Entscheidungsstichwort (Thema)

Ende der Ehezeit nach § 1587 Abs. 2 BGB bei mehreren, zeitlich weit auseinander liegenden Scheidungsanträgen

 

Leitsatz (amtlich)

Das Ende der Ehezeit i.S.d. § 1587 Abs. 2 BGB wird durch den Eintritt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags bestimmt, der den zur Scheidung führenden Rechtsstreit ausgelöst hat. Das ist regelmäßig der älteste noch rechtshängige Antrag, auch wenn es zur Aussetzung oder zum tatsächlichen Stillstand dieses Scheidungsverfahrens gekommen war.

 

Normenkette

BGB § 1587 Abs. 2

 

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf (Beschluss vom 21.12.2000; Aktenzeichen 9 UF 21/00)

AG Solingen (Beschluss vom 28.01.2000; Aktenzeichen 34 F 109/97)

 

Tenor

Auf die weitere Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 9. Senats für Familiensachen des OLG Düsseldorf v. 21.12.2000 aufgehoben, soweit zum Nachteil der Antragstellerin entschieden worden ist.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der weiteren Beschwerde - an das OLG zurückverwiesen.

Der Antrag der Antragstellerin auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt, weil die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe nicht vorliegen.

Dem Antragsgegner wird als Beschwerdegegner für das Verfahren der weiteren Beschwerde ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt N. zur Vertretung beigeordnet.

Beschwerdewert: 1.976 EUR

 

Gründe

I.

Die Parteien streiten um den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich.

Sie haben am 12.6.1968 die Ehe geschlossen. Ein Scheidungsantrag der Antragstellerin (im Folgenden Ehefrau) v. 21.6.1979 wurde dem Antragsgegner (im Folgenden Ehemann) vom AG L. am 4.8.1979 zugestellt. Später wurde das Ruhen des Verfahrens angeordnet; der Scheidungsantrag wurde nie zurückgenommen. Am 28.7.1997 reichte die Antragstellerin einen weiteren Scheidungsantrag beim AG S. ein, der dem Antragsgegner am 12.8.1997 zugestellt wurde.

Das AG hat die Ehe der Parteien geschieden (insoweit rechtskräftig) und das Verfahren zum Versorgungsausgleich abgetrennt. Mit weiterem Beschluss hat es den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich in der Weise durchgeführt, dass es vom Versicherungskonto des Ehemannes bei der Deutschen Rentenversicherung Rheinland (früher: Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz, weitere Beteiligte zu 1) auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung Westfalen (früher: Landesversicherungsanstalt Westfalen, weitere Beteiligte zu 2) monatliche Rentenanwartschaften im Wege des Splittings i.H.v. 54,43 DM und im Wege des erweiterten Splittings nach § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG i.H.v. weiteren 85,40 DM - jeweils bezogen auf den 31.7.1997 - übertragen hat. Soweit es die befristete Rente des Ehemannes auf Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nach Prämienfreistellung wegen des Höchstbetrages in § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG nicht voll ausgleichen konnte, hat es der Antragstellerin den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten. Das OLG hat die Beschwerden beider Parteien gegen diesen Beschluss zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die vom OLG zugelassene weitere Beschwerde der Ehefrau, mit der sie ihr Begehren auf Neubewertung der Berufsunfähigkeitsrente und auf Ausgleich dieser Rente durch Beitragszahlung weiter verfolgt.

II.

Die zulässige Beschwerde der Ehefrau ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

