Entscheidungsstichwort (Thema)

Verurteilung zur Beseitigung von Kraftstoffrückständen. Nichtzulassungsbeschwerde. Umfang der Beschwer. Wertfestsetzung. Würdigung des Sachverständigengutachtens

 

Leitsatz (amtlich)

Die Beschwer eines zur Beseitigung von Kontaminationen Verurteilten bemisst sich nicht nach dem vom Kläger behaupteten, sondern nach dem tatsächlichen, vom Gerichtssachverständigen festgestellten Kostenaufwand (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 16.9.2004 - III ZB 33/04, BGHReport 2005, 41 = MDR 2005, 162 = NJW 2004, 3488 ff.).

 

Normenkette

EGZPO § 26 Nr. 8

 

Verfahrensgang

OLG Braunschweig (Urteil vom 20.03.2002; Aktenzeichen 3 U 182/01)

LG Göttingen

 

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 3. Zivilsenats des OLG Braunschweig v. 20.3.2002 wird auf seine Kosten verworfen.

Streitwert: bis 6.000 EUR.

 

Gründe

I.

Das OLG hat den Beklagten verurteilt, Kontaminationen auf dem ehemals von ihm gepachteten Tankstellengelände in N.-H. zu entfernen. Der Umfang der Verurteilung ist nach dem Tenor und den Entscheidungsgründen widersprüchlich. Das OLG hat die Revision nicht zugelassen. Im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren streiten die Parteien nun auch über den Umfang der Beschwer:

In der Klageschrift hatte der Kläger den Kostenaufwand für die Säuberung des gesamten Tankstellengeländes mit 50.000 bis 70.000 DM angegeben. Er hat die Kosten weder näher aufgeschlüsselt noch durch einen Kostenvoranschlag belegt.

Sowohl das LG, das einen Sanierungsanspruch des Klägers verneint hat, als auch das OLG, das insoweit das landgerichtliche Urteil abgeändert hat, haben als Streitwert für diesen Antrag jeweils 60.000 DM - von den Parteien unbeanstandet - ohne nähere Begründung festgesetzt.

Mit Antrag v. 4.11.2002 hat der Kläger als Gläubiger im Zwangsvollstreckungsverfahren begehrt, den Beklagten als Schuldner gem. § 887 ZPO zur Zahlung eines Kostenvorschusses i.H.v. 71.900 EUR zu verurteilen.

Der Beklagte ist dem entgegengetreten und hat einen Kostenvoranschlag der Firma b. v. 28.6.2002 über 5.746,64 EUR vorgelegt.

II.

Die Beschwer des Beklagten erreicht nicht die Wertgrenze von 20.000 EUR gem. § 26 Nr. 8 EGZPO:

Für die Wertgrenze der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 26 Nr. 8 EGZPO ist der Wert des Beschwerdegegenstandes aus dem beabsichtigten Revisionsverfahren maßgebend, wobei die Wertberechnung nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 3 ff. ZPO vorzunehmen ist (BGH, Beschl. v. 27.6.2002 - V ZR 148/02, BGHReport 2002, 898 = MDR 2002, 1331 = NJW 2002, 2720; Beschl. v. 25.11.2003 - VI ZR 418/02, BGHReport 2004, 638 = MDR 2004, 406 = NJW-RR 2004, 638 f.).

Den Wert der Beschwer und damit die besondere Zulässigkeitsvoraussetzung der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 26 Nr. 8 ZPO hat das Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen, wobei es weder an die Angaben der Parteien noch die Streitwertfestsetzung des Berufungsgerichts gebunden ist. Es obliegt grundsätzlich dem Beschwerdeführer darzulegen, dass er mit der beabsichtigten Revision die Abänderung des Berufungsurteils in einem Umfang, der die Wertgrenze von 20.000 EUR übersteigt, erstreben will (BGH, Beschl. v. 27.6.2002 - V ZR 148/02, BGHReport 2002, 898 = MDR 2002, 1331 = NJW 2002, 2720 [2721]).

