Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen einer Vorlage an den Bundesgerichtshof nach § 28 Abs. 2 FGG (hier: Vorlage wegen der Frage einer Rechtsmittelbelehrung bei der Ablehnung der Entlassung eines Betreuers).

 

Normenkette

FGG § 28 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Ulm

OLG Stuttgart

 

Tenor

Die Sache wird an das Oberlandesgericht Stuttgart zur Behandlung und Entscheidung in eigener Zuständigkeit zurückgegeben.

 

Tatbestand

I.

Mit Beschluß vom 27. Oktober 1994 hat das Notariat Ulm/Donau als Vormundschaftsgericht den Beteiligten zu 2) gegen seinen Willen als Betreuer des Beteiligten zu 1) entlassen und einen neuen Betreuer bestellt.

Auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 2) hat das Landgericht Ulm/Donau mit Beschluß vom 19. Januar 1995 die Entscheidung des Vormundschaftsgerichts aufgehoben. Dieser Beschluß, der keine Rechtsmittelbelehrung enthält, ist dem Beteiligten zu 2) und der Verfahrenspflegerin des Beteiligten zu 1) am 27. Januar 1995 zugestellt und dem neuen Betreuer des Beteiligten zu 1) spätestens am 4. Februar 1995 formlos mitgeteilt worden. Die Verfahrenspflegerin hat am 30. Oktober 1995 für den Beteiligten zu 1) weitere Beschwerde eingelegt.

Das Oberlandesgericht Stuttgart hält dieses Rechtsmittel für verspätet, sieht sich jedoch durch die in FamRZ 1994, 323 f. veröffentlichte Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts (Beschluß vom 7. Oktober 1993 – 3Z BR 184/93) an der Verwerfung gehindert und hat deshalb gem. § 28 Abs. 2 FGG die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Sache ist dem vorlegenden Oberlandesgericht zur Behandlung und Entscheidung in eigener Zuständigkeit zurückzugeben, denn die Vorlage ist nicht zulässig.

Zu den Voraussetzungen einer zulässigen Vorlage gehört, daß das vorlegende Oberlandesgericht von einer auf weitere Beschwerde ergangenen Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs abweichen will. Die Abweichung muß dieselbe Rechtsfrage betreffen, und die Beantwortung dieser Rechtsfrage muß für beide Entscheidungen erheblich sein (s. Senatsbeschlüsse vom 12. Oktober 1988 – IVb ZB 36/88 – BGHR FGG § 28 Abs. 2 Abweichung 1 u. IVb ZB 37/88 = NJW 1989, 668, 669; BGH, Beschluß vom 1. Juli 1993 – V ZB 19/93 = NJW 1993, 3069). Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, hat der Bundesgerichtshof zu beurteilen (s. BGHZ 7, 339, 341 f.; Senatsbeschlüsse vom 5. Februar 1986 – IVb ZB 1/86 = FamRZ 1986, 460, 461 und vom 12. Oktober 1988 aaO; Beschluß vom 1. Juli 1993 aaO). Dabei ist die Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage für die vorgelegte Sache auf der Grundlage des im Vorlagebeschluß des Oberlandesgerichts mitgeteilten Sachverhalts und der dort zum Ausdruck gebrachten rechtlichen Beurteilung des Falles zu prüfen (s. BGHZ 77, 209, 211; Senatsbeschlüsse BGHZ 82, 34, 36; vom 4. Oktober 1990 – XII ZB 200/87 = NJW 1991, 3088, 3089; BGHZ 112, 127, 129).

Den Ausführungen des Vorlagebeschlusses ist zu entnehmen, daß das Oberlandesgericht eine Stellungnahme zu der Frage für notwendig hält, ob die Entscheidung, durch die ein Betreuer entlassen wird, mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen sein muß. Damit handelt es sich zwar um dieselbe Rechtsfrage, die das Bayerische Oberste Landesgericht in dem angezogenen Beschluß beantwortet hat. Für die Entscheidung über die vorgelegte sofortige weitere Beschwerde ist diese Rechtsfrage aber nicht erheblich. Das vorlegende Oberlandesgericht braucht sich deshalb nicht mit der Frage zu befassen, ob dem Bayerischen Obersten Landesgericht zu folgen ist oder nicht.

