Entscheidungsstichwort (Thema)

Versorgungsausgleich hier: Beteiligung der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung am Verfahren über den Versorgungsausgleich

 

Leitsatz (amtlich)

a) Der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung ist auch insoweit am Verfahren über den Versorgungsausgleich zu beteiligen, als es sich um den Ausgleich von Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung nach § 1587 b Abs. 3 BGB handelt.

b) Ein am Verfahren über den Versorgungsausgleich zu beteiligender Sozialversicherungsträger wird durch die gerichtliche Entscheidung grundsätzlich dann im Sinne des § 20 Abs. 1 FGG in seinem Recht beeinträchtigt, wenn der Versorgungsausgleich mit einem im Gesetz nicht vorgesehenen Eingriff in seine Rechtsstellung verbunden ist, ohne daß es auf eine finanzielle Mehrbelastung ankommt.

 

Normenkette

FGG § 20 Abs. 1, § 53b Abs. 2, 2 S. 1 (vom 14.06.1976); BGB § 1587b Abs. 3 (vom 14.06.1976)

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 27.03.1980)

AG Kassel

 

Tenor

Auf die weitere Beschwerde der beteiligten Landesversicherungsanstalt wird der Beschluß des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main – 2. Familiensenat in Kassel – vom 27. März 1980 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der weiteren Beschwerde, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Beschwerdewert: 1.000 DM (§ 17 a GKG).

 

Tatbestand

I.

Die Parteien haben am 22. August 1969 geheiratet. Auf den Antrag der Ehefrau, der dem Ehemann am 14. September 1978 zugestellt worden ist, hat das Amtsgericht – Familiengericht – durch Urteil vom 8. Oktober 1979 die Scheidung der Ehe ausgesprochen. Zugleich hat es den Versorgungsausgleich geregelt, indem es von dem Versicherungskonto des Ehemannes bei der beteiligten Landesversicherungsanstalt auf das bei dieser bestehende Versicherungskonto der Ehefrau Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 98,60 DM, bezogen auf den 31. August 1978, Übertragen und den Ehemann verurteilt hat, zur Begründung von Anwartschaften auf eine Rente von monatlich 6,27 DM, bezogen auf den 31. August 1978, zu Gunsten der Ehefrau auf deren Versicherungskonto bei der beteiligten Landesversicherungsanstalt den Betrag von 1.070,20 DM zu zahlen.

Gegen dieses Urteil hat die beteiligte Landesversicherungsanstalt Beschwerde mit dem Antrag eingelegt, die Entscheidung über den Versorgungsausgleich aufzuheben und darüber neu zu entscheiden. Sie hat das Rechtsmittel damit begründet, sie sei bei der dem Familiengericht erteilten Auskunft über die Rentenanwartschaften der Ehefrau vom 24. Februar 1979 irrtümlich davon ausgegangen, daß die Ehezeit bereits am 1. August 1965 (statt richtig 1969) begonnen habe. Bei richtiger Berechnung seien von dem Konto des Ehemannes Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 137,55 DM, bezogen auf den 31. August 1978, auf das Konto der Ehefrau zu übertragen. Ferner sei das Familiengericht bei der Dynamisierung der Anwartschaften des Ehemannes aus seiner betrieblichen Altersversorgung irrtümlich davon ausgegangen, daß er am 8. Juni 1946 (statt richtig 1940) geboren sei. Bei richtiger Berechnung habe er zur Begründung von Anwartschaften auf eine Rente von monatlich 8,24 DM – bei Entrichtung im Jahre 1980 – einen Betrag von 1.478 DM zu zahlen.

Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die weitere Beschwerde der Landesversicherungsanstalt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die nach § 621 e Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte weitere Beschwerde hat Erfolg.

1. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung damit begründet, die Beschwerdeführerin mache nicht geltend, durch das Urteil des Familiengerichts beschwert zu sein. Soweit der Versorgungsausgleich nach § 1587 b Abs. 1 BGB durch Übertragung von Rentenanwartschaften durchzuführen sei, sei sie allerdings gemäß § 53 b Abs. 2 FGG am Verfahren beteiligt. Soweit die Betriebsrente des Ehemannes nach § 1587 b Abs. 3 BGB durch Einzahlung auszugleichen sei, könne nach dem Wortlaut des § 53 b Abs. 2 FGG nicht einmal eine Beteiligung der Beschwerdeführerin angenommen werden. Aus seiner formellen Beteiligung am Verfahren erwachse einem Sozialversicherungsträger indessen noch keine Beschwerdeberechtigung. Dazu sei vielmehr ein unmittelbarer tatsächlich störender Eingriff in seine Rechte erforderlich; die Rechtsstellung des Beschwerdeführers müsse zumindest beschränkt oder gemindert oder es müsse ihm eine Verbesserung seiner Rechtsstellung vorenthalten worden sein. Einen solchen Eingriff in eine Rechtsposition könne die Beschwerdeführerin nicht geltend machen.

