Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Beweiskraft der im § 7 c EStG geforderten Bescheinigung der für das Wohnungswesen zuständigen Verwaltungsbehörde.

Die Verwendung von Zuschüssen oder unverzinslichen Darlehen zu Anbauten zwecks Vergrößerung bereits vorhandener Wohnungen erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 7 c EStG.

 

Normenkette

EStG § 7c

 

Tatbestand

Der Steuerpflichtige (Stpfl.) betreibt den Großhandel und das Provisionsgeschäft mit Landmaschinen. Er bewohnte mit seiner Familie eine aus drei Zimmern und Nebenräumen bestehende Wohnung im Erdgeschoß eines seinem Schwiegervater gehörenden Mietwohnhauses. Er hat im Jahre 1950 seinem Schwiegervater ein unverzinsliches Darlehen von 11.000 DM zur Erweiterung seiner - des Stpfl. - Wohnung gegeben. Die Erweiterung erfolgte in der Form eines Anbaues, bestehend aus einem Wohnzimmer, einem Büroraum und einer Veranda. Der Magistrat der Stadt (Stadtbauamt) hat bescheinigt, daß die angebauten Räume den Bestimmungen der §§ 10 und 11 der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen vom 23. Juli 1940 (WGGDV) entsprechen.

Das Finanzamt hat die Gewährung der Steuervergünstigung des § 7 c des Einkommensteuergesetzes (EStG) für das Darlehen abgelehnt, weil diese Vorschrift im Falle der Erweiterung einer bestehenden Wohnung nicht Platz greife.

Hiergegen hat der Stpfl. eingewendet, daß er den Nachweis für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 c EStG durch die Bescheinigung des Stadtbauamtes erbracht habe. An diese Bescheinigung seien die Finanzbehörden gebunden. Im übrigen sei nach dem Wortlaut des Gesetzes die Steuervergünstigung nicht daran geknüpft, daß es sich um den Bau geschlossener Wohnungen handeln müsse. Schließlich sei es unschädlich, wenn er einen der neuen Räume als Büro benutze.

Die Sprungberufung des Stpfl. hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht hat die bindende Wirkung der Bescheinigung abgelehnt. Es vertritt im übrigen die Auffassung, daß auch die Vergrößerung von Wohnungen in die Steuervergünstigung einzubeziehen sei, vorausgesetzt, daß die ganze vergrößerte Wohnung nach Größe, Ausstattung und Miete den Anforderungen der WGGDV entsprechen. Das Erste Wohnungsbaugesetz vom 24. April 1950 (Bundesgesetzblatt - BGBl. - 1950 S. 83) erstreckte seine Anwendbarkeit ausdrücklich auch auf einzelne Wohnräume (ß 28). Die rechtliche Entwicklung gehe also dahin, den sozialen Wohnungsbau schlechthin zu fördern, ohne die Errichtung völlig neuer Wohnungen zur Voraussetzung zu machen. Die Wohnung erfülle auch nach ihrer Vergrößerung die Voraussetzungen der WGGDV. Daher sei § 7 c im Streitfalle grundsätzlich anzuwenden. Unter Hinweis auf das Urteil des erkennenden Senats IV 103/52 U vom 11. November 1952 (Bundessteuerblatt - BStBl. - 1953 III S. 9) hat jedoch das Finanzgericht die Gewährung der Steuervergünstigung für das Darlehen insoweit versagt, als es zur Erteilung des als Büro benutzten Raumes verwendet wurde.

Der Vorsteher des Finanzamts hält an seiner im Veranlagungsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest, daß die Steuervergünstigung des § 7 c EStG 1950 sich nicht auf die Erweiterung einer bestehenden Wohnung bezieht.

Der Stpfl. verlangt die Anerkennung der Steuervergünstigung für das Darlehen in vollem Umfange, d. h. unter Einbeziehung des Büroraumes. Er besteht darauf, daß die Bescheinigung als für die Finanzbehörden und Steuergerichte bindend anzuerkennen sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rechtsbeschwerde (Rb.) ergab folgendes:

Die Auffassung des Stpfl., daß die von ihm vorgelegte Bescheinigung des Stadtbauamtes über die Erfüllung der Bestimmungen der WGGDV für die Finanzbehörden und Finanzgerichte bindend sei, ist rechtsirrig. In dem Urteil II 201/51 S vom 2. November 1951 (BStBl. III S. 234) hat der II. Senat des Bundesfinanzhofs ausgesprochen, daß eine nach § 29 Abs. 2 des Reichssiedlungsgesetzes abgegebene Versicherung die Finanzbehörden nur in tatsächlicher, nicht auch in rechtlicher Hinsicht bindet. Es mag dahingestellt bleiben, ob sich der erkennende Senat für die im § 7 c EStG geforderte Bescheinigung dem Urteil des II. Senats anschließt oder ob nicht die Auffassung vertreten werden muß, daß von den Finanzbehörden und Finanzgerichten ein Nachprüfungsrecht auch in tatsächlicher Hinsicht in Anspruch genommen werden kann. Im Streitfall wird, worauf das Finanzgericht zutreffend hingewiesen hat, nicht um die Anerkennung der tatsächlichen Verhältnisse, nämlich Miete, Ausstattung und Größe der bisherigen Wohnung und der angebauten Räume gestritten. Die Vorbehörden haben diese von der Bescheinigung erfaßten tatsächlichen Verhältnisse voll anerkannt. Gestritten wird nur um die steuerliche Auswirkung der in der Bescheinigung enthaltenen tatsächlichen Feststellungen. Es würde, wie das oben angeführte Urteil des II. Senats zutreffend ausgeführt hat, dem Sinn und Zweck des Steuerrechts und des steuerlichen Verfahrens widersprechen, wenn der Staat die rechtliche Würdigung von Tatbeständen nicht den Behörden übertragen wollte, die für diesen Zweck geschaffen und deren Beamte für die Erfüllung dieses Zweckes ausgebildet sind. Der I. Senat des Bundesfinanzhofs hat in dem Urteil I 103/52 vom 11. November 1952 (BStBl. 1953 III S. 9), in dem es sich nicht nur um eine Bescheinigung gemäß § 7 c EStG, sondern auch um eine gutachtliche äußerung tatsächlicher Art handelte, die Auffassung vertreten, daß gutachtliche äußerungen die Steuerbehörden nicht von ihrem Recht und ihrer Pflicht entbinden, die endgültige Entscheidung selbst zu treffen. Vgl. auch das zur Veröffentlichen bestimmte Urteil III 78/51 U vom 14. August 1953.