1. Die weitere Beschwerde hat schon deswegen Erfolg, weil das OLG von einer unzutreffenden Ehezeit ausgegangen ist.

Wie das OLG im Ansatz zutreffend ausführt, wird das Ende der Ehezeit i.S.d. § 1587 Abs. 2 BGB nach ständiger Rechtsprechung des Senats durch den Eintritt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags bestimmt, der den zur Scheidung führenden Rechtsstreit ausgelöst hat. Das ist regelmäßig aber der älteste noch rechtshängige Antrag, auch wenn es zur Aussetzung oder zum tatsächlichen Stillstand dieses Scheidungsverfahrens gekommen war (BGH, Beschl. v. 23.6.2004 - XII ZB 212/01, BGHReport 2004, 1487 = MDR 2004, 1298 = FamRZ 2004, 1364, m.w.N.). So war auch hier das durch den ersten Antrag der Ehefrau v. 21.6.1979 ausgelöste Ehescheidungsverfahren ungeachtet des jahrelangen Stillstandes im Zeitpunkt der Zustellung des weiteren Antrags im Jahre 1997 immer noch rechtshängig. Die Berufung auf den seit 1979 rechtshängigen Scheidungsantrag verstößt hier auch nicht etwa gegen Treu und Glauben (vgl. insoweit Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht, 4. Aufl., § 1587 BGB Rz. 30, m.w.N.), weil die Parteien seit dieser Zeit dauerhaft getrennt gelebt haben.

Der weitere Antrag v. 28.7.1997 hat demgegenüber kein neues Verfahren in Gang gesetzt, sondern ist im Rahmen des früher rechtshängig gewordenen Scheidungsverfahrens gestellt worden. Zwar steht ein schon rechtshängiges Ehescheidungsverfahren einem späteren eigenständigen Scheidungsantrag nicht zwingend entgegen. Ein solcher Antrag müsste allerdings wegen der Rechtshängigkeit desselben Streitgegenstandes schon durch Prozessurteil als unzulässig abgewiesen werden (§ 261 Abs. 1 und 3 ZPO). Unter diesen Umständen ist ein späterer Scheidungsantrag, da die Antragstellerin im Zweifel keinen unzulässigen Antrag stellen will, im Allgemeinen als weiterer Antrag in dem schon anhängigen Scheidungsverfahren aufzufassen. Wird der spätere Antrag vom Antragsgegner gestellt, ist dieser im Regelfall als Gegenantrag in dem schon rechtshängigen Verfahren aufzufassen (BGH, Beschl. v. 13.10.1982 - IVb ZB 601/81, MDR 1983, 209 = FamRZ 1983, 38 [39 f.]). Auch ein solcher Antrag des Gegners ist deswegen regelmäßig mit einem schon rechtshängigen Ehescheidungsverfahren zu verbinden und nur, wenn der Antragsteller sich dem verschließt, durch Prozessurteil als unzulässig abzuweisen. Wegen der Wirkung der Rechtshängigkeit gilt dies auch dann, wenn der spätere Antrag bei einem anderen Gericht gestellt wird.

Das nach § 1587 Abs. 2 BGB maßgebliche Ende der Ehezeit wäre allerdings dann auf der Grundlage des späteren Scheidungsantrags zu bestimmen, wenn die Rechtshängigkeit des früheren Scheidungsverfahrens, etwa durch Rücknahme des Scheidungsantrags, beendet worden wäre (§ 269 Abs. 1 ZPO), bevor der gegnerische Antrag zugestellt und seinerseits rechtshängig wurde. Dann würde es an einem einheitlichen Verfahren fehlen, und die Scheidung wäre nicht mehr in dem Rechtsstreit erfolgt, der durch den früheren Scheidungsantrag ausgelöst wurde (BGH, Beschl. v. 23.6.2004 - XII ZB 212/01, BGHReport 2004, 1487 = MDR 2004, 1298 = FamRZ 2004, 1364 f.; v. 21.10.1981 - IVb ZB 650/80, MDR 1982, 304 = FamRZ 1982, 153 [154]).

Weil das mit Antrag v. 21.6.1979 eingeleitete Scheidungsverfahren hier nur ruhte und nicht wirksam zurückgenommen worden ist, ist die Ehe der Parteien auf diesen zuerst rechtshängig gewordenen Scheidungsantrag geschieden worden. Einer Rücknahme dieses Antrags steht jetzt die Rechtskraft der Ehescheidung entgegen (§ 269 Abs. 3 S. 1 ZPO). Das Beschwerdegericht hätte seiner Entscheidung deswegen eine Ehezeit v. 1.6.1968 bis zum 31.7.1979 zu Grunde legen müssen.

