Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Unselbständigkeit einer hauptsächlich im Interesse einer anderen Firma ins Leben gerufenen Produktionsgesellschaft braucht nicht daran zu scheitern, daß sie einen Teil ihrer Erzeugnisse auf dem freien Markt absetzt. Der Fremdanteil ihres Absatzes darf aber, wenn die für die wirtschaftliche Eingliederung gebotene enge wirtschaftliche Verflechtung mit der anderen Firma erhalten bleiben soll, im Durchschnitt der Jahre nicht überwiegen.

 

Normenkette

UStG § 2 Abs. 2 Ziff. 1; UStG § 2 Abs. 2 Ziff. 2; UStDB § 17 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Bfin., eine aus dem Kaufmann K. jun. und dessen Buchhalterin S. als persönlich haftende Gesellschafter und dessen Vater, dem Kaufmann K. sen., als Kommanditist bestehende Kommanditgesellschaft, stellt .... her. Sie war Anfang 1955 von dem Gesellschafter K. jun. (im folgenden K.) ins Leben gerufen worden, um den Bedarf an .... in seiner als Einzelunternehmen betriebenen ....fabrik zu decken. Sie hat in den Jahren nach ihrer Gründung die ....fabrik zu Vorzugspreisen mit .... versorgt, da sie hierdurch aber nicht ausgelastet war, in erheblichem Umfang .... auch an andere Abnehmer geliefert. Das Verhältnis der ....lieferungen der Bfin. an K. zum Gesamtumsatz der Bfin. betrug in den Jahren 1955 bis 1960 bei Zugrundelegung der von den Abnehmern tatsächlich entrichteten Preise 46,9 v. H., 33,7 v. H., 23,1 v. H., 21,4 v. H., 24,6 v. H. und 34,8 v. H., bei Umrechnung der K. eingeräumten Vorzugspreise in Normalpreise nach den Angaben der Bfin. 55,7 v. H. 38,9 v. H., 27 v. H., 25,4 v. H. 30,7 v. H. und 40,1 v. H. Streitig ist, ob die Lieferungen der Bfin. an K. in den Veranlagungszeiträumen 1955 und 1956 der Umsatzsteuer unterliegen oder wegen Unselbständigkeit der Bfin. im Sinne des § 2 Abs. 2 Ziff. 1 UStG nicht steuerbar sind.

Das Finanzamt zog die Bfin. mit den streitigen Umsätzen mit 4 v. H. zur Umsatzsteuer heran. Einspruch und Berufung blieben erfolglos. Das Finanzgericht hat angenommen, daß die Bfin. selbständig tätig wird, weil sie infolge ihrer umfangreichen ....lieferungen an dritte Abnehmer nicht als wirtschaftlich in das Unternehmen des K. eingegliedert angesehen werden könne.

Hiergegen richtet sich die Rb. der Bfin. Mit ihr wird beanstandet, daß das Finanzgericht die Frage der wirtschaftlichen Eingliederung allein nach dem Verhältnis der von K. bewirkten zu den gesamten Warenlieferungen der Bfin. beurteilt habe. Das Finanzgericht hätte - ggf. nach weiterer Sachaufklärung - eine Reihe anderer Merkmale für die wirtschaftliche Eingliederung (insbesondere Einkauf, Verwaltung, Finanzierung, Unternehmensleitung, Benutzung derselben Büroräume, Büroeinrichtungen und Arbeitskräfte) berücksichtigen müssen. Bei Einbeziehung dieser Faktoren und der Entstehungsgeschichte der Bfin. in die Untersuchungen könne die wirtschaftliche Eingliederung der Bfin. in das Einzelunternehmen des K nicht zweifelhaft sein. Die verschiedene wirtschaftliche Ausrichtung zweier Betriebe schließe ihre wirtschaftliche Verflechtung nicht aus. Entscheidend sei, daß die Bfin. gegenüber K. einen eigenen Willen nicht bilden könne.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. hat keinen Erfolg.

Mit Recht hat das Finanzgericht das Vorliegen einer Unternehmereinheit (mangels Beteiligung der gleichen Personen an den beiden Firmen) und einer Organschaft (wegen Fehlens der Eigenschaft einer juristischen Person bei der Bfin.) verneint. Zutreffend ist das Finanzgericht ferner davon ausgegangen, daß für die Frage der Unselbständigkeit einer Personengesellschaft die für die juristischen Personen geltenden Grundsätze des § 2 Abs. 2 Ziff. 2 UStG und des § 17 Abs. 2 UStDB alter Fassung (finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung) entsprechend anzuwenden sind (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs V 47/56 U vom 23. Juli 1959, BStBl 1959 III S. 394, Slg. Bd. 69 S. 356). Da das Finanzgericht das Bestehen einer Eingliederung in finanzieller und organisatorischer Hinsicht ohne Rechtsirrtum angenommen hat, bleibt nur zu prüfen, ob auch eine wirtschaftliche Eingliederung vorliegt.