Der in der Anlage 3 zu den Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) II/1948 und 1949 aufgeführte Erlaß des Bundesministers der Finanzen III S 2132 c - 1/49 vom 17. November 1949 steht der hier vertretenen Auffassung nicht entgegen ("eine Nachprüfung erfolgt in der Regel nicht"), ganz abgesehen davon, daß er als Verwaltungsanordnung für die Steuergerichte nicht bindend ist. Die Finanzbehörden hatten schon deshalb keinen Anlaß, den Widerruf der Bescheinigung zu veranlassen, da sie die in ihnen enthaltenen tatsächlichen Feststellungen als richtig anerkannt haben.

Es mag zutreffen, daß dem Stpfl. die Punkte, in denen eine wesentliche Abweichung zu seinen Ungunsten in Frage kam, zur vorherigen äußerung nicht mitgeteilt worden sind (ß 205 Abs. 3 der Reichsabgabenordnung - AO -). Für das schwebende Rechtsmittelverfahren ist diese das Veranlagungsverfahren betreffende Vorschrift nicht von Bedeutung, da dem Bf. die ablehnende Haltung des Finanzamts bekannt war, wie aus seiner Berufungsbegründung hervorgeht.

Hiernach ist die Vorentscheidung, soweit sie die Bescheinigung gemäß § 7 c EStG betrifft, nicht zu beanstanden.

Die Steuervergünstigung des § 7 c EStG setzt voraus, daß die unverzinslichen Darlehen und Zuschüsse "zur Förderung des Wohnungsbaues" gegeben werden. Nach dem Wortlaut und dem wirtschaftspolitischen sowie steuerpolitischen Zweck dieser Gesetzesvorschrift kann es sich nur um den Bau neuer Wohnungen mit den nach der Verkehrsauffassung üblichen Nebenräumen handeln. Hierunter sind auch Wohnungen zu verstehen, die zerstört oder unbewohnbar waren und mit Hilfe der unverzinslichen Darlehen und Zuschüsse wieder aufgebaut werden. Immer aber muß es sich um die Herstellung ganzer Wohnungen handeln. Wegen des Begriffs "Wohnung" wird auch auf das Urteil III 225/52 S vom 12. Juni 1953 (BStBl. III 2. 229) verwiesen. Die Verwendung von Zuschüssen und unverzinslichen Darlehen zu Anbauten zwecks Vergrößerung bereits vorhandener Wohnungen genügt also nicht. Siehe auch EStR 1950, Abschn. 74 b Abs. 1 1, sowie Blümich-Falk, EStG, 6. Aufl., Anm. 2 zu § 7 c EStG und Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 3. Aufl., Anm. 2 b zu § 7 c EStG. Die Anwendung der Gesetzesvorschrift auf einzelne Räume widerspricht dem gesetzgeberischen Willen auch dann, wenn die durch die angebauten Räume vergrößerte Wohnung den Bestimmungen der WGGDV entspricht; denn auch in diesem Falle sind mit Hilfe der zur Verfügung gestellten Gelder nicht eine "Wohnung", sondern nur einzelne Räume erstellt worden. Dem Finanzgericht kann auch insoweit nicht gefolgt werden, als es unter Berufung auf § 28 des Ersten Wohnungsbaugesetzes ausführt, daß die rechtliche Entwicklung dahingehe, den sozialen Wohnungsbau schlechthin zu fördern. Das mag für die Wohnungsbaugesetzgebung zutreffen, die im § 28 des Ersten Wohnungsbaugesetzes bestimmt hat, daß die in diesem Gesetz für Wohnungen getroffenen Vorschriften auch für einzelne Räume gelten. Eine entsprechende Erweiterungsvorschrift enthält jedoch das EStG nicht. Man kann im übrigen auch die gegenteilige Auffassung vertreten und aus dem § 28 des Ersten Wohnungsbaugesetzes schließen, daß es erst dieser Vorschrift bedurfte, um das Gesetz auf einzelne Wohnräume anwenden zu können. Ebenso spricht § 7 b Abs. 2 EStG dafür, daß Zubauten einen besonderen Charakter haben und daß die Erstreckung gesetzlicher Vorschriften auf sie eines besonderen Gesetzesbefehls bedarf.

Da bereits hiernach die Anwendung des § 7 c EStG auf das von dem Stpfl. gewährte Darlehen abzulehnen ist, bedarf es keines Eingehens mehr auf die Frage, ob auch die Benutzung eines der erstellten Räume als Büro der Gewährung der Steuervergünstigung entgegensteht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 424185

BStBl III 1953, 358

BFHE 1954, 172

BFHE 58, 172

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge