Leitsatz (amtlich)

1. Überläßt ein freier Erfinder gegen Lizenzzahlung die Herstellung des erfundenen Gegenstandes einer von ihm beherrschten Kapitalgesellschaft, von der eine Personengesellschaft, an der er beteiligt ist, die Erzeugnisse erwirbt und dann vertreibt, so liegt keine die Vergünstigung nach § 4 Nr. 3 ErfVO ausschließende Verwertung im eigenen Betrieb vor.

2. Beim Zusammentreffen der Steuervergünstigungen des § 34 Abs. 1 EStG und des § 4 Nr. 3 ErfVO ist bei Anwendung der ErfVO als "Steuer, die für das gesamte Einkommen nach der Einkommensteuertabelle festzusetzen wäre", die sich nach dem EStG unter Berücksichtigung des § 34 Abs. 1 EStG ergebende tarifliche Steuer anzusetzen.

 

Normenkette

ErfVO § 4 Nr. 3, § 5; EStG 1960 § 34 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Revisionskläger sind die zur Einkommensteuer zusammenveranlagten Eheleute H (Steuerpflichtige). Sie erklärten für das Streitjahr 1961 unter anderem Einkünfte des Ehemannes aus selbständiger Arbeit, die aus der Vergabe von Lizenzen stammten und für die sie die steuerliche Vergünstigung des § 4 Nr. 3 der Verordnung über die einkommensteuerliche Behandlung der freien Erfinder vom 30. Mai 1951 - ErfVO - (BGBl I 1951, 387, BStBl I 1951, 181) beantragten. Der Steuerpflichtige hatte als volkswirtschaftlich wertvoll anerkannte Erfindungen gemacht und diese einer GmbH, an der er wesentlich beteiligt war, zur Verfügung gestellt. Die GmbH stellte die patentierten Gegenstände her. Diese wurden vertrieben von der X-KG, an der der Steuerpflichtige als Komplementär mit einem Gewinnanteil von 50 % beteiligt war und von der er ein jährliches Geschäftsführergehalt erhielt, und der Y-KG, an der der Steuerpflichtige als Kommanditist mit einem Gewinnanteil von 50 % beteiligt war. Diese Vertriebsfirmen waren vertraglich verpflichtet, die gesamte Produktion der GmbH abzunehmen, sie hatten das Recht zum alleinigen Verkauf.

Das FA gewährte die Vergünstigung nicht, weil es der Ansicht war, der Steuerpflichtige verwerte die Patente im eigenen gewerblichen Betrieb, nämlich in den Vertriebsgesellschaften, an denen er als Mitunternehmer beteiligt sei.

Während des vom steuerpflichtigen Ehemann wegen der Versagung der Vergünstigung betriebenen Sprungberufungsverfahrens beantragte das FA aufgrund einer Betriebsprüfung aus hier nicht streitigen Gründen eine Erhöhung des Einkommens.

Zur Begründung seiner Berufung trug der Steuerpflichtige vor, die beiden Vertriebsgesellschaften vertrieben im Großhandel nicht nur die Erzeugnisse der GmbH, sondern auch solche anderer Hersteller. Sie seien errichtet worden, um die GmbH von den Verkaufsaufgaben zu entlasten und auch andere Erzeugnisse verkaufen zu können. Einige von der GmbH hergestellte Gegenstände stünden sich auf dem Markt als Konkurrenzerzeugnisse gegenüber, so daß auch aus diesem Grunde die GmbH den Handel mit dem Letztverbraucher nicht habe übernehmen können. Mit Herstellung der Erzeugnisse durch die GmbH sei die Verwertung der Patente abgeschlossen. Auf den Absatz komme es nicht mehr an. Nach einem Erlaß der Finanzverwaltung liege auch dann noch eine Auswertung der Erfindung in einem dem Erfinder fremden Betrieb vor, wenn er Mitunternehmer einer Personengesellschaft sei, die ihrerseits Organträger für eine Kapitalgesellschaft sei und die Kapitalgesellschaft mit der Auswertung der Erfindung beauftragt habe. Dabei solle es unerheblich sein, ob zwischen Organträger und Organ ein steuerlich anzuerkennender Ergebnisabführungsvertrag geschlossen worden sei.