2. Diese Ausführungen werden von der weiteren Beschwerde zu Recht angegriffen.

Nach § 53 b Abs. 2 Satz 1 FGG hatte das Familiengericht die Beschwerdeführerin als Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung am Verfahren zu beteiligen. Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts gilt dies auch, soweit es sich um den Ausgleich der Anwartschaften des Ehemannes auf betriebliche Altersversorgung nach § 1587 b Abs. 3 BGB handelt. Zwar erwähnt § 53 b Abs. 2 Satz 1 FGG nur die in § 1587 b Abs. 1 und 2 BGB geregelten Fälle, nicht aber den Abs. 3 dieser Vorschrift. Auch im letzteren Fall bedarf es aber einer Beteiligung des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung, bei dem die zum Ausgleich der betrieblichen Anwartschaften zu entrichtenden Beträge einzuzahlen sind; denn er wird durch die gerichtliche Entscheidung zur Entgegennahme von Beiträgen verpflichtet, die er nach den gesetzlichen Vorschriften sonst nicht einmal annehmen dürfte (ebenso Keidel/ Kuntze/Winkler FG 11. Aufl. § 53 b Rdn. 7; MünchKomm/ Maier BGB Rdn. 56 vor § 1587; Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts 1977 Rdn. 469).

Dem Oberlandesgericht ist darin beizupflichten, daß die Stellung der Beschwerdeführerin als Verfahrensbeteiligte nicht ohne weiteres ihre Beschwerdeberechtigung zur Folge hat. Nach § 20 Abs. 1 FGG ist hierzu vielmehr erforderlich, daß sie durch die Entscheidung des Familiengerichts in ihrem Recht beeinträchtigt worden ist (BGHZ 41, 114, 116). Das ist hier jedoch der Fall. Soweit es sich um den Versorgungsausgleich nach § 1587 b Abs. 1 BGB handelt, ist sie dadurch in ihren Aufgaben und Befugnissen betroffen, daß das Familiengericht bei ihr bestehende Rentenanwartschaften des Ehemannes in bestimmter Höhe auf das ebenfalls bei ihr geführte Konto der Ehefrau übertragen hat (vgl. BGH Beschluß vom 20. September 1978 – IV ZB 97/78 – FamRZ 1978, 889, 890; Senatsbeschluß vom 25. Juni 1980 – IV b ZB 625/80 – FamRZ 1980, 989, 990). Soweit es sich um den Ausgleich der betrieblichen Versorgungsanwartschaften nach § 1587 b Abs. 3 BGB handelt, ergibt sich ihre Beschwer aus der ihr auferlegten Verpflichtung, zur Begründung einer Rentenanwartschaft zu Gunsten der Ehefrau einen Geldbetrag entgegenzunehmen.

Seine gegenteilige Auffassung begründet das Oberlandesgericht mit der Erwägung, nach dem Beschwerdevorbringen sei lediglich der Antragstellerin eine Verbesserung von Rechtspositionen vorenthalten worden; ausschließlich sie sei daher durch das angefochtene Urteil belastet. Eine Befugnis, Entscheidungen ohne Beeinträchtigung eigener Rechte auf Gesetzmäßigkeit oder gar allgemeine Richtigkeit nachprüfen zu lassen, komme einer Befugnis zur Popularbeschwerde gleich, die § 20 FGG gerade verhindern wolle, und habe den beteiligten Sozialversicherungsträgern nicht eingeräumt werden sollen.

Diese Begründung wird den Belangen der Beschwerdeführerin schon insoweit nicht gerecht, als diese Träger der gesetzlichen Rentenversicherung auch des Antragsgegners ist und daher – je nach dem (derzeit nicht vorhersehbaren) Versicherungsschicksal jedes der Ehegatten – durch die Bemessung der übertragenen Versorgungsanwartschaften finanziell betroffen werden kann. Das verkennt die Entscheidung des OLG Zweibrücken (FamRZ 1980, 170), auf die das Beschwerdegericht sich berufen hat.

Darüberhinaus kann die Beschwer eines am Verfahren zu beteiligenden Sozialversicherungsträgers nicht davon abhängen, ob er Träger der gesetzlichen Rentenversicherung des Ausgleichspflichtigen ist oder ob die Anwartschaften, auf die der Ausgleichsberechtigte Anspruch hat, auf ihn übertragen oder bei ihm begründet werden. Ebensowenig ist entscheidend, ob die übertragenen oder zu begründenden Anwartschaften vom Gericht zu hoch oder zu gering bemessen worden sind. Der teilweise vertretenen Auffassung, im letztgenannten Fall scheide eine Beschwer der Sozialversicherungsträger überhaupt (so OLG Frankfurt FamRZ 1980, 603 – nur Leitsatz; OLG Celle – 10. ZS – Beschluß vom 26. März 1980 – 10 UF 199/79; ebenso die Stellungnahme des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger in FamRZ 1979, 761, 762) oder wenigstens des „übernehmenden” Sozialversicherungsträgers (so OLG Hamm FamRZ 1980, 604) aus, vermag der Senat sich nicht anzuschließen. Sie stellt allein auf die finanziellen Auswirkungen des Versorgungsausgleichs ab und läßt das rechtliche Interesse der zu beteiligenden Sozialversicherungsträger an einer dem Gesetz entsprechenden Regelung des Versorgungsausgleichs außer Betracht. Die finanziellen Auswirkungen, die ohnehin oft nicht klar überschaubar sind, bleiben in dem hier zu erörternden Rahmen indessen von untergeordneter Bedeutung, wie sich schon daran zeigt, daß zwischen den am Versorgungsausgleich beteiligten Trägern der gesetzlichen Rentenversicherungen ein finanzieller Ausgleich nicht stattfindet (vgl. Senatsbeschluß vom 21. Mai 1980 – IV b ZB 628/80 – FamRZ 1980, 990, 991). Vielmehr wird ein solcher Sozialversicherungsträger durch den Versorgungsausgleich grundsätzlich dann in seinem Recht betroffen, wenn dieser mit einem Eingriff in seine Rechtsstellung verbunden ist, sei es, daß bei ihm bestehende Anwartschaften auf ein Versicherungskonto des Ausgleichsberechtigten bei einem anderen Sozialversicherungsträger oder auch bei ihm selbst übertragen werden, sei es, daß bei ihm zu Gunsten des Ausgleichsberechtigten ein Sozialversicherungsverhältnis begründet oder ein bestehendes Verhältnis inhaltlich verändert wird. Er muß daher befugt sein, einen im Gesetz nicht vorgesehenen Eingriff in seine Rechtsstellung durch Einlegung von Rechtsmitteln abzuwehren, ohne daß es insoweit auf eine finanzielle Mehrbelastung ankommt (ebenso offenbar OLG Bamberg FamRZ 1980, 603 – nur Leitsatz; für die Beschwer des Trägers der Versorgungslast: OLG Celle – 18. ZS – FamRZ 1980, 70; vgl. auch Hannemann in DAngVers. 1977, 116, 120). Eine andere Beurteilung würde auch dem Zweck, den das Gesetz mit der Beteiligung der Sozialversicherungsträger gemäß § 53 b Abs. 2 FGG verfolgt, nicht gerecht.

Mit einer so begründeten Beschwer wird den beteiligten Sozialversicherungsträgern entgegen der Annahme des Oberlandesgerichts nicht eine – § 20 Abs. 1 FGG widersprechende – Popularbeschwerde eröffnet. Das Erfordernis eines Eingriffs in ihre Rechtsstellung als Träger der gesetzlichen Rentenversicherungen würde es beispielsweise ausschließen, daß ein beteiligter Sozialversicherungsträger sich gegen die Handhabung von Härteregelungen (Art. 12 Nr. 3 Abs. 3 Satz 3 und 4 des 1. EheRG; § 1587 c BGB) wendet. Ob ein Sozialversicherungsträger jede, selbst geringfügige Fehlberechnung des Versorgungsausgleichs zum Gegenstand einer Beschwerde machen kann, dürfte insbesondere eine Frage des Rechtsschutzinteresses sein.

3. Der angefochtene Beschluß kann daher keinen Bestand haben. Da bisher nicht festgestellt worden ist, ob die Berechnung der Beschwerdeführerin zutrifft, ist die Sache unter Aufhebung des Beschlusses an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.

 

Unterschriften

Dr. Grell, Knüfer, Lohmann, Dr. Seidl, Blumenröhr

 

Fundstellen

Haufe-Index 1237696

NJW 1981, 1274

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