Die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts Ulm, die mit der vorliegenden sofortigen weiteren Beschwerde angegriffen wird, hat – im Unterschied zu der dem Beschluß des Bayerischen Obersten Landesgerichts vorausgegangenen landgerichtlichen Entscheidung – nicht die Entlassung, sondern die Ablehnung der Entlassung des Betreuers gegen dessen Willen zum Inhalt. Zur Feststellung des betreuungsrechtlichen Inhalts einer vom Landgericht erlassenen Beschwerdeentscheidung ist nicht, wie es das Oberlandesgericht offenbar getan hat, auf die erstinstanzliche Entscheidung abzustellen, sondern auf den landgerichtlichen Beschluß selbst.

Denn in den Grenzen des Rechtsmittels tritt das Landgericht vollständig an die Stelle der ersten Instanz und hat in der zur Entscheidung stehenden Angelegenheit die gleichen Befugnisse wie diese (s. § 69 g Abs. 5 Satz 1 FGG). Die vom Landgericht Ulm beschlossene Aufhebung der Entscheidung des Vormundschaftsgerichts, durch die der Beteiligte zu 2) als Betreuer entlassen worden war, bedeutet in der Sache die Ablehnung der Entlassung des Betreuers.

Die vom Oberlandesgericht herausgestellte Frage, ob die Entlassung des Betreuers einer Rechtsmittelbelehrung bedarf, würde sich deshalb hier nur dann stellen, wenn die Notwendigkeit einer Rechtsmittelbelehrung bei positiver und bei negativer Entlassungsentscheidung zwingend einheitlich zu beurteilen wäre. Denn unter dieser Bedingung würde sich das Oberlandesgericht mit der in der beabsichtigten Verwerfung der sofortigen weiteren Beschwerde liegenden Absage an eine Rechtsmittelbelehrungspflicht nicht nur bezüglich des hier gegebenen Falles der Ablehnung der Betreuerentlassung festlegen, sondern würde eine Entscheidung zwangsläufig auch hinsichtlich der vom Bayerischen Obersten Landesgericht behandelten Belehrungspflicht bei Entlassung des Betreuers treffen. Das Oberlandesgericht zeigt in seinem Vorlagebeschluß jedoch keine Gründe auf, aus denen die Notwendigkeit einer Rechtsmittelbelehrung bei positiver und bei negativer Entlassungsentscheidung zwingend einheitlich zu beurteilen wäre. Sie sind auch nicht ersichtlich. Eine unterschiedliche Beurteilung der Rechtsmittelbelehrungspflicht für die Entlassung des Betreuers und die Ablehnung der Entlassung liegt sogar nahe, wenn die Verpflichtung zur Rechtsmittelbelehrung im Falle der Entlassung des Betreuers – wie in dem Beschluß des Bayerischen Obersten Landesgerichts geschehen – mit einer (entsprechenden) Anwendbarkeit des § 69 FGG begründet wird. Nach dieser Vorschrift besteht Rechtsmittelbelehrungspflicht bei der Anordnung bestimmter Betreuungsmaßnahmen, nicht jedoch – worauf auch das Oberlandesgericht in seinem Vorlagebeschluß ausdrücklich hinweist – bei der Ablehnung der Anordnung solcher Maßnahmen (s. § 69 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 FGG; ferner Keidel/Kuntze FGG 13. Aufl., § 69 Rdn. 9 a.E.; Knittel, Betreuungsgesetz, § 69 FGG Rdn. 8; Holzhauer/Reinicke, Betreuungsrecht; § 69 FGG Rdn. 9).

 

Unterschriften

Blumenröhr, Krohn, Zysk, Gerber, Weber-Monecke

 

Fundstellen

Haufe-Index 1127392

Nachschlagewerk BGH

MDR 1997, 966

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