Das FG wies die Berufung als unbegründet zurück. Es erhöhte dabei die Steuer aufgrund der Ergebnisse der erwähnten Betriebsprüfung.

Zur Begründung führte das FG aus, unter Verwertung der Erfindung seien alle Handlungen, die nach dem Patentgesetz allein vom Patentinhaber vorgenommen werden könnten, zu verstehen. Er sei befugt, den Gegenstand der Erfindung gewerbsmäßig herzustellen, ihn in Verkehr zu bringen, feilzuhalten oder zu gebrauchen (§ 6 des Patentgesetzes). Eine beschränkte oder unbeschränkte Übertragung dieser Rechte sei möglich. Die Ermäßigung der Einkommensteuer hänge davon ab, daß der Patentinhaber auf die Ausübung sämtlicher Rechte aus dem Patent verzichtet habe. Eine teilweise Übertragung der Rechte genüge nicht. Unter Verwertung im eigenen Betrieb sei auch die Verwertung in einer Personengesellschaft zu verstehen, bei der der Erfinder als Mitunternehmer tätig sei. Anders sei es bei Kapitalgesellschaften, die von der Rechtsordnung als selbständige juristische Personen angesehen würden. Es komme darauf an, ob der Erfinder aus der Verwertung der Erfindung Einkünfte aus selbständiger Arbeit oder aus Gewerbebetrieb erziele. Hier stehe die Übertragung der Herstellung auf die GmbH einer Ermäßigung der Einkommensteuer nicht im Wege, obschon der Steuerpflichtige an der GmbH wesentlich beteiligt sei. Die Verwertung der Patente sei jedoch mit der Herstellung der Gegenstände durch die GmbH nicht abgeschlossen gewesen. Sie sei in den beiden Vertriebsgesellschaften, an denen der Steuerpflichtige beteiligt gewesen sei, fortgesetzt worden. Darauf, daß die beiden Gesellschaften auch andere Erzeugnisse als die der GmbH verkauft hätten, komme es nicht an. Sie hätten sich der GmbH gegenüber verpflichtet, deren gesamte Produktion abzunehmen, und dafür das Alleinverkaufsrecht eingeräumt erhalten. Die GmbH könne also nicht an andere Firmen liefern. Der Steuerpflichtige habe im Grunde einen fremden Betrieb damit beauftragt, die Gegenstände herzustellen und an ihn zum ausschließlichen Verkauf zu liefern. Ein wirtschaftlicher Erfolg könne nur erreicht werden, wenn die patentierten Gegenstände auch an den Letztverbraucher abgesetzt würden. Diese entscheidende Handlung für den wirtschaftlichen Erfolg nehme der Steuerpflichtige jedoch in seinem eigenen Betrieb vor. Aus welchen Gründen diese Gestaltung gewählt worden sei, sei unerheblich. Auch könne dahingestellt bleiben, ob sich aus dem vom Steuerpflichtigen angeführten Verwaltungserlaß etwas anderes ergeben würde.

Gegen dieses Urteil legten die steuerpflichtigen Eheleute Rechtsbeschwerde - jetzt Revision - ein, mit der sie auch weiterhin die Gewährung der Tarifvergünstigungen nach der ErfVO erstreben.

