Leitsatz (amtlich)
Gegen eine Entscheidung zum Versorgungsausgleich, mit der das FamG Entgeltpunkte vom Versicherungskonto des einen Ehegatten auf das bei einem anderen Rentenversicherungsträger geführte Versicherungskonto des anderen Ehegatten überträgt, steht beiden betroffenen Versorgungsträgern die Beschwerde zu, ohne dass es auf eine finanzielle Mehrbelastung ankommt (im Anschluss an Senatsbeschluss v. 9.1.2013 - XII ZB 550/11 - zur Veröffentlichung bestimmt).
Normenkette
VersAusglG § 10; FamFG § 59 Abs. 1, § 219 Nrn. 2-3
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OLG (Beschluss vom 04.08.2011; Aktenzeichen 10 UF 53/11) |
AG Eutin (Beschluss vom 20.01.2011; Aktenzeichen 42 F 167/07) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des 2. Senats für Familiensachen des OLG Schleswig in Schleswig vom 4.8.2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das OLG zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 1000 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Die Beteiligten streiten über den Versorgungsausgleich.
Rz. 2
Auf den am 1.10.2007 zugestellten Antrag hat das FamG die am 24.11.1978 geschlossene Ehe der Antragstellerin (Ehefrau) und des Antragsgegners (Ehemann) unter Abtrennung der Folgesache Versorgungsausgleich rechtskräftig geschieden. Es hat das Verfahren über den Versorgungsausgleich ausgesetzt und mit Verfügung vom 22.1.2010 wieder aufgenommen.
Rz. 3
Beide Ehegatten erwarben während der Ehezeit (1.11.1978 bis 30.9.2007; § 3 Abs. 1 VersAusglG) sowohl Entgeltpunkte als auch Entgeltpunkte (Ost) in der gesetzlichen Rentenversicherung, und zwar die Ehefrau bei der Beteiligten zu 1) (Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg) und der Ehemann bei der Beteiligten zu 2) (Deutsche Rentenversicherung Bund). Aufgrund eines Schreibfehlers hat das FamG Versorgungsauskünfte für eine unzutreffende Ehezeit vom 1.1.1978 bis 30.9.2007 eingeholt. Anhand der sonach unrichtig erteilten Versorgungsauskünfte hat es den Versorgungsausgleich durchgeführt, indem es die von beiden Ehegatten erworbenen Entgeltpunkte intern ausgeglichen und von einem Ausgleich der erworbenen Entgeltpunkte (Ost) wegen nur geringer Differenz der Ausgleichswerte gem. § 18 Abs. 1 VersAusglG abgesehen hat.
Rz. 4
Hiergegen haben beide Versorgungsträger Beschwerde eingelegt, um zu erreichen, dass der Versorgungsausgleich auf Grundlage der zutreffenden Ehezeit vom 1.11.1978 bis 30.9.2007 durchgeführt werde. Die Beteiligte zu 2) hat ihre Beschwerdeschrift jedoch nicht unterzeichnet und diese nach richterlichem Hinweis auf die Unzulässigkeit des eingelegten Rechtsmittels zurückgenommen.
Rz. 5
Auf die zulässig eingelegte Beschwerde der Beteiligten zu 1) hat das OLG den Ausspruch zum internen Ausgleich der bei ihr erworbenen Entgeltpunkte abgeändert und es im Übrigen bei der Entscheidung des FamG belassen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 2), mit der sie eine Korrektur auch bezüglich der bei ihr erworbenen Anrechte verfolgt.
II.
Rz. 6
Die zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.
Rz. 7
Auf das Verfahren zum Versorgungsausgleich ist gem. Art. 111 Abs. 4 FGG-RG, § 48 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG das seit dem 1.9.2009 geltende Verfahrensrecht und materielle Recht anzuwenden, weil das Verfahren vom Scheidungsverbund abgetrennt, als Folgesache ausgesetzt und erst nach dem 1.9.2009 wiederaufgenommen worden ist (vgl. BGH v. 26.10.2011 - XII ZB 567/10, FamRZ 2012, 98 Rz. 7 ff.; v. 16.2.2011 - XII ZB 261/10, FamRZ 2011, 635 Rz. 10 ff.).
Rz. 8
1. Das OLG hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Zwar habe das FamG auch hinsichtlich der bei der Beteiligten zu 2) erworbenen Anrechte eine unzutreffende Ehezeit zugrunde gelegt und damit eine inhaltlich unrichtige Entscheidung getroffen. An deren Korrektur sei das Beschwerdegericht jedoch gehindert, weil dieser Teilausspruch bereits rechtskräftig geworden sei, nachdem die Beteiligte zu 2) keine formwirksame Beschwerde eingelegt habe.
Rz. 9
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Rz. 10
Ohne nähere Begründung und in der Sache unzutreffend ist das OLG bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, die zulässig eingelegte Beschwerde der Beteiligten zu 1) beschränke sich auf den Ausspruch zum Ausgleich der bei ihr selbst erworbenen Anrechte. Für diese Annahme bestehen jedoch keine Anhaltspunkte; die Beteiligte zu 1) hat ihr Rechtmittel unbeschränkt eingelegt. Damit ist der Ausspruch zum Versorgungsausgleich insgesamt angegriffen, auch was den Ausgleich der bei der Beteiligten zu 2) erworbenen Anrechte betrifft.
Rz. 11
Die Beteiligte zu 1) war diesbezüglich auch beschwerdeberechtigt (§ 59 Abs. 1 FamFG). Das FamG hat den Ausgleich der bei der Beteiligten zu 2) erworbenen Anrechte nämlich vollzogen, indem es Entgeltpunkte von dem bei ihr geführten Versicherungskonto auf das bei der Beteiligten zu 1) geführte Versicherungskonto des insoweit ausgleichsberechtigten Ehegatten übertragen hat. Für diese Übertragung begründet § 219 Nr. 3 FamFG die Beteiligtenstellung auch desjenigen Versorgungsträgers, bei dem ein Anrecht zum Zweck des Ausgleichs begründet werden soll. Zwar hat der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 219 Nr. 3 FamFG vornehmlich die Zielversorgungsträger im Falle einer externen Teilung in den Blick genommen (vgl. BT-Drucks. 16/10144, 93; Keidel/Weber FamFG 17. Aufl., § 219 Rz. 4; Schulte-Bunert/Weinreich/Rehme FamFG 3. Aufl., § 219 Rz. 2). Der Wortlaut des Gesetzes beschränkt den Anwendungsbereich der Vorschrift jedoch nicht auf Fälle der externen Teilung. Findet bei der internen Teilung eine Verrechnung bei demselben oder zwischen verschiedenen Versorgungsträgern statt (§ 10 Abs. 2 Satz 1, 2 VersAusglG), ist im Versorgungsausgleichsverfahren ebenfalls die Beteiligung beider Versorgungsträger geboten, auf die sich die anzuordnende Teilung - bei der gesetzlichen Rentenversicherung durch Zu- und Abschläge an Entgeltpunkten (§§ 76 Abs. 2, 3, 120 f. Abs. 1 SGB VI; vgl. insoweit BT-Drucks. 16/10144, 54, 100 und FAKomm-FamR/Wick 5. Aufl., § 10 VersAusglG Rz. 11) - auswirkt (vgl. Prütting/Helms/Wagner FamFG 2. Aufl., § 219 Rz. 19 f.).
Rz. 12
Aus der dadurch begründeten Beteiligtenstellung der Beteiligten zu 1) auch in Bezug auf das von dem Ehemann bei der Beteiligten zu 2) erworbene Anrecht folgt die Beschwerdeberechtigung beider Versorgungsträger, ohne dass es auf eine finanzielle Mehrbelastung ankommt (vgl. BGH v. 9.1.2013 - XII ZB 550/11 - zur Veröffentlichung bestimmt; v. 23.5.1990 - XII ZB 62/88, FamRZ 1990, 1099; v. 25.11.1981 - IVb ZB 616/80, FamRZ 1982, 155 [156]). Deshalb hätte das OLG den angefochtenen Beschluss auch hinsichtlich des bei der Beteiligten zu 2) bestehenden Anrechts bereits auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) hin überprüfen müssen.
Rz. 13
Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Der Senat kann nicht abschließend in der Sache entscheiden, da das OLG keine Feststellungen zu dem Ehezeitanteil des bei der Beteiligten zu 2) erworbenen Anrechts getroffen hat.
Rz. 14
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Senats wird das OLG außerdem zu überprüfen haben, ob der Ausschluss des Ausgleichs der angleichsdynamischen Anrechte trotz der geringen Differenz dem Gesetzeszweck des § 18 VersAusglG entspricht (BGH v. 30.11.2011 - XII ZB 344/10, FamRZ 2012, 192 Rz. 35 ff.).
Fundstellen
Haufe-Index 3627935 |
NJW 2013, 6 |
EBE/BGH 2013 |
FamRZ 2013, 610 |
FuR 2013, 281 |
NJW-RR 2013, 450 |
FPR 2013, 5 |
JZ 2013, 260 |
MDR 2013, 466 |
FF 2013, 172 |
FamFR 2013, 135 |
FamRB 2013, 137 |