Leitsatz (amtlich)

Eine atypische Unterbeteiligung an dem Stammanteil an einer GmbH ist nicht deshalb ohne Einfluß auf die Geschäftsführung der GmbH, weil nach dem Unterbeteiligungsverhältnis nur der Hauptbeteiligte die Gesellschaftsrechte gegenüber der GmbH ausüben kann.

 

Normenkette

BewG 1965/1974 § 11 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH. Ihr Stammkapital hielt der Hauptbeteiligte zu 59,5 v. H. Mit notariell beurkundeten Schenkungsverträgen vom 3. Mai und 30. Dezember 1969 räumte er seinem Sohn, dem Beigeladenen, Unterbeteiligungen an seinen Stammanteilen in Höhe von 17 v. H. des Stammkapitals der Klägerin ein. Nach den Schenkungsverträgen sollte der Hauptbeteiligte alleinberechtigter und alleinverpflichteter Gesellschafter der Klägerin bleiben; der Beigeladene sollte zu der Klägerin in keine unmittelbare Rechtsbeziehung treten. Im Innenverhältnis zwischen dem Hauptbeteiligten und dem Beigeladenen sollte jedoch der Beigeladene so gestellt werden, als ob er vermögensmäßig und ertragsmäßig mit 17 v. H. an der Klägerin unmittelbar beteiligt wäre. Der Hauptbeteiligte ist jedoch bezüglich seiner Abstimmung über die Ausschüttung von Dividenden frei; er kann auch im übrigen Rechte und Pflichten aus der Gesellschafterstellung nach eigenem Ermessen wahrnehmen. Bei einer eventuellen Liquidation der GmbH erhält der Unterbeteiligte einen seiner Unterbeteiligung entsprechenden Anteil als Liquidationserlös. Der Hauptbeteiligte ist verpflichtet, dem Unterbeteiligten jährlich anhand des Jahresabschlusses der GmbH zu berichten. Der Unterbeteiligte hat Anspruch darauf, den Prüfungsbericht des Abschlußprüfers der GmbH einzusehen. Die Dauer des Unterbeteiligungsverhältnisses ist nicht beschränkt.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) stellte den gemeinen Wert der Anteile an der Klägerin aufgrund einer Betriebsprüfung durch berichtigte Bescheide zum 31. Dezember 1969 auf 177 DM und zum 31. Dezember 1970 auf 209 DM je 100 DM Stammkapital fest. Dabei ging das FA davon aus, daß der Hauptbeteiligte mit 42,5 v. H. und der Beigeladene mit 17 v. H. am Stammkapital der Klägerin beteiligt sei.

Die Einsprüche, mit denen eine niedrigere Bewertung der Anteile des Beigeladenen begehrt wurde, weil er keinen Einfluß auf die Geschäftsführung der Klägerin habe, waren erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als unbegründet abgewiesen.

Mit der Revision beantragt die Klägerin, den gemeinen Wert der Anteile des Beigeladenen für die beiden Bewertungszeitpunkte auf 154 DM und 178 DM je 100 DM Stammkapital festzustellen.

Die Klägerin rügt, daß die Beteiligung des Beigeladenen ohne Einfluß auf die Geschäftsführung der Klägerin sei, weil die Rechte aus der Beteiligung der Hauptbeteiligte ausübe. Damit müsse die Bewertung der Anteile des Beigeladenen unter Beachtung des Abschn. 80 der Vermögensteuer-Richtlinien (VStR) 1969 durchgeführt werden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

1. Nach dem BFH-Beschluß vom 5. November 1973 GrS 3/72 (BFHE 112, 1, BStBl II 1974, 414) ist über die Frage, ob eine atypische stille Unterbeteiligung an dem Anteil des Gesellschafters einer Personengesellschaft besteht, grundsätzlich in einem besonderen Feststellungsverfahren für die Innengesellschaft zu entscheiden. Dies gilt auch für den gleichliegenden Fall der Feststellung des gemeinen Werts von GmbH-Anteilen, wenn an einem Stammanteil eine Unterbeteiligung dergestalt besteht, daß dieser Stammanteil dem Hauptbeteiligten und dem Unterbeteiligten zuzurechnen ist. Allerdings schließt der Große Senat des BFH nicht aus, daß bei einer bekannten Unterbeteiligung, wie sie im Streitfall gegeben ist, die erforderliche Feststellung auch im Hauptverfahren getroffen werden kann (BFHE 112, 5). Dies entspricht auch der Rechtslage, die durch § 179 Abs. 2 Satz 3 der Abgabenordnung (AO 1977) geschaffen wurde. Damit konnte im Rahmen der Feststellung des gemeinen Werts der Anteile an der Klägerin auch der Wert der dem Beigeladenen zuzurechnenden Stammanteile festgestellt werden. Die Feststellung muß somit nicht schon deshalb aufgehoben werden, weil das Feststellungsverfahren unzulässig gewesen wäre.

