Leitsatz (amtlich)

Hat der Schuldner auf den ihm in Anschluss an den Antrag eines Gläubigers erteilten gerichtlichen Hinweis, er könne einen eigenen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung stellen, bis zur Entscheidung über den Eröffnungsantrag des Gläubigers nicht mit eigenen Anträgen reagiert, so kann er erst nach Ablauf einer Sperrfrist von drei Jahren nach Insolvenzeröffnung einen erneuten Insolvenz-, Stundungs- und Restschuldbefreiungsantrag stellen, vorausgesetzt ein auf Antrag des Gläubigers eröffnetes Verfahren ist zwischenzeitlich aufgehoben (Fortführung von BGH, Beschl. v. 16.7.2009 - IX ZB 219/08, z.V. in BGHZ bestimmt).

 

Normenkette

InsO § 287 Abs. 1, § 20 Abs. 2, § 290 Abs. 1 Nrn. 3, 5-6

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Beschluss vom 27.05.2009; Aktenzeichen 9 T 259/09)

AG Dortmund (Beschluss vom 01.04.2009; Aktenzeichen 258 IN 23/09)

 

Tenor

Der Schuldnerin wird wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des LG Dortmund vom 27.5.2009 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt.

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des LG Dortmund vom 27.5.2009 wird auf Kosten der Schuldnerin zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 1.500 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Rz. 1

Der getrennt lebende Ehemann der Schuldnerin stellte im Januar 2006 Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Mit Schreiben vom 6.2.2006 wies das Insolvenzgericht sie auf die Möglichkeit eines eigenen Insolvenzantrags verbunden mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung hin und gab ihr Gelegenheit, entsprechende Anträge binnen eines Monats zu stellen. Nach Ablauf der Monatsfrist sei dies ausgeschlossen. Hierauf reagierte die Schuldnerin nicht. Auch auf eine Nachfristsetzung zum 19.4.2006 blieb sie untätig. Am 25.4.2006 eröffnete das Insolvenzgericht das Verfahren, das mit Beschluss vom 17.10.2008 aufgehoben wurde.

Rz. 2

Am 13.2.2009 hat die Schuldnerin Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen, Erteilung der Restschuldbefreiung und Stundung der Verfahrenskosten gestellt. Mit Beschluss vom 1.4.2009 hat das Insolvenzgericht die Anträge als unzulässig verworfen. Die Beschwerde der Schuldnerin gegen diese Entscheidung ist erfolglos geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde erstrebt die Schuldnerin Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen.

II.

Rz. 3

Der Schuldnerin ist wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§§ 233, 234 Abs. 2, 575 ZPO).

III.

Rz. 4

Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 34 Abs. 1, 4d Abs. 1, 6, 7 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Sie hat jedoch keinen Erfolg.

Rz. 5

1. Das Insolvenzgericht hat ausgeführt, die Schuldnerin hätte den Eigenantrag und den Antrag auf Restschuldbefreiung unproblematisch im ersten Verfahren über ihr Vermögen stellen können. Es bestehe kein Rechtsschutzinteresse an der Durchführung eines zweiten aufwendigen Verfahrens. Der BGH habe entschieden, dass ein neuer Antrag unzulässig sei, wenn kein neuer Gläubiger hinzugekommen sei. Dies müsse auch gelten, wenn es zwar neue Gläubiger gebe, der Schuldner zwischenzeitlich aber kein neues verteilbares Vermögen erworben habe. Das LG hat sich dieser Begründung angeschlossen.

Rz. 6

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.

Rz. 7

a) Mit dem nach Erlass der vorinstanzlichen Entscheidungen ergangenem Beschluss vom 16.7.2009 (IX ZB 219/08, ZInsO 2009, 1777, z.V.b. in BGHZ) hat der Senat entschieden, dass ein Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung analog § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO unzulässig ist, wenn er innerhalb von drei Jahren nach rechtskräftiger Versagung der Restschuldbefreiung in einem früheren Verfahren wegen einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verletzung seiner Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten gestellt worden ist. In einem weiteren Beschluss vom 3.12.2009 (IX ZB 89/09) hat der Senat diese Grundsätze auf den Fall übertragen, dass der Restschuldbefreiungsantrag des Schuldners in einem früheren Verfahren als unzulässig verworfen worden ist. Auch in diesem Fall gilt für den Schuldner eine dreijährige Sperrfrist, die mit Rechtskraft der Entscheidung über die Verwerfung des Restschuldbefreiungsantrags zu laufen beginnt. Innerhalb dieser Frist scheidet jedenfalls ein mit dem Antrag auf Restschuldbefreiung verbundener Eigenantrag aus (vgl. BGH, Beschl. v. 16.7.2009, a.a.O., S. 1777, 1780 Rz. 17).

Rz. 8

Diese Grundsätze sind auch auf den vorliegenden Fall anzuwenden. Die Pflicht des Insolvenzgerichts, den Schuldner auf die Möglichkeit der Eigenantragstellung verbunden mit dem Antrag auf Restschuldbefreiung hinzuweisen und ihm eine richterliche Frist zur Antragstellung zu setzen (BGHZ 162, 181, 183 ff.; BGH, Beschl. v. 8.7.2004 - IX ZB 209/03, ZInsO 2004, 974, 976; BGH, Beschl. v. 7.5.2009 - IX ZB 202/07, ZInsO 2009, 1171, 1172 Rz. 6), würde ihrer verfahrensfördernden und -beschleunigenden Funktion beraubt, wenn die Nichtbefolgung dieser Hinweise wegen der Befugnis zur Einleitung eines weiteren Insolvenzverfahrens ohne verfahrensrechtliche Konsequenzen bliebe. Der Schuldner könnte die Gerichte sofort wieder mit einem erneuten Verfahren belasten, obwohl er Gelegenheit gehabt hat, in dem auf Antrag eines Gläubigers betriebenen Verfahren einen Eigenantrag zu stellen und damit mehrere, innerhalb kurzer Fristen nacheinander durchzuführende Verfahren zu vermeiden. Dies wäre mit Sinn und Zweck der Belehrungsregeln, die auch verhindern sollen, dass das aufwendige und kostenintensive Verfahren innerhalb kurzer Zeiträume wiederholt durchgeführt werden muss, nicht zu vereinbaren. Analog § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO gilt deshalb auch hier eine Sperrfrist von drei Jahren ab der einen Eigenantrag des Schuldners ausschließenden Verfahrenseröffnung auf Antrag des Gläubigers. Das Vorhandensein neuer Gläubiger, das der Senat in einer früheren Entscheidung (Beschl. v. 6.7.2006 - IX ZB 263/05, ZInsO 2006, 821; zurückhaltender bereits Beschl. v. 11.10.2007 - IX ZB 270/05, ZInsO 2007, 1223) noch vorausgesetzt hatte, ist auch hier weder notwendige noch hinreichende Bedingung für das Rechtsschutzbedürfnis für einen neuen Insolvenzantrag nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, in dem der Schuldner trotz Hinweises keinen Eigenantrag gestellt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 3.12.2009, a.a.O., Rz. 6). Gleiches gilt - entgegen der Auffassung der Vorinstanzen - für die Frage, ob der Schuldner in der Zwischenzeit neues verteilbares Vermögen erworben hat. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines neuen Antrags nach Ablauf von drei Jahren ist allerdings, dass das früher eröffnete Verfahren inzwischen aufgehoben ist, denn während eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners sind weitere Anträge auf Eröffnung des Verfahrens - dies gilt gleichermaßen für Gläubiger- und für Eigenanträge - über das bereits insolvenzbefangene Vermögen unzulässig (BGH, Beschl. v. 18.5.2004 - IX ZB 189/03, ZInsO 2004, 739; v. 3.7.2008 - IX ZB 182/07, ZInsO 2008, 924 Rz. 10).

Rz. 9

b) Im vorliegenden Fall waren bei Eingang des Insolvenzantrags noch keine drei Jahre seit der Eröffnung des ersten Insolvenzverfahrens auf Antrag eines Gläubigers vergangen. Das vorausgehende Verfahren war zwar zwischenzeitlich aufgehoben worden. Da die Sperrfrist von drei Jahren nicht abgelaufen war, konnte die Schuldnerin am 13.2.2009 noch keinen zulässigen neuen Insolvenz-, Stundungs- und Restschuldbefreiungsantrag stellen. Dass es auf den Zeitpunkt der Antragstellung ankommt ergibt sich aus dem Sinn der Sperrfrist (vgl. § 280 Abs. 1 Nr. 3 InsO).

 

Fundstellen

EBE/BGH 2010

NJW-RR 2010, 776

WM 2010, 426

ZAP 2010, 314

DZWir 2010, 175

JZ 2010, 287

MDR 2010, 465

NZI 2010, 195

NZI 2010, 293

NZI 2010, 38

ZInsO 2010, 344

InsbürO 2010, 155

NJW-Spezial 2010, 246

RENOpraxis 2010, 153

StX 2010, 414

ZVI 2010, 101

FMP 2010, 75

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