Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 29.03.2023; Aktenzeichen 518 KLs 33/22)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 26.03.2024; Aktenzeichen 5 StR 151/24)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 29. März 2023, soweit es ihn betrifft, aufgehoben

a) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen II.2. bis II.8. der Urteilsgründe und die Gesamtfreiheitsstrafe,

b) sowie im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen, soweit dieser einen Betrag von 70.064,73 Euro übersteigt.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

 

Gründe

Rz. 1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung in fünf Fällen, besonders schwerer räuberischer Erpressung, räuberischer Erpressung und Raubes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 71.044,73 Euro als Gesamtschuldner neben dem nichtrevidierenden Mitangeklagten angeordnet. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg und ist im Übrigen unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

Rz. 2

1. Die auf die Revision des Angeklagten gebotene Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch und zum Strafausspruch im Fall II.9. der Urteilsgründe keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben.

Rz. 3

2. Der Strafausspruch in den Fällen II.2. bis II.8. der Urteilsgründe kann dagegen keinen Bestand haben, weil die Strafkammer insoweit das Vorliegen des Strafmilderungsgrundes der Aufklärungshilfe gemäß § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB nicht geprüft hat.

Rz. 4

a) Nach den getroffenen Feststellungen hatte der Angeklagte der Polizei am 5. August 2022 anlässlich seiner Beschuldigtenvernehmung umgehend mitgeteilt, dass der Geschädigte im Fall II.9. der Urteilsgründe in der Wohnung des nichtrevidierenden Mitangeklagten gefangen gehalten wird. Die Polizei kannte bis dahin weder dessen Identität noch den Aufenthaltsort des Geschädigten. Im Zwischenverfahren machte der Nichtrevident sodann umfangreiche Angaben zu allen Taten. Nach der Wertung der Strafkammer hat der Angeklagte in erheblichem Umfang zur Aufklärung der Tat II.9. der Urteilsgründe beigetragen, weshalb sie den maßgeblichen Strafrahmen des § 250 Abs. 2 StGB nach § 46b Abs. 1 Satz 1, § 49 Abs. 1 StGB gemildert hat.

Rz. 5

b) Soweit die Strafkammer das Vorliegen der Voraussetzungen des Strafmilderungsgrundes der Aufklärungshilfe in den übrigen Fällen (II.2. bis II.8. der Urteilsgründe) nicht erörtert hat, erweist sich dies als rechtsfehlerhaft.

Rz. 6

Nach § 46b StGB kann die Strafe gemildert werden, wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist, freiwillig Wissen preisgibt, das wesentlich dazu beiträgt, eine Tat nach § 100a Abs. 2 StPO aufzudecken, wenn diese im Zusammenhang mit seiner Tat steht. Nach den Urteilsfeststellungen war zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 StGB (iVm § 100a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. i und k StPO, §§ 249 f., § 239a StGB) hinsichtlich aller verurteilten Taten vorliegen.

Rz. 7

Der Angeklagte hat Aufklärungshilfe geleistet, indem er im Ermittlungsverfahren seinen der Polizei bis dahin nicht bekannten Mittäter benannt und dazu beigetragen hat, dass dieser ausfindig gemacht werden konnte. Dies führte in der Folge zur weiteren Aufklärung der Taten. Wenn der Offenbarende im Rahmen der Aufklärungshilfe Teile einer oder die gesamte Tatserie eines Mittäters aufdeckt, an der er selbst jedenfalls in Abschnitten beteiligt war, kann dies für die Annahme des vertypten Milderungsgrundes genügen (vgl. MüKo-StGB/Maier, 4. Aufl., § 46b Rn. 46). Hat der Angeklagte, so wie hier, mehrere Taten begangen, muss das Gericht die Angemessenheit und Gebotenheit der Strafmilderung für jede ihm zur Last liegende Tat prüfen (LK/Schneider, StGB, 13. Aufl., § 46b Rn. 31).

Rz. 8

Der erforderliche Zusammenhang liegt vor, wenn ein innerer verbindender oder inhaltlicher Bezug zwischen vorgeworfener und offenbarter Tat besteht (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2018 - 5 StR 251/18, NJW 2019, 245 f.; Beschlüsse vom 3. Februar 2021 - 4 StR 305/20; vom 21. Juli 2020 - 3 StR 141/20, NStZ 2021, 285 f.). Er kann schon dann anzunehmen sein, wenn die Taten unter Beteiligung derselben Täter und in enger zeitlicher Abfolge begangen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juli 2020 - 2 StR 91/20, NStZ-RR 2020, 304 f.; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 1049b mwN). Eine derartige innere Verbindung der Taten kommt vorliegend in Betracht. Der Angeklagte und der Nichtrevident begingen im arbeitsteiligen Zusammenwirken innerhalb eines Zeitraums von nur etwa einem Monat eine Vielzahl vergleichbarer Taten (räuberische Erpressung, Raub, erpresserischer Menschraub) zwecks gemeinsamer Erlangung nicht unerheblicher Vermögenswerte, wegen derer beide verurteilt worden sind. Ein Zusammenhang im Sinne des § 46b Abs. 1 StGB liegt deshalb nicht fern.

Rz. 9

c) Das Urteil beruht auf dem aufgezeigten Rechtsfehler. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer den Angeklagten milder bestraft hätte, wenn sie den vertypten Milderungsgrund bei allen oder einigen der Taten in den Fällen II.2. bis II.8. der Urteilsgründe angenommen hätte. Der Ausspruch über die Einzelstrafen ist daher aufzuheben, was der Gesamtstrafe die Grundlage entzieht. Der Aufhebung der zugehörigen Feststellungen bedarf es nicht. Sie können um solche ergänzt werden, die den bisherigen Feststellungen nicht widersprechen.

Rz. 10

3. Das Urteil ist zudem im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 980 Euro aufzuheben.

Rz. 11

Die Summe der nach den bisherigen Urteilsfeststellungen durch die Taten von dem Angeklagten und seinem Mittäter erlangten Vermögenswerte beträgt lediglich 70.064,73 Euro. Dem Urteil lässt sich die Höhe des im Fall II.6. der Urteilsgründe vom Angeklagten unter Verwendung der Bankkarte des Geschädigten auf sein Konto bei der B.    er Sparkasse überwiesenen Betrages nicht entnehmen. Über die Einziehung muss deshalb insoweit neu verhandelt und entschieden werden. Die zugehörigen Feststellungen, die bestehen bleiben können, sind im Hinblick auf die aufgezeigte Lücke zu ergänzen.

Gericke     

Mosbacher     

Köhler

Resch     

Werner     

 

Fundstellen

Haufe-Index 16079548

NStZ 2024, 7

NStZ-RR 2024, 6

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