Entscheidungsstichwort (Thema)

Neue und eigenständige Gehörsverletzung. Gehörsverletzung im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Die Anhörungsrüge ist zur Verwirklichung des verfassungsrechtlich gebotenen Maßes an Rechtsschutz nur dann erforderlich und zulässig, wenn sie sich gegen eine "neue und eigenständige" Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG durch den BGH selbst richtet.

 

Normenkette

ZPO § 321a

 

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf (Urteil vom 11.01.2007; Aktenzeichen I-8 U 36/06)

LG Wuppertal (Entscheidung vom 23.02.2006; Aktenzeichen 5 O 391/04)

 

Tenor

Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen den Senatsbeschluss vom 25.9.2007 wird verworfen.

Die Kosten des Rügeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

 

Gründe

I.

[1] Die Beschwerdeführerin rügt die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.

[2] Sie behauptet, aufgrund einer im Januar 1995 zur Durchführung einer Gastroskopie verabreichten Medikation durch den Beklagten jahrelang unter Verwirrtheit gelitten zu haben. Die Klägerin verlangt Schmerzensgeld und Ersatz für den von ihr behaupteten Rentenausfall.

[3] Nach Einholung eines schriftlichen Gutachtens und mündlicher Anhörung des Sachverständigen hat das LG die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Gegen die Nichtzulassung der Revision im Berufungsurteil hat die Klägerin die Nichtzulassungsbeschwerde mit der Begründung eingelegt, dass das Berufungsgericht ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt und außerdem gegen das Willkürverbot verstoßen habe. Der Senat hat durch Beschluss vom 25.9.2007 die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Anhörungsrüge.

II.

[4] Die Anhörungsrüge ist in gesetzlicher Form und Frist (§ 321a Abs. 4 ZPO) erhoben worden, sie ist jedoch gem. § 321a Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht zulässig. Mangels einer "neuen und eigenständigen" Gehörsverletzung im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ist eine weitere gerichtliche Kontrolle durch den Senat nicht veranlasst (vgl. BVerfG, Beschl. v. 9.7.2007 - 1 BvR 646/06 - Rz. 20 ff.).

[5] Das Rechtsstaatsprinzip verlangt es, für jede "neue und eigenständige" Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG durch eine gerichtliche Entscheidung die einmalige Möglichkeit gerichtlicher Kontrolle zu gewährleisten (vgl. BVerfGE 107, 395, 410 f.). Ist ein Rechtsmittel gegen die auf der gerügten Verletzung beruhende Entscheidung gegeben, das zur Überprüfung dieser Verletzung führen kann, so ist den Anforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG hinreichend Rechnung getragen (vgl. BVerfGE, a.a.O.). Ein zusätzlicher Rechtsbehelf - die Anhörungsrüge - ist danach nur erforderlich, wenn die "neue und eigenständige" Verletzung in der letzten von der Prozessordnung vorgesehenen Instanz gerügt wird (vgl. BVerfGE, a.a.O.). Wird im Zivilprozess die erstmalige Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG durch das Berufungsgericht gerügt, so ist der danach erforderliche Rechtsbehelf mit der Revision gem. §§ 542 ff. ZPO gegeben. Wurde die Revision nicht zugelassen (§ 543 Abs. 1 ZPO), so ist - im Rahmen ihrer allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen - die Nichtzulassungsbeschwerde gegeben. Auch diese stellt einen zureichenden Rechtsbehelf dar, weil auch sie zur Überprüfung der behaupteten Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG durch das Berufungsgericht führen kann. Zwar ist die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör in § 543 Abs. 2 ZPO nicht als Zulassungsgrund genannt, jedoch geht der BGH in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass der Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG stets einen Verfahrensfehler darstellt, der für einen Zulassungsgrund i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung) ausreicht (vgl. BGH, Urt. v. 18.7.2003 - V ZR 187/02, NJW 2003, 3205, 3206; Beschl. v. 11.5.2004 - XI ZB 39/03, NJW 2004, 2222, 2223 m.w.N.; Beschl. v. 5.4.2005 - VIII ZR 160/04, NJW 2005, 1950; Zöller/Gummer, ZPO, 26. Aufl., § 543 Rz. 15a; Vorbem. vor § 542 Rz. 7; Stackmann, NJW 2007, 9, 12 f.). Der Rechtsbehelf des § 321a ZPO ist zur Verwirklichung des verfassungsrechtlich gebotenen Maßes an Rechtsschutz deshalb nur dann erforderlich, wenn sich die Anhörungsrüge gegen eine "neue und eigenständige" Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG durch den BGH selbst richtet. Andernfalls, ist die Anhörungsrüge als Rechtsbehelf nicht geboten und infolgedessen unzulässig.

[6] Im vorliegenden Fall rügt die Beschwerdeführerin in der Anhörungsrügeschrift ausschließlich Gehörsverletzungen durch das Berufungsgericht. Eine "neue und eigenständige" Verletzung des rechtlichen Gehörs durch den BGH selbst macht sie nicht geltend. Insbesondere kann eine solche nicht schon deshalb angenommen werden, weil der Senat die rechtliche Lage von der Auffassung der Klägerin abweichend beurteilt und einen Zulassungsgrund für nicht gegeben erachtet hat. Eine eigenständige Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt auch nicht darin, dass der Senat von der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit, gem. § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO von einer näheren Begründung abzusehen, Gebrauch gemacht hat. Das Vorbringen der Klägerin, mit dem sie die Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Berufungsgericht rügt, wurde bereits im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren umfassend geprüft. Es kann demzufolge nicht Gegenstand einer nochmaligen Überprüfung durch das selbe Gericht sein.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1855919

HFR 2008, 641

NJW 2008, 923

BGHR 2008, 301

EBE/BGH 2008

FamRZ 2008, 401

JurBüro 2008, 277

ZAP 2008, 186

AnwBl 2008, 384

VersR 2008, 418

SVR 2008, 187

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