2. Dem Senat ist eine abschließende Entscheidung verwehrt, weil die ehezeitlichen Versorgungsanwartschaften der Parteien nicht zutreffend festgestellt worden sind.

3. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Das Beschwerdegericht wird auf der Grundlage der zutreffenden Ehezeit erneut zu prüfen haben, ob und in welchem Umfang die Voraussetzungen einer Einbeziehung der befristeten Rente des Ehemannes aus seiner Berufsunfähigkeitsversicherung in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich vorliegen (BGH, Beschl. v. 20.7.2005 - XII ZB 289/03, BGHReport 2005, 1587 = MDR 2006, 93 = FamRZ 2005, 1530; v. 7.10.1992 - XII ZB 132/90, MDR 1993, 51 = FamRZ 1993, 299 ff.; Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht, 4. Aufl., § 1587 BGB Rz. 27; Wick, Der Versorgungsausgleich, Rz. 160).

b) Der Senat hat die Barwert-Verordnung in der seinerzeit geltenden Fassung - nach Erlass der angefochtenen Entscheidung - mit Beschl. v. 5.9.2001 (BGH v. 5.9.2001 - XII ZB 121/99, BGHZ 148, 351 = MDR 2001, 1411 = BGHReport 2001, 914 m. Anm. Gutdeutsch = FamRZ 2001, 1695) für verfassungswidrig erachtet, weil sie mit dem Grundsatz der Halbteilung des in der Ehe erworbenen Versorgungsvermögens nicht vereinbar war. Nachdem die Barwert-Verordnung allerdings - durch die 2. Verordnung zur Änderung der Barwert-Verordnung v. 26.5.2003 (BGBl. I, 728) - geändert worden ist, hat eine ggf. erforderliche Umrechnung der Rente des Ehemannes aus seiner Berufsunfähigkeitszusatzversicherung anhand der geänderten Barwert-Verordnung zu erfolgen. Den Bedenken, die der Senat in seinem Beschluss v. 5.9.2001 (BGH v. 5.9.2001 - XII ZB 121/99, BGHZ 148, 351 = MDR 2001, 1411 = BGHReport 2001, 914 m. Anm. Gutdeutsch = FamRZ 2001, 1695) gegen die bisherige Fassung der Barwert-Verordnung geltend gemacht hat, ist mit der geänderten Barwert-Verordnung Rechnung getragen (BGH v. 23.7.2003 - XII ZB 152/01, BGHZ 156, 64 [66] = BGHReport 2003, 1332 m. Anm. Gutdeutsch = FamRZ 2003, 1639).

c) Die Zurückverweisung gibt dem OLG zugleich Gelegenheit zur Einholung neuer Rentenauskünfte bei der Deutschen Rentenversicherung, da die bisherigen Auskünfte naturgemäß die zwischenzeitlichen Änderungen der Rechtslage durch das Altersvermögensergänzungsgesetz (AVmEG v. 21.3.2001, BGBl. 2001 I, 403) nicht berücksichtigen.

d) Bei seiner Entscheidung wird das Beschwerdegericht allerdings zu beachten haben, dass nur die Ehefrau weitere Beschwerde gegen den Beschluss des OLG eingelegt hat und sie deswegen - unabhängig von dem Ergebnis der Ermittlung ehezeitlich erworbener Anwartschaften - ggü. der angefochtenen Entscheidung nicht schlechter gestellt werden darf (BGH v. 20.9.1995 - XII ZB 86/94, MDR 1996, 72 = FamRZ 1996, 97 [98], m.w.N.; Johannsen/Henrich/Sedemund-Treiber, Eherecht, 4. Aufl., § 621i ZPO Rz. 21; Wick, Der Versorgungsausgleich, Rz. 284).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1471679

BGHR 2006, 367

EBE/BGH 2006, 31

FamRZ 2006, 260

FamRZ 2006, 682

FuR 2006, 128

NJW-RR 2006, 289

MDR 2006, 638

FamRB 2006, 108

NJW-Spezial 2006, 108

ZFE 2006, 110

FK 2006, 78

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