Das Revisionsgericht ist bei der Festsetzung der Beschwer nicht zu einer Wertermittlung nach § 3 2. Halbs. ZPO verpflichtet (BGH, Beschl. v. 25.7.2002 - V ZR 118/02, BGHReport 2002, 941 = MDR 2002, 1389 = NJW 2002, 3180). Ergibt sich jedoch - wie hier - im Laufe eines Rechtsstreits aus einem vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachten, dass der vom Kläger bei Verfahrenseinleitung geschätzte Wert (vgl. dazu § 23 GKG a.F., § 61 GKG n.F.) nicht zutrifft, so sind die Feststellungen des Sachverständigen für die Wertfestsetzung maßgebend (vgl. zum selbstständigen Beweisverfahren BGH, Beschl. v. 16.9.2004 - III ZB 33/04, BGHReport 2005, 41 = MDR 2005, 162 = NJW 2004, 3488 ff.)

Der Senat legt das Berufungsurteil dahingehend aus, dass der Beklagte lediglich verurteilt wurde, den Bereich der Super-Bleifrei-Zapfsäule Nr. 1 (Sondierungsstelle S 4, vgl. Abbildung im Ergänzungsgutachten des vom LG beauftragten Sachverständigen Dr. Z. v. 21.9.2000) zu sanieren. Eine Divergenz der Urteilsformel, nach der angenommen werden könnte, der Beklagte sei verurteilt, das (gesamte) Tankstellengelände von Kraftstoffrückständen zu säubern, ggü. den Entscheidungsgründen, nach denen nur der Bereich der Super-Bleifrei-Zapfsäule Nr. 1 zu säubern ist, kann vorliegend im Revisionsverfahren durch Urteilsauslegung behoben werden:

Die Entscheidungsgründe geben den Umfang der Verurteilung klar und unzweifelhaft wieder, so dass der Tenor des Berufungsurteils einschränkend ausgelegt werden kann (BGH v. 11.7.2001 - XII ZR 270/99, BGHReport 2001, 981 = NJW-RR 2002, 136 f.; Urt. v. 10.7.1991 - IV ZR 155/90, NJW-RR 1991, 1278):

Das Berufungsgericht leitet die rechtlichen Ausführungen zum Beseitigungsanspruch des Klägers auf S. 9 beschränkt auf den "Bereich der Super-Bleifrei-Zapfsäule Nr. 1 ..." ein. Eben nur auf diesen räumlichen Bereich bezieht sich auch die Würdigung des Sachverständigengutachtens auf S. 11 und der Umfang der als Schadensersatz S. 13 des Urteils beschriebenen Beseitigungspflicht.

Danach ist davon auszugehen, dass vom Berufungsgericht nur eine Verurteilung zur Beseitigung von Kraftstoffrückständen im Bereich der Super-Bleifrei-Zapfsäule Nr. 1 gewollt war.

Da das Berufungsgericht weder seine Kostenentscheidung noch die Festsetzung der Sicherheitsleistung begründet hat, ergeben sich aus diesen Nebenentscheidungen keine Rückschlüsse auf eine andere als die - einschränkend ausgelegte - Verurteilung.

Davon ausgehend bemisst der Senat den Beschwerdewert des Beklagten mit weniger als 20.000 EUR. Der Beklagte hat im Vollstreckungsverfahren selbst einen detaillierten Kostenvoranschlag vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass die Sanierung von 25 m3 Boden Kosten von 5.746,64 EUR verursacht. Sowohl vom Umfang der auszutauschenden Erdmassen als auch dem Kostenaufwand nach sind diese Werte vergleichbar mit den Angaben der Sachverständigen Dr. Dipl.-Ing. Z. und Dipl.-Geol. S. im Gerichtsgutachten v. 30.11.1999. Die Sachverständigen schätzen dort die Kosten der Sanierung auf etwa 7.000 DM. Unter Berücksichtigung des Zeitablaufes und der vor Ausführung der Arbeiten nicht exakt zu bestimmenden Menge des auszutauschenden Materials stimmen Gutachten und Kostenvoranschlag überein, so dass sich der Senat bei der Festsetzung des Gebührenstreitwertes an dem höheren der beiden Werte orientiert.

Demgegenüber sind die vom Beklagten im Vollstreckungsverfahren geforderten 71.900 EUR für die Sanierung von 900 m3 Erdreich, an denen der Kläger ausweislich seiner Antwort auf die Nichtzulassungsbeschwerde nicht mehr festhält, unrealistisch.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1368800

BGHR 2005, 1135

NJW-RR 2005, 1011

MDR 2005, 1194

GuT 2005, 180

NZBau 2005, 590

DS 2005, 231

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