Sie machen geltend, wie sich aus den Steuerakten ergebe, sei die Feststellung des FG, daß sich "einige" von der GmbH hergestellte Werkzeuge auf dem Markt als Konkurrenzerzeugnisse gegenüberstünden, unrichtig. Vielmehr würden nur zwei Gruppen von Artikeln hergestellt, die als auf dem Markt konkurrierende Artikel anzusehen seien und die jeweils nur einer der beiden Vertriebsgesellschaften überlassen würden. Diese Gesellschaften seien Großhandelsunternehmen. Wenn die GmbH an sie ausgeliefert habe, und zwar zu Großhandelspreisen, unter Erzielung eines beträchtlichen Gewinns und unter Zahlung von Umsatzsteuer, sei die Verwertung in der üblichen Weise (Auslieferung an den Großhandel zum weiteren Vertrieb) abgeschlossen. Damit sei auch der wirtschaftliche Erfolg für den Erfinder eingetreten und nicht erst mit der Weiterveräußerung an den Letztverbraucher. Aus dem Urteil des BFH IV 98/58 U vom 14. Januar 1960 (BFH 70, 504, BStBl III 1960, 189) ergebe sich, daß unter "Verwertung" nicht die wirtschaftliche Verwertung, sondern nur die mechanisch-technische Verwertung zu verstehen sei, die nur die GmbH vornehme, die übrigens auch allein das Unternehmerrisiko trage. Auch in dem BFH-Urteil I R 163/67 vom 20. November 1969 (BFH 97, 369, BStBl II 1970, 187) sei angenommen worden, für die Verwertung im eigenen gewerblichen Betrieb des Erfinders genüge die Herstellung oder Bearbeitung von Wirtschaftsgütern nach der durch ein Patent geschützten Erfindung. Daß auch der Vertrieb der Wirtschaftsgüter im Rahmen des eigenen gewerblichen Betriebs des Erfinders erfolge, sei nicht erforderlich. Die Ansicht des FG, es komme darauf an, ob der Erfinder bei der Verwertung Einkünfte aus selbständiger Arbeit oder aus Gewerbebetrieb erziele, sei unrichtig (vgl. BFH-Urteil IV 98/58 U). Es sei noch zu bemerken, daß die Vertriebsgesellschaften nicht die ganze Produktion der GmbH übernähmen, wie es das FG dargestellt habe; der für den Export bestimmte Teil werde nicht von den Vertriebsfirmen übernommen, darüber hinaus würden von der GmbH alle rundlaufenden Werkzeuge in eigener Regie vertrieben. Im übrigen habe das BVerfG durch Beschluß vom 30. Januar 1968 (BStBl II 1968, 296) die Ermächtigungsnorm zum Erlaß der Erfinderverordnung für verfassungswidrig erklärt. Daher seien nunmehr auch die Bestimmungen über die Erfindervergütung rechtsunwirksam und sei die alte Regelung durch Erlaß des RdF vom 11. September 1944 (RStBl 1944, 586) weiterhin in Kraft, nach der der Vergünstigung die Verwertung im eigenen gewerblichen Betrieb nicht entgegenstehe.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die als Revision zu behandelnde Rechtsbeschwerde ist begründet.

1. Für die Frage, ob die Begünstigung zu gewähren ist, kommt allein die durch Art. 3 § 1 des Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 20. Februar 1969 (BGBl I 1969, 141, BStBl I 1969, 116) mit Rückwirkung zum Gesetz erhobene ErfVO in Betracht. Gegen die Rückwirkung bestehen keine Bedenken; der von den Steuerpflichtigen erwähnte Erlaß des RdF vom 11. September 1944 war nicht mehr anwendbar (vgl. die Urteile des Senats IV 304/65 vom 11. September 1969, BFH 98, 141, BStBl II 1970, 306, und IV R 110/68 vom 5. Dezember 1968, BFH 94, 246, BStBl II 1969, 136, und des I. Senats des BFH I R 163/67 vom 20. November 1969, BFH 97, 369, BStBl II 1970, 187).

