Leitsatz (amtlich)

Zur Gewährung der Steuervergünstigung des nichtentnommenen Gewinns bei einer Änderung des Einkommensteuer-Bescheids nach § 218 Abs. 4 AO.

 

Normenkette

EStG § 10a; AO § 218 Abs. 4

 

Streitjahr(e)

1954, 1955

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtigen (Stpfl.) sind Eheleute. Der Ehemann ist vollhaftender Gesellschafter einer KG und gehört zum Kreis der nach § 10 a EStG begünstigten Personen.

Die Stpfl. wurden zur Einkommensteuer für die Jahre 1954 und 1955 zusammen veranlagt, und zwar durch Änderungsbescheide nach § 94 AO, die auf ihre Einsprüche gegen die ursprünglichen Bescheide erlassen waren. In dem Einspruchsverfahren hatten die Stpfl. zunächst die Vergünstigung für nichtentnommenen Gewinn beantragt. Sie hatten den Antrag dann aber zurückgezogen, weil sie andernfalls für 1955 mit einer Nachversteuerung hätten rechnen müssen.

Auf Grund einer Betriebsprüfung bei der KG wurden die einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheide für die Jahre 1954 und 1955 berichtigt. Die Gewinnanteile des Ehemannes erhöhten sich dabei von 52.328 DM und 84.304 DM auf 61.534 DM und 91.720 DM; die Entnahmen wurden auf 25.992 DM und 110.804 DM festgestellt (vorher 22.776 DM und 110.162 DM).

Die Änderung der einheitlichen Gewinnfeststellungen führt zur Änderung der Einkommensteuerveranlagungen für die Jahre 1954 und 1955. Die Einkommensteuer der Stpfl. erhöhte sich von 17.713 DM und 33.707 DM auf 22.463 DM und 37.493 DM.

Nunmehr machten die Stpfl. mit dem Einspruch gegen die Berichtigungsveranlagungen geltend, daß für das Jahr 1954 ein nichtentnommener Gewinn von 17.771 DM zu berücksichtigen sei und daß der Nachversteuerung im Jahre 1955 - es waren besonders festgestellte Beträge aus den Jahren 1952 und 1953 vorhanden - Entnahmen von 110.804 DM zugrunde zu legen seien. Während des schwebenden Einspruchsverfahrens wurde der auf den Stpfl. entfallende Gewinnanteil für das Jahr 1955 durch einen nach § 94 AO erteilten Änderungsbescheid auf 90.761 DM herabgesetzt.

Der Einspruch hatte insofern Erfolg, als das Finanzamt (FA) die Einkommensteuer 1954 unter Berücksichtigung von nichtentnommenen Gewinnen von 9.200 DM (statt 17.771 DM) auf den ursprünglich festgesetzten Betrag herabsetzte. Für das Jahr 1955 setzte es eine Einkommensteuer von 41.144 DM fest, indem es von einem Gewinnanteil von 90.761 DM ausging und aus den Jahren 1952, 1953 und 1954 nachzuversteuernde Beträge von 1.053 DM, 9.574 DM und 9.200 DM ansetzte.

Die Berufungen hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) verwarf die Berufung, soweit sie das Jahr 1954 betraf, als unzulässig und wies die Berufung, soweit sie das Jahr 1955 betraf, als unbegründet zurück.

Der ursprüngliche Steuerbescheid (Änderungsbescheid) 1954 sei, so führte das FG aus, unanfechtbar gewesen, als das FA den auf § 218 Abs. 4 AO gestützten Berichtigungsbescheid erlassen habe. Es entspreche § 234 AO, wenn das FA in der Einspruchsentscheidung durch Berücksichtigung eines Betrages von 9.200 DM als steuerbegünstigten nichtentnommenen Gewinn die Einkommensteuer 1954 wieder auf den ursprünglichen Betrag von 17.713 DM herabgesetzt habe. Wenn auch die Änderung nach § 218 Abs. 4 AO in § 234 AO nicht ausdrücklich genannt sei, so fielen doch auch Änderungen nach § 218 Abs. 4 AO unter diese Vorschrift. Die in § 234 AO enthaltene Einschränkung "soweit die Änderung reicht" beziehe sich - entgegen der Auffassung der Stpfl. - nur auf die Steuerfestsetzung und nicht auf die Besteuerungsgrundlagen oder gar auf die allgemeinen Verhältnisse. Ein Steuerpflichtiger, zu dessen Ungunsten ein Bescheid berichtigt worden sei, könne daher im Rechtsmittelwege im günstigsten Fall nur die Steuerfestsetzung wie im ursprünglichen (unanfechtbaren) Bescheid erreichen. Ein Bescheid, der die ursprüngliche Steuer wiederherstelle, könne ebenso wie der ursprüngliche Bescheid selbst nicht mehr angefochten werden. - Für das Jahr 1955 erstrebten die Stpfl., nachdem ihrem Hauptantrag auf Erhöhung des steuerbegünstigten nichtentnommenen Gewinns für das Jahr 1954 nicht entsprochen werden könne, die Außerachtlassung des nachzuversteuernden nichtentnommenen Gewinns 1954 von 9.200 DM. Die Voraussetzungen für eine Nachversteuerung nach § 10 a Abs. 2 EStG 1953 / 1954 seien erfüllt. Das FA habe bei der Veranlagung 1954 9.200 DM als steuerbegünstigten nichtentnommenen Gewinn abgesetzt. Im Jahre 1955 lägen Mehrentnahmen von 20.043 DM vor. Die besonders festgestellten Beträge aus den Jahren 1952 bis 1954 von 19.827 DM seien dem Einkommen des Jahres 1955 zuzurechnen, die dem Gesetz entsprechende Sachbehandlung durch das FA verstoße auch nicht gegen Treu und Glauben. Da im Einspruchsverfahren auf den Antrag und zugunsten der Stpfl. bei der Veranlagung 1954 noch ein steuerbegünstigter nichtentnommener Gewinn von 9.200 DM berücksichtigt worden sei, müßten die Stpfl. diesen Betrag bei der Veranlagung 1955 nachversteuern. Daß es günstiger wäre, wenn die Steuervergünstigung des § 10 a EStG schon bei der ursprünglichen Veranlagung 1954 voll ausgeschöpft worden wäre, sei unerheblich.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision, mit der die Stpfl. einen Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten und unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts rügen, kann keinen Erfolg haben.