2. Das FG hat zu Recht die dem Beigeladenen zugerechneten Stammanteile nicht als solche ohne Einfluß auf die Geschäftsführung der Klägerin angesehen. Nur wenn die Anteile des Beigeladenen keinen Einfluß auf die Geschäftsführung hätten, wäre ihr Wert niedriger festzustellen als der Wert von Anteilen, die Einfluß auf die Geschäftsführung ermöglichen (vgl. BFH-Entscheidung vom 23. Juli 1976 III R 79/74, BFHE 119, 496 [497], BStBl II 1976, 706).

Nach der Rechtsprechung des Senats kann die Frage, ob die Beteiligung an einer GmbH - wie die des Beigeladenen - von 17 v. H. des Stammkapitals Einfluß auf die Geschäftsführung i. S. der Entscheidung III R 79/74 vermittelt, nur unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Einzelfalls beantwortet werden (vgl. BFH-Entscheidung vom 24. Januar 1975 III R 4/73, BFHE 115, 58, BStBl II 1975, 374, mit weiteren Nachweisen). Nach Abschn. 80 Abs. 2 VStR 1969 sollen für diese Entscheidung nicht nur die Anteile, die der einzelne Gesellschafter besitzt, zu berücksichtigen sein, sondern auch solche Anteile, die ihm zwar nicht gehören, aber die Ausübung der Gesellschaftsrechte ermöglichen. Ob die in dieser Richtlinienanweisung zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung in dieser Allgemeinheit zutreffend ist, kann dahinstehen. Entscheidend ist jedenfalls, daß die Höhe des gemeinen Werts durch den Veräußerungspreis im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bestimmt wird (§ 9 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes - BewG -). Auf diesen Veräußerungspreis wird sich aber regelmäßig nur die Einflußmöglichkeit auswirken, die die zu veräußernde Beteiligung gewährt. Der Senat hat allerdings für Beteiligungen von Ehegatten an derselben Kapitalgesellschaft entschieden, daß die Einflußmöglichkeit auf die Geschäftsführung der Gesellschaft durch den einzelnen Ehegatten unter Berücksichtigung der Anteile des anderen Ehegatten beurteilt werden müsse (Urteil III R 4/73, BFHE 115, 58 [62]). Ausschlaggebend für diese Entscheidung war, daß bei Ehegatten mangels anderweitigen Tatsachenvortrags davon ausgegangen werden müsse, daß sie sowohl in der Ausübung ihrer Gesellschaftsrechte als auch im Fall der Veräußerung der Beteiligungen gleichgerichtete Interessen hätten, so daß die Ehegatten gehörenden Beteiligungen am Markt wie eine einzige Beteiligung angeboten würden. Das FG hat ohne Rechtsirrtum für den Entscheidungsfall dieselben Erwägungen angestellt. Sie sind dadurch gerechtfertigt, daß nach dem unstreitigen Sachverhalt die Rechte aus der Gesamtbeteiligung von 59,5 v. H. des Stammkapitals der Klägerin einheitlich durch den Hauptbeteiligten wahrgenommen werden. Das bedeutet, daß der Unterbeteiligte trotz seiner geringeren Beteiligung von nur 17 v. H. des Stammkapitals an der Einflußnahme einer Beteiligung in Höhe von 59,5 v. H. teilnimmt. Hinzu kommt, daß die Unterbeteiligung nach den vertraglichen Vereinbarungen nicht selbständig veräußert werden kann; ihr Verkauf ist nur zusammen mit der Hauptbeteiligung möglich. Damit ist sichergestellt, daß die Unterbeteiligung auch im Veräußerungsfall zusammen mit der Hauptbeteiligung angeboten und an dem gemeinen Wert teilnehmen würde, der der Hauptbeteiligung zukommt.

Diese Rechtsfolgen bestehen ungeachtet der Entscheidung darüber, wie die Unterbeteiligung zwischen dem Beigeladenen und dem Hauptbeteiligten bürgerlich-rechtlich oder steuerrechtlich zu qualifizieren ist. Wenn aufgrund des Prozeßverlaufs in der Vorinstanz für das Revisionsverfahren davon ausgegangen werden muß, daß dem Beigeladenen infolge seiner Unterbeteiligung Anteile an der Klägerin in Höhe von 17 v. H. des Stammkapitals zuzurechnen sind, so ist es aufgrund vorstehender Überlegungen zwingend, daß diese Anteile nicht als solche ohne Einfluß auf die Geschäftsführung angesehen werden können. Die Feststellung des FA gegenüber dem Beigeladenen verletzt damit diesen nicht in seinen Rechten.

 

Fundstellen

BStBl II 1978, 520

BFHE 1979, 294

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