2. Die ErfVO gewährt den Erfindern unter gewissen Voraussetzungen (§ 3 ErfVO), deren Vorliegen hier nicht streitig ist, auf dem Gebiet der Einkommensteuer Erleichterungen. Ein Teil dieser Erleichterungen (§ 4 Nr. 1 und 2 ErfVO) steht den Erfindern unabhängig von der Art der Verwertung der Erfindung zu. Die hier streitige Erleichterung des § 4 Nr. 3 ErfVO wird dagegen nur gewährt, falls "die Erfindung nicht im eigenen gewerblichen Betrieb verwertet" wird, wie es in den Eingangsworten des § 4 ErfVO heißt; sie ist umgekehrt zu versagen, wenn, wie in § 5 Satz 1 ErfVO etwas eingehender definiert ist, "die Erfindung im eigenen gewerblichen Betrieb des Erfinders oder in einem gewerblichen Betrieb verwertet [wird], an dem der Erfinder als Mitunternehmer beteiligt ist".

3. Für die somit entscheidende Abgrenzung der Verwertung im eigenen von der im fremden Betrieb kommt es - entgegen der Ansicht des FG, aus der es jedoch keine erkennbaren Folgerungen gezogen hat - nicht darauf an, ob die Einkünfte aus der Erfindung im konkreten Falle solche aus Gewerbebetrieb oder aus selbständiger Arbeit sind (vgl. das Urteil des Senats IV R 78/66 vom 29. Januar 1970, BFH 98, 176, BStBl II 1970, 319). Es ist durchaus denkbar, daß ein Gewerbetreibender durch Vergabe von Lizenzen auf Patente, die zu seinem Betriebsvermögen gehören, gewerbliche Einkünfte erzielt, ohne daß er in irgendeiner Form an der "Verwertung" des Patents beteiligt ist.

Unter Verwertung kann vielmehr nur die unmittelbare Nutzbarmachung des Patents verstanden werden, wobei in der Rechtsprechung die in dem BFH-Urteil IV 98/58 U offengelassene Frage noch nicht entschieden ist, ob darunter die "technisch-mechanische" oder die "wirtschaftliche" Verwertung zu verstehen ist. Insbesondere zu der Frage, ob die Erfindung im eigenen Betrieb des Erfinders verwertet wird, wenn der erfundene Gegenstand in einem fremden Betrieb hergestellt, aber vom Erfinder vertrieben wird, ist höchstrichterlich noch nicht eingehend Stellung genommen worden.

4. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Tarifermäßigung ausgeschlossen ist, wenn Herstellung und Vertrieb in den Händen des Erfinders liegen.

Der I. Senat des BFH hat in dem erwähnten Urteil I R 163/67 entschieden, daß es für den Ausschluß der Vergünstigung genüge, daß der Erfinder den Gegenstand selbst herstelle, auch wenn er den Vertrieb einem anderen überlasse. Dem stimmt der Senat zu, und zwar aus folgenden Erwägungen.

Wie sich aus der amtlichen Begründung zum Entwurf der ErfVO (Bundesrats-Drucksache 136/51 S. 3 zu § 5) ergibt, war der Verordnungsgeber grundsätzlich nicht abgeneigt, auch solchen Erfindern die Vergünstigung zu gewähren, die den patentierten Gegenstand selbst herstellen. Er war jedoch der Ansicht, daß eine solche Regelung in der Praxis zu Schwierigkeiten führen würde, die für die Finanzverwaltung nicht lösbar seien. In der amtlichen Begründung heißt es, die Gewährung der Vergünstigung scheitere "an der Unmöglichkeit, eine befriedigende Trennung des Gewinns aus der Verwertung der Erfindung von anderen Gewinnen des Gewerbebetriebs zu finden. Jedes aufgrund der Erfindung hergestellte Wirtschaftsgut enthält Gewinne aus der Verwertung der zu begünstigenden Erfindung und normalen Produktionsgewinn. Das richtige Verhältnis kann weder aufgrund von Kalkulationsunterlagen noch durch Vergleich mit den Lizenzgebühren bei einer Überlassung gleichartiger Erfindungen zur Verwertung mit einiger Sicherheit festgestellt werden". Diese Schwierigkeiten bestehen aber schon, wenn der Erfinder das Produkt herstellt, ohne es selbst zu vertreiben.