Der im gegenwärtigen Verfahren mit dem Einspruch angefochtene berichtigte Einkommensteuerbescheid 1954 ist, wie das FG mit Recht ausführt, nicht auf Grund von § 222 Abs. 1 AO, sondern auf Grund von § 218 Abs. 4 AO erlassen worden. Bei der Änderung von Steuerbescheiden nach § 218 Abs. 4 AO führt die Änderung nicht zur vollen Wiederaufrollung der früheren unanfechtbaren Steuerfestsetzung. Der frühere Steuerbescheid wird vielmehr nur in dem Punkt geändert, in dem der Grundlagenbescheid geändert worden ist, wie z. B. im Urteil des Senats VI 128/65 U vom 24. November 1965 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 84 S. 365, BStBl III 1966, 131) dargelegt ist. Im Streitfall ist der Grundlagenbescheid nur hinsichtlich des Gewinnanteils und der Entnahmen erhöht worden. Nur auf diese Punkte konnte sich daher jetzt auch die Änderung des Einkommensteuerbescheids 1954 erstrecken. Weil die Stpfl. bei der ursprünglichen Veranlagung die Vergünstigung für nichtentnommenen Gewinn nicht beantragt hatten und § 218 Abs. 4 AO nicht zu einer Wiederaufrollung der früheren Steuerfestsetzung im ganzen führt, könnte man zweifeln, ob bei der Änderung einer unanfechtbaren Steuerfestsetzung nach § 218 Abs. 4 AO der bei der ursprünglichen Veranlagung nicht gestellte Antrag auf die Vergünstigung nach § 10 a EStG noch nachgeholt werden kann (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 213/64 vom 23. März 1965, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1966 S. 82). Diese Frage kann jedoch, weil eine Verböserung nicht in Betracht kommt, dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist es nicht zu beanstanden, wenn das FG für das Jahr 1955 die Nachversteuerung vorgenommen hat. Die nachzuversteuernden Beträge als solche sind nicht bestritten. Daß dem Stpfl. bei der Veranlagung 1954 aus verfahrensmäßigen Gründen die Vergünstigung des nichtentnommenen Gewinns nicht - wie beantragt - für 17.771 DM, sondern nur für 9.200 DM gewährt werden konnte, steht der Nachversteuerung nicht entgegen. Die Vergünstigung des nichtentnommenen Gewinns wird nur unter der Bedingung gewährt, daß der Steuerpflichtige nicht innerhalb des Nachversteuerungszeitraums mehr als den Gewinn entnimmt. Diese Bedingungen haben die Stpfl. hinsichtlich des Jahres 1955 nicht erfüllt.

Den Stpfl. ist zuzugeben, daß die Vergünstigungen des nichtentnommenen Gewinns wegen der Nachversteuerung auch zu Nachteilen führen kann, die nicht oder doch nur bedingt voraussehbar sind. Wer aber eine Vergünstigung in Anspruch nimmt, muß sie als Ganzes einschließlich damit verknüpfter Bedingungen hinnehmen. Treten durch die Nachversteuerung Nachteile ein, so müssen die Steuerpflichtigen sie - gleichgültig, ob die Nachteile voraussehbar waren oder nicht - in Kauf nehmen.

Die Bedenken der Stpfl. gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 10 a EStG greifen nicht durch. Im übrigen würde die Verfassungswidrigkeit nicht nur, wie die Stpfl. wollen, die Nachversteuerung ergreifen, sondern die ganze Norm des § 10 a EStG, so daß bei Verfassungswidrigkeit der Vorschrift den Stpfl. die Vergünstigung für das Jahr 1954 überhaupt nicht hätte gewährt werden dürfen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 425777

BFHE 1967, 69

BFHE 88, 69

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge