Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die von dem Vorsteher eines preußischen selbständigen Gutsbezirks zu tragende Wegeunterhaltungslast ist bei Ermittlung des Wertes seines Gesamtvermögens abzuziehen.

Der Umstand, daß der Gutsbezirksvorsteher von der Grundsteuer befreit ist, mindert den Abzug der Wegeunterhaltungslast nicht.

 

Normenkette

BewG § 74/1/1, § 118/1/1

 

Tatbestand

Streitig ist der Abzug der Wegeunterhaltungslast des Beschwerdeführers (Bf.) bei den berichtigten Vermögensteuerveranlagungen nach dem Stande vom 1. Januar 1935 und 1. Januar 1940 sowie bei der Vermögensteuerneuveranlagung nach dem Stichtag vom 1. Januar 1941 und 1. Januar 1943. Die Vorbehörden haben den Abzug versagt. Der Bf. ist der Auffassung, daß diese Last bei Ermittlung des Wertes seines Gesamtvermögens abgezogen werden müsse.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist begründet.

Der Bf. ist Eigentümer eines Waldgutes und Vorsteher des selbständigen Gutsbezirks. Als solcher ist er Träger der Wegeunterhaltungslast im Gutsbezirk. Die Last ist eine persönliche Verpflichtung mit Rücksicht auf den Grundbesitz, deren Träger durch den Besitz des Gutes bestimmt wird (Germershausen, Wegerecht und Wegeverwaltung in Preußen, 4. neu bearbeitete Auflage, S. 172). Das Gesetz vom 26. März 1934 (Reichsgesetzblatt Teil I S. 243) über die einstweilige Neuregelung des Straßenwesens und der Straßenverwaltung bezieht sich nicht auf die Wege, die der Bf. zu unterhalten hat. Denn das Gesetz gilt für die Reichsstraßen und Landstraßen erster Ordnung. Die Bestimmung des Trägers für Landstraßen zweiter Ordnung blieb nach dem Gesetz einem späteren Zeitpunkt vorbehalten. Die vom Bf. zu unterhaltenden Straßen und Wege sind weder Reichsstraßen, noch Landstraßen erster oder zweiter Ordnung. Für deren Unterhaltung hat der Bf. nach den bisher geltenden Bestimmungen die Kosten zu tragen. Außer der Wegeunterhaltungslast treffen den Bf. noch weitere Lasten für den Gutsbezirk in Form von Kreisumlagen, Schulsteuern, Amtsbeiträgen. Andererseits ist der Bf. von der Grundsteuer für seinen Besitz befreit (Mensens-Bohley-Krutsch, Handbuch des gemeindlichen Steuerrechts, 3. verbesserte und erweiterte Auflage, S. 407, 408, 1084). Die Vorbehörden haben den Betrag, den der Bf. jährlich an Grundsteuer zu entrichten haben würde, wenn er grundsteuerpflichtig wäre, errechnet und den Aufwendungen an Wegeunterhaltungs- und sonstige Lasten für den Gutsbezirk gegenübergestellt. Das Ergebnis dieser Gegenüberstellung ist, daß die tatsächliche Belastung des Bf. durch die ihm für den Gutsbezirk entstehenden Aufwendungen geringer ist als die Belastung, die sich durch Heranziehung zur Grundsteuer ergeben würde. Aus diesem Grunde erachten die Vorbehörden den vom Bf. geltend gemachten Abzug der Wegeunterhaltungslast nicht für vertretbar. Das Finanzamt vertritt die Ansicht, daß der Abzug der Wegeunterhaltungslast auch aus dem Grunde abzulehnen sei, weil diese Last ihren Grund nicht in der Tatsache des Grundbesitzes des Bf. habe, sondern mit dem einer Gemeinde gleichstehenden Gutsbezirk in Zusammenhang stehe, letzterer aber ebenso wie eine Gemeinde nicht vermögensteuerpflichtig sei. Es ist zwar zutreffend, daß die vom Bf. zu tragenden Lasten für den Gutsbezirk ihren Rechtsgrund in seiner Stellung als Vorsteher des Gutsbezirks haben. Es ist aber nicht angängig, hieraus den Schluß zu ziehen, daß die Wegeunterhaltungslast mit dem Bf. als Eigentümer forstwirtschaftlichen Vermögens bzw. überhaupt steuerpflichtigen Vermögens nichts zu tun habe. Das Amt des Bf. als Vorsteher des Gutsbezirks beruht auf seinem Gutsbesitz. Aus ihm bzw. seinem sonstigen Vermögen oder dessen Einkünften muß der Bf. die Aufwendungen für den Gutsbezirk bestreiten. Daher ist es steuerlich nicht vertretbar, zwischen dem Bf. als Gutsbesitzer und Vorsteher des Gutsbezirks derart scharf zu scheiden, daß Lasten, die den Bf. in seiner Eigenschaft als Vorsteher des Gutsbezirks treffen, bei Ermittlung seines steuerpflichtigen Vermögens unberücksichtigt bleiben.

