Verfahrensgang

OLG München

 

Gründe

Die von der Beschwerde für grundsätzlich gehaltene Rechtsfrage, ob eine Verletzung der Nachfrageobliegenheit des Versicherers diesem auch die Arglistanfechtung verwehrt, ist nicht entscheidungserheblich. Wie das Landgericht im Ergebnis zu Recht angenommen hat, hat die Beklagte die Anfechtungsfrist des § 124 Abs. 1 und 2 BGB versäumt. Sie hatte Ende 1995 umfassende Kenntnis von den früheren Beschwerden, Krankheiten und ärztlichen Behandlungen von Herrn G., die bei Schließung der Verträge über die Kapitallebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung vom Dezember 1992 und der hier im Streit befindlichen Risikolebensversicherung vom Dezember 1991 nicht angegeben worden sind. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 29. November 1995 nur ihre Annahmeerklärung zum Vertrag vom Dezember 1992 wegen arglistiger Täuschung angefochten. Die Anfechtung umfaßte nicht nur die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung, aus der damals Leistungen verlangt wurden, sondern auch die Kapitallebensversicherung, bei der der Versicherungsfall noch nicht eingetreten war. Angesichts der von der Beklagten als besonders schwerwiegend angesehenen arglistigen Täuschung hätte es sich Ende 1995 aufgedrängt zu prüfen, ob sich im Bestand der im Mai 1994 verschmolzenen beiden Gesellschaften weitere Verträge auf das Leben von Herrn G. befinden und ob diese ebenfalls von den Anfechtungsgründen betroffen sind. Da somit Anlaß bestand, die in den eigenen Datenbanken und Akten gesammelten Daten abzurufen, ist die bei der Beklagten allgemein vorhanden gewesene Kenntnis von der Risikolebensversicherung aktuelles und von ihr zu berücksichtigendes Wissen geworden (vgl. BGH, Urteile vom 14. Juli 1993 - IV ZR 153/92 - VersR 1993, 1089 unter II 2; vom 18. Dezember 1991 - IV ZR 299/90 - VersR 1992, 217 unter 2 und vom 13. Dezember 1989 - IVa ZR 177/88 - VersR 1990, 258 unter 3; vgl. ferner BGHZ 132, 30, 36 ff. und BGHZ 135, 202, 205 f.). Ein Lebensversicherer kann sich der dokumentierten Kenntnis von bestehenden Verträgen nicht dadurch entziehen, daß er - wie die Beklagte - mehrere Verträge, in denen dieselbe Person versichert ist und auf deren Gesundheitsverhältnisse es für Rücktritt und Arglistanfechtung ankommt, in verschiedenen Abteilungen so verwaltet, als handele es sich bei diesen um jeweils selbständige Unternehmen, die nichts miteinander zu tun haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2961999

NJW-RR 2003, 1603

ZfS 2004, 73

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