Eine wirtschaftliche Eingliederung ist anzunehmen, wenn die in Betracht kommenden handelsrechtlich verselbständigten Gebilde eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Es ist der Bfin. gegenüber einzuräumen, daß ihre Entstehungsgeschichte und die Tatsache, daß sie den gesamten ...bedarf des Unternehmens der K. deckt, für einen gewissen betriebswirtschaftlichen Zusammenhang der Firmen und eine Ergänzung der Firma K. durch die Bfin. sprechen. Die Bfin. ist unstreitig gegründet worden, um im Einzelunternehmen des K. Kosten zu sparen und eine reibungslose Beschaffung der ... sicherzustellen. Da der Bedarf des K. aber nicht ausreichte, um die für die Produktion von ... notwendigen großen Maschinenaggregate gewinnbringend auszunutzen, mußte die Bfin. den Abnehmerkreis ausweiten und die ... auch auf freien Markt verkaufen. Insoweit ist eine wirtschaftliche Förderung des Einzelunternehmens des K. durch die Bfin. und eine enge wirtschaftliche Verknüpfung beider Firmen nicht feststellbar. Nun ist es zwar zur Annahme der Unselbständigkeit einer Personengesellschaft nicht erforderlich, daß alle drei für den Begriff des organschaftsähnlichen Verhältnisses wesentlichen Merkmale (finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung) gleichermaßen vorliegen. Nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse kann sich die Unselbständigkeit eines Betriebes auch dann ergeben, wenn die Eingliederung auf einem dieser drei Gebiete nicht vollkommen ist. Die Unselbständigkeit einer hauptsächlich im Interesse einer anderen Firma ins Leben gerufenen Produktionsfirma braucht daher nicht daran zu scheitern, daß sie einen Teil ihrer Erzeugnisse auf dem freien Markt absetzt. Der Fremdanteil ihres Absatzes darf aber, wenn die für die wirtschaftliche Eingliederung gebotene enge wirtschaftliche Verflechtung mit der anderen Firma erhalten bleiben soll, im Durchschnitt der Jahre nicht überwiegen. Der Senat hat schon in seinem Urteil V 176/55 U vom 23. Juli 1959 (BStBl 1959 III S. 376, Slg. Bd. 69 S. 307) hervorgehoben, der Umstand, daß überwiegend Leistungen für andere Kunden ausgeführt werden, könnte der Annahme einer wirtschaftlichen Eingliederung entgegenstehen (ähnlich Urteil des Bundesfinanzhofs V 42/60 vom 26. Juli 1962, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Umsatzsteuergesetz, § 2 Abs. 2 Ziff. 1, Rechtsspruch 22).

Dieser Fall ist hier gegeben. Die Einnahmen der Bfin. aus Umsätzen an fremde Abnehmer überstiegen in allen Jahren ihre Einnahmen aus den Umsätzen an K. Mengenmäßig machten ihre Lieferungen an K. nur im Anfangsjahr 1955 mehr als 50 v. H. ihres Gesamtumsatzes aus. In den folgenden Jahren überwog der mengenmäßige Fremdumsatz, zum Teil sogar erheblich. Im ganzen gesehen lag das Schwergewicht der wirtschaftlichen Betätigung der Bfin. im Absatz ihrer Produktion an Dritte. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz wegen des im Durchschnitt der Jahre niedrigen Anteils der Lieferungen der Bfin. an K. im Verhältnis zu ihrem Gesamtumsatz das Vorliegen einer wirtschaftlichen Eingliederung der Bfin. in das Unternehmen des K. verneint hat.

Die von der Bfin. in der Rechtsbeschwerdebegründung vorgetragenen Einwendungen gegen die Vorentscheidung vermögen an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Zur Entstehungsgeschichte und zum ...einkauf durch K. wurde schon oben Stellung genommen. Die anderen von der Bfin. angeführten Faktoren betreffen nicht die wirtschaftliche, sondern die finanzielle und organisatorische Eingliederung der Bfin. in das Unternehmen des K., die vom Finanzgericht als gegeben unterstellt worden ist. Diese Merkmale können nicht nochmals zum Beweise der wirtschaftlichen Eingliederung ins Feld geführt werden. In dem von der Bfin. angezogenen Urteil des Reichsfinanzhofs V 25/39 vom 13. Dezember 1940 (RStBl 1941 S. 320) ergab sich die wirtschaftliche Beherrschung der einen Gesellschaft durch die andere dadurch, daß sie deren wirtschaftlichen Hauptzweck (Verwaltung des Vermögens der Gesellschafter) zu dienen bestimmt war und auch tatsächlich diente. Gerade hieran aber fehlt es, soweit ...lieferungen an fremde Abnehmer bewirkt werden, im Streitfalle. Der Hinweis der Bfin., Unselbständigkeit liege vor, wenn die beherrschte Firma keinen eigenen Willen bilden könne, sondern dem Willen der herrschenden Firma untergeordnet sei, trifft zu. Wann eine solche Unterordnung vorliegt, bestimmt aber § 17 Abs. 2 UStDB (in der für 1955 und 1956 geltenden Fassung), der nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse eine Eingliederung in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht verlangt.

Die Rb. war daher als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

BStBl III 1964, 539

BFHE 1965, 181

BFHE 80, 181

StRK, UStG:2/2/1 R 29

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