5. Der I. Senat hatte in dem genannten Urteil nicht den umgekehrten Fall zu entscheiden, daß die Herstellung in einem fremden Betrieb, der Vertrieb dagegen durch den Erfinder selbst erfolgte. Die in dem Urteil gebrauchten Worte, es komme "für die Verwertung im eigenen gewerblichen Betrieb allein auf die Herstellung, nicht auch auf den Vertrieb der unter Ausnutzung der Erfindung hergestellten Wirtschaftsgüter an", sind insofern mißverständlich. Es könnte durchaus sein - und das allein hatte der I. Senat zu entscheiden -, daß für die Verwertung im eigenen Betrieb die Herstellung genügt, der Vertrieb also nicht hinzuzukommen braucht, während damit noch nicht entschieden ist, ob nicht auch der Vertrieb allein eine Form der Verwertung im Sinn der Verordnung ist und daher die Vergünstigung ausschließt, wenn ihn der Erfinder selbst durchführt.

6. Die Literatur steht einhellig auf dem Standpunkt, daß die Überlassung des Patents zur gesamten, Herstellung und Vertrieb umfassenden Auswertung an eine, eventuell eigens dafür gegründete, vom Erfinder beherrschte oder sogar allein von ihm gehaltene Kapitalgesellschaft gegen Zahlung von Lizenzgebühren eine Verwertung in einem fremden Betrieb darstelle (Biedermann, Rechts- und Wirtschaftspraxis, 14 D Einkommensteuer II B 18 S. 50; Knoppe, Die Besteuerung der Lizenzund Know-How-Verträge, S. 91; Kröger, Forschungskosten, Erfindungen, Lizenzen und Know-how im Steuerrecht, S. 56; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 9. Aufl., § 18 Tz. 81; Lohmeyer, StuW 1966 S. 713; Ringleb, NWB F 3 S. 1457, 2340; Rosenau, BB 1964 S. 1211; Schmitz-Sinn, die einkommensteuerliche Behandlung der freien Erfinder, S. 64; Tullius, Steuerwarte 1960 S. 48). Ebenso fast einmütig wird dagegen die Ansicht vertreten, daß eine Verwertung im eigenen Betrieb vorliege, wenn der Kapitalgesellschaft lediglich die Produktion, dem Erfinder dagegen der Absatz obliegt (Biedermann, a. a. O., S. 53; Knoppe, a. a. O., S. 93; Kröger, a. a. O., S. 56; Schmitz-Sinn, a. a. O., S. 68; Tullius, a. a. O. Diese Ansicht wird auch vom BdF in einem Einzelbescheid vertreten, wobei er indessen von der rechtsirrigen Auffassung ausging, bei Vorliegen gewerblicher Einkünfte sei § 4 ErfVO schon deswegen nicht anwendbar). Anderer Ansicht sind, soweit ersichtlich, nur Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 15 EStG, Anm. 21a S. E 89.

a) Die Ansicht, die völlige Überlassung der Auswertung an eine vom Erfinder beherrschte Kapitalgesellschaft stelle die Verwertung in einem fremden Betrieb dar, ist nicht völlig frei von Bedenken. Denn die von der Kapitalgesellschaft gezahlten Lizenzgebühren können nicht nur eine den Wert des Patents entsprechende Abgeltung darstellen, sondern einen Unternehmergewinn mitenthalten, also insoweit eine schwer festsellbare verdeckte Gewinnausschüttung beinhalten (vgl. Seithel, FR 1967 S. 290), so daß die nach der amtlichen Begründung befürchteten Abgrenzungsschwierigkeiten auch hier vorliegen könnten. Es erscheint jedoch angesichts der Ausführungen in der amtlichen Begründung kaum wahrscheinlich, daß Schwierigkeiten dieser Art ins Auge gefaßt waren, zumal die Feststellung einer verdeckten Gewinnausschüttung weniger schwierig sein dürfte als die Ausscheidung der durch die Erfindung erzielten Gewinne aus dem Gesamtgewinn eines Betriebes. Die Ansicht der Literatur findet aber auch ihre Bestätigung in dem allgemeinen Gedanken, den der Verordnungsgeber kaum durchbrechen wollte, daß eine Kapitalgesellschaft als juristische Person eigene Rechtspersönlichkeit hat, die - falls dem nicht steuerlich zu berücksichtigende wirtschaftliche Gesichtspunkte eindeutig entgegenstehen - zu beachten ist. Sie wird auch durch die Verordnung selbst gestützt, die in § 5 ausdrücklich die Verwertung in einer Personengesellschaft, an der der Erfinder als Mitunternehmer beteiligt ist, für schädlich erklärt, wohingegen sie die Verwertung in einer Kapitalgesellschaft nicht erwähnt. Es kommt noch hinzu, daß es dem Verordnungsgeber offenbar darauf ankam, die volkswirtschaftlich wertvolle Erfindertätigkeit zu fördern, und daß er da, wo dem keine erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten entgegenstanden, solche Unternehmer, die ihre Erfindung selbst verwerteten, nicht von der Begünstigung ausschließen wollte, so daß also der gelegentlich in der Literatur verwendete Gedanke der "Umgehung" (§ 6 StAnpG) hier fehl am Platze ist.

b) Geht man aber von diesen Grundsätzen aus, so erscheint es nicht konsequent, die Erfinder, die nach Herstellung eines patentierten Gegenstandes durch einen fremden Betrieb wiederum wirtschaftliche Vorteile aus dem eigenen Vertrieb der Gegenstände erzielen wollen, von der Vergünstigung auszuschließen.

Hier geht es nicht darum zu untersuchen, ob dem Steuerpflichtigen die Vergünstigung auch für die beim Vertrieb der Gegenstände erzielten Gewinne zu gewähren wäre - er verlangt sie selbst nicht -, sondern darum, ob die von der GmbH gezahlten Lizenzvergütungen begünstigt sind. Diese gehören aber zum Herstellungsbereich und sind demgemäß eindeutig von dem durch den Verkauf erzielten gewerblichen Gewinn zu trennen. Der Begünstigung der Lizenzeinkünfte stehen daher weder der Wortlaut der Verordnung noch die dem Verordnungsgeber vorschwebende Motivation entgegen.

Der vorliegende Fall unterscheidet sich wesentlich von dem ebenfalls problematisch gewordenen Fall, daß ein Patent gleichzeitig durch Eigenherstellung und durch Lizenzvergabe verwertet wird (vgl. hierzu z. B. FG Nürnberg, EFG 1955, 333 -; FG Hamburg, EFG 1959, 129). Denn hier scheidet jede Eigen herstellung aus und folgen gewissermaßen Nutzung durch Vergabe von Lizenzen und Nutzung durch eigenen Vertrieb auf zeitlich verschiedenen Ebenen.