Es fragt sich jedoch, ob die Wegeunterhaltungslast nicht anstatt bei Ermittlung des Gesamtvermögens bei Feststellung des Einheitswertes des forstwirtschaftlichen Betriebs berücksichtigt werden mußte. Die Frage ist zu verneinen. Maßgebend für die Einheitsbewertung von Forstbetrieben ist gemäß § 45 Absatz 2 in Verbindung mit § 31 Abs. 1 des Reichsbewertungsgesetzes (RBewG) der Ertragswert. Der Ertragswert wird nur um solche Lasten gemindert, die sich aus der Natur des Betriebs selbst ergeben, während Lasten, die lediglich aus persönlichen Beziehungen des Grundeigentümers oder seiner Rechtsvorgänger hervorgegangen sind, den objektiven Ertragswert nicht mindern (Urteil des Reichsfinanzhofs vom 11. Februar 1937 III A 199/36, Slg. Bd. 41 S. 67). An den Grundsätzen dieses Urteils ist festzuhalten. Tatsächlich ist auch die Wegeunterhaltungslast bei der Feststellung des Einheitswertes des Forstgutes nicht berücksichtigt worden. Sie muß daher bei Ermittlung des Gesamtvermögens des Bf. in Abzug gebracht werden.

Die Vorbehörden sind der Auffassung, daß die Wegeunterhaltungslast in jedem Falle nur im Zusammenhang mit der Befreiung des Bf. von der Grundsteuer betrachtet werden können. Da der Bf. bei einer etwaigen Heranziehung zur Grundsteuer mehr aufzuwenden gehabt hätte, als seine Belastung durch die Wegeunterhaltungslast und die sonstigen Aufwendungen für den Gutsbezirk beträgt, sei ein Abzug der Wegeunterhaltungslast bei Ermittlung des Gesamtvermögens nicht gerechtfertigt. Diese Koppelung zwischen Wegeunterhaltungslast und einer unterstellten Grundsteuer ist nicht zu billigen. Auf Grund der bestehenden gesetzlichen Bestimmungen über die Gutsbezirke ergibt sich einerseits die Verpflichtung des Bf. zur Tragung der Lasten für den Gutsbezirk, andererseits die Befreiung des Bf. von der Grundsteuer. Es mag sein, daß sich regelmäßig diese Rechtsgestaltung für den Gutsbezirksvorsteher gegenüber anderen Steuerpflichtigen vorteilhaft auswirkt, ein Umstand, der wohl zu der aus § 11 Absatz 1 des Preußischen Gesetzes über die Regelung verschiedener Punkte des Gemeindeverfassungsrechts vom 27. Dezember 1927 ersichtlichen ablehnenden Grundeinstellung zu dem Fortbestand der selbständigen Gutsbezirke beigetragen hat. So lange aber ein Gutsbezirk besteht, müssen die ihn betreffenden Bestimmungen von den Steuerbehörden und Steuergerichten beachtet werden, und dürfen auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Gleichmäßigkeit der Besteuerung korrigiert werden. Die Koppelung des Abzugs der tatsächlich bestehenden Wegeunterhaltungslast mit der Nichtbelastung des Bf. durch die Grundsteuer und die daraus resultierende Ablehnung des Abzugs dieser Last bei der Ermittlung des Gesamtvermögens des Bf. sind daher nicht gerechtfertigt. Der Auffassung der Vorbehörden wäre im Ergebnis nur dann beizutreten, wenn die Ersparnis des Bf. an Grundsteuer als ein unter das sonstige Vermögen des § 67 RBewG fallendes Wirtschaftsgut anzusehen wäre. Das ist jedoch nicht der Fall, wie sich bei einem Vergleich mit den in § 67 a. a. O. aufgeführten Wirtschaftsgütern ergibt. Der Abzug der Wegeunterhaltungslast bei Ermittlung des Gesamtvermögens des Bf. ist hiernach geboten. Wegen der Höhe des Abzugs besteht kein Streit. Ob die Befreiung des Bf. von der Grundsteuer zu einer änderung des Einheitswertes des forstwirtschaftlichen Vermögens des Bf. führen kann, ist in diesem Rechtsbeschwerdeverfahren nicht zu entscheiden.

Hiernach war die angefochtene Entscheidung und der berichtigte Vermögensteuerbescheid nach dem Stand vom 1. Januar 1935 aufzuheben. Damit lebt der vorangegangene Vermögensteuerbescheid nach dem Stand vom 1. Januar 1935 wieder auf. Unter Berücksichtigung des Abzugs der Wegeunterhaltungslast bei Ermittlung des Gesamtvermögens beträgt das steuerpflichtige Vermögen am 1. Januar 1940 9.092.000 RM, die darauf entfallende Jahresvermögensteuer ab 1. April 1940 45.460 RM, das steuerpflichtige Vermögen am 1. Januar 1941 9.553.000 RM und die darauf entfallende Jahresvermögensteuer ab 1. April 1941 47.765 RM, das steuerpflichtige Vermögen am 2. Januar 1943 9.926.000 RM und die darauf entfallende Jahresvermögensteuerschuld ab 1. April 1943 49.630 RM. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 309 der Reichsabgabenordnung, die Feststellung des Wertes des Streitgegenstandes aus § 320 a. a. O.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407248

BStBl III 1951, 156

BFHE 1952, 394

BFHE 55, 394

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