Entscheidungsstichwort (Thema)

Zinsbeginn erstinstanzlicher Kosten bei übereinstimmender Kostengrundentscheidung in zweiter Instanz

 

Leitsatz (amtlich)

Bei einer Änderung der Kostenquote im Berufungsverfahren ist derjenige Betrag der erstinstanzlichen Kosten, der sowohl nach der erst- wie nach der zweitinstanzlichen Kostengrundentscheidung zu erstatten ist, seit dem Eingang des (ursprünglichen) Kostenfestsetzungsantrags zu verzinsen.

 

Normenkette

ZPO § 104 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

KG Berlin (Beschluss vom 18.03.2005; Aktenzeichen 6 W 7/05)

LG Berlin (Beschluss vom 30.12.2004; Aktenzeichen 32 O 182/03)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 6. Zivilsenats des KG v. 18.3.2005 aufgehoben.

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Berlin v. 30.12.2004 dahin abgeändert, dass die Beklagte der Klägerin Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.190 EUR nicht erst seit dem 9.12.2004, sondern seit dem 28.10.2003 zu erstatten hat.

Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

 

Gründe

Das LG hat der Klägerin 6 % und der Beklagten 94 % der Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Auf den Festsetzungsantrag der Klägerin hat das LG ausgesprochen, dass die der Klägerin zu erstattenden Kosten seit dem 28.10.2003 zu verzinsen sind. Nachdem die Klägerin die Klage teilweise zurückgenommen und die Beklagte sodann die Berufung zurückgenommen hat, hat das KG der Klägerin 12 % und der Beklagten 88 % der Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss v. 30.12.2004 hat das LG ausgesprochen, dass die der Klägerin zu erstattenden erstinstanzlichen Kosten seit dem 9.12.2004 zu verzinsen sind. Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Klägerin ihren Antrag weiter, Zinsen auf die zu erstattenden erstinstanzlichen Kosten seit dem Eingang des ursprünglichen Festsetzungsantrags festzusetzen.

Die zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur antragsgemäßen Festsetzung.

Nach § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO ist auf Antrag auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten vom Eingang des Festsetzungsantrags, im Falle des § 105 Abs. 2 von der Verkündung des Urteils ab mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu verzinsen sind. Entgegen der u.a. von den OLG Köln (OLG Köln v. 24.10.1985 - 17 W 106/85, Rpfleger 1986, 237) und Düsseldorf (OLG Düsseldorf v. 4.7.1996 - 10 W 60/96, OLGReport Düsseldorf 1997, 12) geteilten Auffassung des Beschwerdegerichts ist auch bei einer Änderung der Kostenquote im Berufungsverfahren derjenige Betrag der erstinstanzlichen Kosten, der sowohl nach der erst- wie nach der zweitinstanzlichen Kostenentscheidung zu erstatten ist, seit dem Eingang des (ursprünglichen) Kostenfestsetzungsantrags zu verzinsen (so auch OLG Stuttgart Justiz 1977, 460; OLG Hamburg JurBüro 1983, 1718; OLG Karlsruhe JurBüro 1997, 426; OLG Bamberg JurBüro 1998, 32; OLG Koblenz v. 17.2.1999 - 14 W 107/99, OLGReport Koblenz 2000, 77 = Rpfleger 1999, 351; OLG Schleswig v. 5.5.1999 - 9 W 73/99, OLGReport Schleswig 1999, 335 = NJW-RR 2000, 70; OLG Naumburg OLG-NL 2002, 288).

Die Meinung des Beschwerdegerichts beruht auf der Erwägung, dass die auflösend bedingte Vollstreckbarkeit eines Urteils durch ein dieses ersetzendes anderes Urteil gegenstandslos werde. Damit werde auch ein auf der geänderten Kostenentscheidung beruhender Kostenfestsetzungsbeschluss gegenstandslos, und gleiches müsse für einen Kostenfestsetzungsantrag gelten, auf dem die gegenstandslos gewordene Kostenfestsetzung beruht habe.

Erkennt jedoch das Berufungsgericht auf eine andere Kostenquote als das erstinstanzliche Gericht, ist darin regelmäßig keine Aufhebung der erstinstanzlichen Kostengrundentscheidung zu sehen. Vielmehr wird die Kostenentscheidung - wie die Sachentscheidung - nur insoweit abgeändert, als sie inhaltlich von der Vorentscheidung abweicht (Musielak/Wolst, ZPO, 4. Aufl., § 104 Rz. 12). Wenn daher wie im Streitfall der Beklagte nach dem erstinstanzlichen Urteil 94 %, nach dem Berufungsurteil aber nurmehr 88 % der Kosten zu tragen hat, wird damit der Sache nach die erstinstanzliche Entscheidung nur insoweit geändert, als 6 % der erstinstanzlichen Kosten dem Kläger statt dem Beklagten auferlegt werden. Es dient lediglich der Vereinfachung und der Klarheit, wenn Bestätigung und Änderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung im Berufungsurteil zu einer neuen Kostenquote zusammengefasst werden.

Zurecht ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung auch darauf hingewiesen, dass es zu Wertungswidersprüchen führen muss, wenn - was auch das Beschwerdegericht nicht in Zweifel zieht - bei einer vollständigen Zurückweisung des Rechtsmittels die für die erste Instanz zu erstattenden Kosten weiterhin seit dem Eingang des Festsetzungsantrags zu verzinsen sind, hingegen jede noch so geringfügige Verschiebung der Kostenquoten zu einem späteren Einsetzen der Verzinsung führen würde. Für den Kostengläubiger könnte dies - insb. bei einem langdauernden Rechtsmittelverfahren - zur Folge haben, dass er sich bei einem Erfolg seines Rechtsmittels, das nur zu einer unwesentlich höheren Kostenquote zu seinen Gunsten führt, kostenmäßig im Ergebnis schlechter steht als bei einem Misserfolg, weil der zusätzlich zu erstattende Kostenbetrag geringer als der erlittene Zinsverlust ist. Sachgründe, die zur Hinnahme eines solchen sinnwidrigen Ergebnisses zwängen, sind nicht zu erkennen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1475887

BB 2006, 966

NJW 2006, 1140

BGHR 2006, 546

FamRZ 2006, 407

FA 2006, 86

JurBüro 2006, 204

AnwBl 2006, 360

MDR 2006, 1194

Rpfleger 2006, 225

AGS 2006, 515

RVGreport 2007, 152

RVG prof. 2015, 1

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