7. Den vorstehend vertretenen Grundsätzen steht das Urteil des Senats IV R 78/66 nicht entgegen. Dort war dem Inhaber eines Verkaufsbetriebes anläßlich eines geschäftlichen Besuchs beim Hersteller von ihm vertriebener Artikel eine Erfinderidee zur Verbesserung eines dieser Artikel gekommen. Er hatte die patentierte Idee dem Hersteller gegen Lizenzzahlungen zur Auswertung überlassen und dann einen Teil der fertigen Gegenstände erworben, um sie - in einem bestimmten Bezirk als Alleinberechtigter - zu verkaufen. Der Senat hatte damals nicht zu entscheiden, ob eine Verwertung im eigenen Betrieb vorlag, also die Tarifvergünstigung zu versagen sei, sondern lediglich, ob der Steuerpflichtige insgesamt - also auch hinsichtlich der Lizenzerträge - gewerbliche Einkünfte hatte und damit gewerbesteuerpflichtig war, was er angesichts der Verflechtung der Tätigkeiten bejahte. Er erwähnte dabei lediglich den Begriff der Verwertung im eigenen Betrieb, indem er ausführte, die gesamte Art der Nutzung des Patents komme einer Verwertung im eigenen Betrieb sehr nahe, bei der das Vorliegen gewerblicher Einkünfte nicht fraglich sein könnte. Daß indessen einkommensteuerrechtlich bei dem damals entschiedenen Sachverhalt, soweit es sich - wie hier - um die Lizenzzahlungen handelte, tarifbegünstigte Einkünfte vorlagen, die aus einer Verwertung in einem fremden gewerblichen Betrieb stammten, auch insoweit der Steuerpflichtige die hergestellten Produkte dann wieder selbst vertrieb, bestätigte der Senat ausdrücklich in dem denselben Steuerpflichtigen und dieselben tatsächlichen Vorgänge betreffenden Einkommensteuer-Urteil IV 304/65. Die hierauf bezügliche Stelle ist allerdings nicht mit veröffentlicht; der Senat hatte damals lediglich der schon vom FG und vom FA vertretenen Auffassung zugestimmt.

Daß kein Unterschied gemacht werden kann, wenn der zwischenzeitliche Vorgang der Herstellung in einer vom Steuerpflichtigen beherrschten Kapitalgesellschaft oder wie im Falle IV 304/65 in einem von ihm völlig unabhängigen Betrieb erfolgt ist, liegt auf der Hand, wenn man, wie oben ausgeführt, die juristische Eigenständigkeit der Kapitalgesellschaft bejaht.

8. Die Steuerpflichtigen haben lediglich beantragt, die Tarifvergünstigung für freie Erfinder zu gewähren. Im übrigen haben sie das Urteil des FG, das sie aufgrund der zwischenzeitlich durch eine Betriebsprüfung getroffenen Feststellungen gegenüber der Veranlagung zum Teil schlechter stellte, nicht angegriffen, so daß der Senat auf die Berechtigung dieser Entscheidung insoweit nicht einzugehen hat.

9. Die Steuer muß infolge der Gewährung der Erfindervergünstigung neu berechnet werden. Da den Steuerpflichtigen nicht nur hinsichtlich der Erfindereinkünfte, sondern auch eine weitere Vergünstigung zusteht (nach § 34 Abs. 1 EStG 1960), ergibt sich das Rechtsproblem, wie die Steuer bei Zusammentreffen dieser beiden Vergünstigungen zu berechnen ist.

Beide Vergünstigungen weisen hinsichtlich der Berechnung des Steuerbetrages wesentliche Unterschiede auf. Nach § 34 EStG 1960, so wie ihn die auch in die seit 1965 geltende Gesetzesfassung eingegangene Rechtsprechung ausgelegt hatte, findet eine stufenweise Steuerberechnung statt. Zunächst werden die begünstigten Einkünfte mit einem Steuersatz besteuert, der die Hälfte des durchschnittlichen Steuersatzes beträgt, der sich ergeben würde, wenn die Tabelle auf den gesamten zu versteuernden Einkommensbetrag anzuwenden wäre; alsdann wird der restliche zu versteuernde Einkommensbetrag unmittelbar nach der Tabelle versteuert.

Dagegen findet nach § 4 Nr. 3 der ErfVO eine Verhältnisrechnung statt, indem die anteilige Steuer, die sich für die Erfindereinkünfte im Verhältnis zum Gesamtbetrag der Einkünfte auf Grund der Steuer ergibt, die für das gesamte Einkommen nach der Tabelle festzusetzen wäre, nur zur Hälfte erhoben wird.

