Entscheidungsstichwort (Thema)

Einbeziehung privater Berufsunfähigkeitsversicherungen in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich

 

Leitsatz (amtlich)

a) Vor Ehezeitende bereits gezahlte private Berufsunfähigkeitsversicherungen sind in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich, ggf. nach Dynamisierung, einzubeziehen (Bestätigung von: BGH, Beschl. v. 7.10.1992 - XII ZB 132/90, MDR 1993, 51 = FamRZ 1993, 299 ff.).

b) Stehen beim Versorgungsausgleich verschiedenen Anrechten des Ausgleichspflichtigen, die nach § 1 Abs. 2, Abs. 3 oder §§ 2, 3b VAHRG auszugleichen sind, entsprechende Anrechte des Ausgleichsberechtigten gegenüber, so sind die auszugleichenden Beträge grundsätzlich nach der sog. Quotierungsmethode zu ermitteln (Bestätigung von: BGH, Beschl. v. 13.12.2000 - XII ZB 52/97, BGHReport 2001, 165 = FamRZ 2000, 477).

 

Normenkette

BGB § 1587a Abs. 2 Nrn. 3, 5, § 1587b; VAHRG § 1 Abs. 2-3, §§ 2, 3b

 

Verfahrensgang

OLG München (Beschluss vom 25.11.2003; Aktenzeichen 4 UF 267/03)

AG Augsburg

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des 4. Zivilsenats - zugleich Familiensenat - des OLG München, Zivilsenate in Augsburg, v. 25.11.2003 dahin abgeändert, dass der Ausgleichsbetrag

in Ziff. I 3. Absatz nicht 341,02 EUR, sondern 357,10 EUR,

in Ziff. I 4. Absatz nicht 80,49 EUR, sondern 138,26 EUR, und

in Ziff. I 5. Absatz nicht 3,60 EUR, sondern 3,78 EUR

beträgt.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Beschwerdewert: 500 EUR

 

Gründe

I.

Die Parteien haben am 18.8.1977 geheiratet. Der Scheidungsantrag des Ehemannes (Antragsteller; geboren am 14.10.1939) ist der Ehefrau (Antragsgegnerin; geboren am 28.9.1935) am 22.8.2002 zugestellt worden. Das AG - FamG - hat durch Verbundurteil die Ehe geschieden (insoweit rechtskräftig) und den Versorgungsausgleich dahin gehend geregelt, dass es zu Lasten der Versorgung des Antragstellers bei der Bayerischen Ärzteversorgung (BayÄV; weitere Beteiligte zu 1) im Wege der Realteilung nach § 1 Abs. 2 VAHRG für die Antragsgegnerin bei der BayÄV Rentenanwartschaften i.H.v. monatlich 264,67 EUR, bezogen auf den 31.7.2002, begründet hat. Darüber hinaus hat es zu Lasten der Versorgung des Antragstellers bei der Bayerischen Versorgungskammer - Zusatzversorgungskasse der Bayerischen Gemeinden (ZVK; weitere Beteiligte zu 2) im Wege des analogen Quasisplittings nach § 1 Abs. 3 VAHRG auf dem Versicherungskonto der Antragsgegnerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA; weitere Beteiligte zu 3) Rentenanwartschaften i.H.v. monatlich 146,41 EUR, bezogen auf den 31.7.2002, begründet. Auf die dagegen gerichteten Beschwerden des Antragstellers, der Antragsgegnerin und der ZVK hat das OLG die Entscheidung dahin abgeändert, dass der Ausgleichsbetrag im Wege der Realteilung 341,02 EUR und im Wege des analogen Quasisplittings 80,49 EUR beträgt. Zusätzlich hat es im Wege des erweiterten Splittings nach § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG zu Lasten der Versorgung des Antragstellers bei der ZVK auf dem Versicherungskonto der Antragsgegnerin bei der BfA Rentenanwartschaften i.H.v. monatlich 3,60 EUR begründet.

Beide Parteien bezogen zum Ende der Ehezeit bereits Versorgungen. Das OLG ist nach den Auskünften der weiteren Beteiligten zu 1) bis 3) von ehezeitlichen (1.8.1977 bis 31.7.2002; § 1587 Abs. 2 BGB) Versorgungen des Antragstellers bei der BayÄV i.H.v. 2.442,46 EUR einerseits und der Antragsgegnerin bei der BayÄV i.H.v. 1.913,13 EUR und bei der BfA i.H.v. 1,91 EUR andererseits, jeweils monatlich und bezogen auf den 31.7.2002, ausgegangen. Die Versorgungen der Parteien bei der ZVK hat das OLG als jedenfalls im Leistungsstadium nicht volldynamisch beurteilt und nach entsprechender Dynamisierung an Hand der Barwert-Verordnung i.H.v. monatlich 576,48 EUR für den Antragsteller und i.H.v. monatlich 279,51 EUR für die Antragsgegnerin dem Versorgungsausgleich zugrunde gelegt. Schließlich hat das OLG die beiden Berufsunfähigkeitsrenten, die der Antragsteller zum Ehezeitende von der Hamburg-Mannheimer Lebensversicherung bezog, nach entsprechender Dynamisierung an Hand der Barwert-Verordnung mit monatlich 19 EUR bzw. 6,82 EUR in den Versorgungsausgleich mit einbezogen.

Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin, die die Versorgungen, die die Parteien von der ZVK bereits beziehen, als volldynamisch bewertet wissen will. Der Antragsteller und die ZVK beantragen, die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen. Die BayÄV und die BfA haben sich im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht geäußert.

II.

Die nach §§ 629a Abs. 2 S. 1, 621e Abs. 2 S. 1 1. Halbs. Nr. 1, 2. Halbs i.V.m. § 543 Abs. 2 ZPO zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

1. Das OLG hat ausgeführt, die Versorgungen der Parteien bei der ZVK seien nicht als volldynamisch zu bewerten, da ihre jährliche 1 %ige Dynamisierung den Anforderungen an eine Volldynamik nicht genüge. Dagegen seien die Berufsunfähigkeitsrenten, die der Antragsteller zum Ehezeitende bereits bezogen habe, in voller Höhe in den Versorgungsausgleich einzubeziehen. Eine Aufteilung nach vorehelichen und ehelichen Beiträgen komme nicht in Betracht. Da beide Renten bis zum 1.12.2004 begrenzt seien, und der Gesamtbetrag der vom Ende der Ehezeit bis zum 1.12.2004 noch zu erwartenden Leistungen jeweils niedriger ausfalle als der gemäß Tabelle 7 der Barwert-Verordnung errechnete Barwert, sei jeweils dieser niedrigere Gesamtbetrag an Hand der Barwert-Verordnung zu dynamisieren und dem Versorgungsausgleich zugrunde zu legen. Im Übrigen gebe es unter den Ausgleichsformen nach § 1 Abs. 2, Abs. 3 VAHRG keine Rangfolge. Insoweit sei die Quotierungsmethode heranzuziehen. Dies gelte auch für realteilungsfähige Anrechte, soweit beide Parteien solche erworben haben. Danach seien Ausgleichsansprüche nach §§ 1, 2 VAHRG anteilsmäßig auf auszugleichende Anrechte des Verpflichteten zu verteilen. Bei einem dann noch verbleibenden schuldrechtlichen Ausgleichsbetrag nach § 2 VAHRG sei § 3b VAHRG anzuwenden. Bei der Durchführung des erweiterten Splittings nach § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG bestehe ein Auswahlermessen, welches Anrecht zum erweiterten Splitting herangezogen werde. Bei der Ausübung dieses Ermessens seien die Interessen der Ehegatten zu beachten. Vorliegend würde der verbleibende Restbetrag zu Lasten der Versorgung des Antragstellers bei der ZVK ausgeglichen.

Dies hält rechtlicher Nachprüfung nur teilweise stand.

2. a) Zu Recht hat das OLG die beiden (bis zum 1.12.2004 befristeten) Renten aus privaten Berufsunfähigkeitsversicherungen, die wegen Eintritts des Versicherungsfalles vor Ehezeitende zu diesem Zeitpunkt an den Antragsteller bereits laufend gezahlt wurden, in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich einbezogen (BGH, Beschl. v. 7.10.1992 - XII ZB 132/90, MDR 1993, 51 = FamRZ 1993, 299 [301 f.]; Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht, 4. Aufl., § 1587a Rz. 230, jeweils m.w.N.). Die vom OLG vorgenommene Dynamisierung, die von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen wird, lässt Rechtsfehler zum Nachteil der Antragsgegnerin auch nicht erkennen.

b) Zutreffend geht das OLG auch davon aus, dass bei verschiedenen Anrechten des Ausgleichspflichtigen, die nach § 1 Abs. 2, Abs. 3 oder § 2 VAHRG auszugleichen sind, grundsätzlich die Quotierungsmethode Anwendung findet, wenn diesen entsprechende Anrechte des Ausgleichsberechtigten gegenüber stehen (vgl. zuletzt: BGH, Beschl. v. 13.12.2000 - XII ZB 52/97, BGHReport 2001, 165 = FamRZ 2001, 477 [478], m.w.N.). Soweit zum erweiterten Splitting danach die Anrechte des Antragstellers bei der ZVK herangezogen werden, lässt diese Ermessensausübung Rechtsfehler zum Nachteil der Antragsgegnerin nicht erkennen. Die Rechtsbeschwerde greift dies auch nicht an.

c) Indessen hat der Senat zwischenzeitlich entschieden, dass Anrechte bei der Bayerischen Versorgungskammer - Zusatzversorgung der Bayerischen Gemeinden nach deren Satzungsänderung zum 1.1.2002 im Anwartschaftsstadium als statisch, im Leistungsstadium jedoch als volldynamisch zu bewerten sind (BGH, Beschl. v. 8.9.2004 - XII ZB 144/04, BGHReport 2005, 26 = MDR 2005, 147 = FamRZ 2004, 1706).

Danach kann die angefochtene Entscheidung nicht bestehen bleiben. Die Versorgungen, die beide Parteien von der ZVK bereits beziehen, sind daher mit den jeweiligen Ehezeitanteilen ungekürzt in den Versorgungsausgleich einzubeziehen. Nach den Auskünften der ZVK beläuft sich der Ehezeitanteil für den Antragsteller auf 945,67 EUR und für die Antragsgegnerin auf 500,63 EUR, jeweils monatlich und bezogen auf das Ehezeitende.

3. Der Senat kann auf Grundlage der vorgelegten Auskünfte selbst entscheiden: Den Anrechten des Antragstellers i.H.v. 2.442,46 EUR + 945,67 EUR + 19 EUR + 6,82 EUR = 3.413,95 EUR stehen Anrechte der Antragsgegnerin i.H.v. 1.913,13 EUR + 500,63 EUR + 1,91 EUR = 2.415, 67 EUR gegenüber, so dass sich ein Ausgleichsbetrag von 499,14 EUR errechnet. Davon entfallen nach der Quotierungsmethode auf die Realteilung 357,10 EUR, auf das analoge Quasisplitting 138,26 EUR und auf das erweiterte Splitting 3,78 EUR.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1406416

BGHR 2005, 1587

EBE/BGH 2005, 266

FamRZ 2005, 1530

FamRB 2005, 323

ZFE 2005, 338

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