3. - 6.93).

d) Die Anwendung des § 202 Abs. 1 BGB führt zu dem systemwidrigen Ergebnis, daß der Sicherungsgeber und Grundschuldbesteller, was die Verjährung dinglicher Zinsen angeht, schlechter gestellt wird als bei einer isolierten Grundschuld oder bei einer Hypothek. Bei beiden greift § 202 Abs. 1 BGB nicht ein. Ansprüche auf Zinsen aus isolierten Grundschulden und aus Hypotheken verjähren nach § 197 BGB in vier Jahren, wobei die Verjährung nach § 225 Satz 1 BGB weder ausgeschlossen noch erschwert werden kann. Einen sachlichen Grund, Ansprüche auf rückständige Zinsen aus Sicherungsgrundschulden verjährungsrechtlich anders zu behandeln, gibt es nicht.

Dem kann, anders als die Beklagte meint, nicht entgegengehalten werden, § 202 Abs. 1 BGB trage dem Fall Rechnung, daß der Schuldner die auf die gesicherte Forderung zu entrichtenden Zinsen nicht bezahle. Schuldrechtliche Ansprüche auf rückständige Zinsen verjähren, wie bereits dargelegt, nach § 197 BGB auch dann in vier Jahren, wenn dafür eine Hypothek oder eine Grundschuld bestellt ist (§ 223 Abs. 3 BGB). Außerdem sichern Grundschuldzinsen nicht nur aus dem gesicherten Schuldverhältnis geschuldete Zinsen, sondern auch die Hauptforderung (BGH, Urteil vom 13. Mai 1982 - III ZR 164/80, WM 1982, 839, 841; BGH, Beschluß vom 21. Januar 1993 - IX ZR 174/92, ZIP 1993, 257, 258).

e) Das von der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats erzielte Ergebnis benachteiligt den Sicherungsgeber einer Sicherungsgrundschuld unangemessen mit der Folge, daß die formularmäßige Sicherungsabrede, würde sie zur Hemmung der Verjährung des Anspruchs auf rückständige Grundschuldzinsen führen, insoweit wegen Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 AGBG als unwirksam angesehen werden müßte.

aa) Dagegen läßt sich entgegen der Ansicht der Beklagten nicht einwenden, der Grundschuldbesteller könne das Ergebnis dadurch verhindern, daß er aus der Sicherungsabrede nach einiger Zeit wegen Übersicherung der Bank durch aufgelaufene Grundschuldzinsen eine Teilfreigabe der Grundschuld verlange. Dabei wird übersehen, daß dem durchschnittlichen Grundschuldbesteller die ständige Erweiterung des Sicherungsumfangs der Grundschuld durch Zinsen nicht bekannt ist und er deshalb ein Freigabeverlangen nicht stellen wird. Abgesehen davon versagt eine Freigabeforderung, wenn die Grundschuld – wie hier – im Zuge einer Umschuldung mit allen Zinsansprüchen seit der Eintragung vor mehr als 20 Jahren zur Sicherung einer wesentlich höheren Forderung abgetreten wird. Gleiches gilt, wenn der Grundstückseigentümer Drittsicherungsgeber ist und die Grundschuld nach der Sicherungsabrede für einen höheren oder gar einen unlimitierten Kredit haftet. Daß sich die vom Sicherungsnehmer bewußt in Kauf genommene Untersicherung durch rückständige Grundschuldzinsen nach und nach ohne weiteres Zutun der Parteien in eine ausreichende Sicherung und später gar in eine Übersicherung verwandelt, ist durch nichts gerechtfertigt.

bb) Das von der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats erzielte Ergebnis läßt sich auch nicht mit der Erwägung halten, rückständige Grundschuldzinsen teilten den Rang der Grundschuld nur für das laufende und die beiden zurückliegenden Jahre (§ 10 Abs. 1 Nr. 4 ZVG). Das trifft zwar zu, nur wird der Grundstückseigentümer und Grundschuldbesteller dadurch lediglich dann geschützt, wenn er ausnahmsweise auch Inhaber einer nachrangigen Eigentümergrundschuld ist.

cc) Die teilweise Unwirksamkeit einer formularmäßigen Sicherungsabrede nach § 9 Abs. 1 AGBG läßt sich danach nur dann vermeiden, wenn die aus der Abrede folgende Einrede des mangelnden Sicherungsfalles nicht unter § 202 Abs. 1 BGB subsumiert wird.

§ 202 Abs. 1 BGB erfaßt neben der Stundung nur Rechte des Schuldners, die Leistung vorübergehend zu verweigern. Darum geht es bei der Einrede des mangelnden Sicherungsfalles nach dem Willen und den Vorstellungen der Parteien indes nicht. Sie haben sich in der Sicherungsabrede nicht darauf geeinigt, die Sicherungsgrundschuld auf jeden Fall zu verwerten. Der Sicherungsgeber darf nach der getroffenen Abrede aus der Sicherungsgrundschuld vielmehr nur dann vorgehen, wenn – was beide Parteien in aller Regel gerade nicht wollen – der Sicherungsfall wider Erwarten eintritt (Blaschczok WuB I F 3. - 6.93).

 

Unterschriften

Schimansky, Dr. Schramm, Dr. Siol, Nobbe, Dr. van Gelder

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 26.01.1999 durch Weber Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 539508

KTS 1999, 471

MittRhNotK 1999, 108

WM 1999, 382

WuB 1999, 945

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