Die Berechnungsvorschrift des § 34 Abs. 1 EStG ist im allgemeinen in zweifacher Hinsicht günstiger als die der ErfVO. Einmal sind bei § 34 EStG die begünstigten Einkünfte ohne Abzüge begünstigt, weil die vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzusetzenden Beträge (z. B. Sonderausgaben, Aufwendungen bei außerordentlichen Belastungen, Kinderfreibeträge) voll bei den übrigen Einkünften abgesetzt werden, während nach der ErfVO sich diese Beträge anteilig bei den begünstigten und nichtbegünstigten Einkünften auswirken. Zum anderen werden bei § 34 EStG die nichtbegünstigten Einkünfte unmittelbar nach der Tabelle versteuert, wodurch für diese Einkünfte ebenfalls ein Progressionsverlust eintritt, während nach der ErfVO für sie die Tabellenprogression des Gesamteinkommens erhalten bleibt.

Je nach dem, ob zunächst die Steuer nach dem EStG (unter Berücksichtigung des § 34 EStG) berechnet und von der dann sich ergebenden Gesamtsteuer der auf die Erfindereinkünfte entfallende Teil zur Hälfte nicht erhoben wird, oder aber ob zunächst die Steuer nach dem Gesamteinkommen (ohne Berücksichtigung des § 34 EStG) berechnet wird, von dieser Steuer dann die anteilig auf die Erfindereinkünfte entfallende Steuer zur Hälfte nicht erhoben und schließlich nach dem sich dann ergebenden Steuersatz der Tarif nach § 34 Abs. 1 EStG ermittelt wird, können sich im Einzelfall nicht unerhebliche Unterschiede in der Höhe der geschuldeten Steuer ergeben.

Der Senat ist der Auffassung, daß zunächst die nach dem EStG selbst zu entrichtende Steuer zu ermitteln ist, d. h. die Steuer, die ohne Berücksichtigung der Erfindervergünstigung geschuldet würde, und dann erst die ErfVO anzuwenden ist. Denn die Ermittlung der Steuer nach dem EStG einschließlich der den Tarif beeinflussenden Begünstigungen bildet die Regel, während die Vergünstigung nach der ErfVO auf einen Ausnahmefall beschränkt ist und § 4 Nr. 3 der Verordnung auch nur die Nichterhebung eines Teils einer bereits anderweitig errechneten Steuer vorsieht. Bei Anwendung des § 4 Nr. 3 der ErfVO ist demgemäß auch unter der "für das gesamte Einkommen nach der Einkommensteuertabelle" festzusetzenden Steuer die nach der Einkommensteuertabelle unter Berücksichtigung etwaiger im EStG vorgesehener Tarifvergünstigungen zu verstehen.

Die Steuer ist also nach folgendem Schema (Beispiel) zu berechnen:

Gesamtbetrag der Einkünfte 12 000 DM

./. Sonderausgaben und Freibeträge 2 000 DM

= steuerpflichtiges Einkommen 10 000 DM

darin nach § 34 EStG begünstigte Einkünfte 3 000 DM

ferner darin enthaltene Erfindereinkünfte 3 000 DM

Tabellensteuer auf 10 000 DM

(Splitting-Tarif ab 1965) 1 254 DM

durchschnittlicher Steuersatz 12,54 %

halber durchschnittlicher Steuersatz 6,27 %

6,27 % von 3 000 DM (§ 34) 188 DM

Tabellensteuer auf übriges Einkommen

von (10 000 ./. 3 000=) 7 000 DM 684 DM

872 DM

anteilige Steuer auf 3 000 DM

Erfindereinkünfte = (3 000 : 12 000 = X : 872)

=1/4 von 872 DM = 218 DM davon die

Hälfte nicht erhoben 109 DM

zu erhebende Steuer 763 DM.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69555

BStBl II 1971, 710

BFHE 1971, 473

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge