Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer, Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

Die Anwendung des § 77 Abs. 2 Ziff. 5 BewG setzt nicht voraus, daß die einem inländischen gewerblichen Betrieb überlassenen Wirtschaftsgüter diesem für die Dauer oder auf lange Zeit zu dienen bestimmt sind. Es genügt vielmehr, daß sie tatsächlich am Währungsstichtag dem inländischen gewerblichen Betrieb zur gewerblichen Verwendung überlassen waren.

 

Normenkette

BewG § 77 Abs. 2 Ziff. 5, § 121/2/5; LAG § 17

 

Tatbestand

Der Bf. hat vor der Währungsumstellung seinen Wohnsitz in A. (sowjetische Besatzungszone) gehabt, wo er gemeinsam mit seinem Bruder Hermann und verschiedenen anderen Gesellschaftern als Inhaber eines Brennereibetriebs lebt. Erst im August 1948 verlegte er seinen Wohnsitz von dort nach B. (Niedersachsen).

Obwohl er in seiner Erklärung zur Vermögensabgabe keine Angaben über abgabepflichtiges Vermögen gemacht hatte, war er doch vom Finanzamt mit dem Wert einer Forderung gegen die Firma H., deren Bestand und Höhe sich aus den Erklärungen des Bf. zur Vermögensteuer auf den 1. Januar 1949 ergab, zur Vermögensabgabe herangezogen worden. Auf den Einspruch des Bf., der seine Abgabepflicht bestritt, weil es sich um die ungesicherte Forderung eines beschränkt Steuerpflichtigen handele und weil eine derartige Forderung gemäß § 17 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) in Verbindung mit § 77 des Bewertungsgesetzes (BewG) nicht der Vermögensabgabe unterliege, hob das Finanzamt seine Veranlagung nach § 94 AO ersatzlos auf.

Auf Grund einer später durchgeführten Steuerfahndung ergab sich indessen, daß der Bf. schon im Jahre 1945 seinem Bruder einen größeren Geldbetrag übergeben hatte, den dieser an die Firma H. in B., ein Unternehmen für Tiefbrunnen- und Tiefpumpenbau, dessen Inhaber Heinrich und Otto H. Vettern des Bf. sind, weiterleiten sollte. Der Betrag war nach C. gebracht und im Jahre 1946 zusammen mit Geldmitteln des Bruders den Gebrüdern H. unter der Auflage überlassen worden, für das Geld Betriebsmittel zu kaufen, die zum Aufbau ihres Brunnen- und Pumpenbaubetriebes erforderlich waren. Im wesentlichen handelte es sich um Bohrröhren und deren Zubehör, die zwar nach den damals getroffenen Abreden von der Firma H. kostenlos benutzt werden, im übrigen aber Eigentum des Bf. und seines Bruders bleiben sollten. Nach einer von dem Bf. und den Gebrüdern H. unterzeichneten Aktennotiz von 5. August 1948 belief sich der den letzteren ausgehändigte Betrag auf insgesamt 86.400 RM, wovon 40.000 RM vom Bf. selbst, 46.400 RM von seinem Bruder stammten. Der Betrag ist von den Gebrüdern H. vereinbarungsgemäß zur Anschaffung von Bohrröhren nebst Zubehör verwendet worden, die auch am Währungsstichtag noch vorhanden waren.

Das Finanzamt sah nach diesen im Fahndungsbericht getroffenen Feststellungen als erwiesen an, daß der Bf. am Währungsstichtag nicht Inhaber einer bloßen Kapitalforderung gewesen sei, sondern daß ihm ein Miteigentumsanteil an den vorgenannten Bohrröhren zugestanden habe, deren Nutzung der Firma H. überlassen worden war. Das Finanzamt erließ daraufhin einen erneuten Abgabebescheid gegen den Bf. und zog ihn unter Anwendung des § 17 LAG in Verbindung mit § 77 Abs. 2 Ziff. 5 BewG erneut zur Vermögensabgabe heran.

Der Bf. wendet gegen diese Veranlagung ein, die fraglichen Röhren seien keine (zum Inlandsvermögen gehörenden) Wirtschaftsgüter im Sinne des § 77 Abs. 2 Ziff. 5 BewG; denn ein Wirtschaftsgut könne unmöglich gleichzeitig als Anlagevermögen im Sinne dieser Vorschrift und außerdem als zur sofortigen Veräußerung bestimmtes Umlaufsvermögen (nichtgewerbliches Vorratsvermögen) angesehen werden.

Seine Sprungberufung hatte aber nur geringen Erfolg insofern, als das Finanzgericht bei der Berechnung der Vermögensabgabe lediglich von einem abgabepflichtigen Vermögen im Betrage von 36.500 DM ausgegangen ist, während das Finanzamt seiner Berechnung einen Wert von 37.273 DM zugrunde gelegt hatte.

Der Bf. hat Rechtsbeschwerde (Rb.) erhoben und neben seinen sonstigen Einwänden auch geltend gemacht, daß die Voraussetzungen für eine berichtigte Veranlagung im Sinne des § 222 AO nicht vorgelegen hätten.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist unbegründet.

Der Bf. wendet sich gegen seine erneute Heranziehung zur Vermögensabgabe zunächst mit dem Einwand, daß die Voraussetzungen für eine berichtigende Veranlagung im Sinne des § 222 AO deshalb nicht vorgelegen hätten, weil vom Fahndungsdienst in Wirklichkeit neue Tatsachen nicht festgestellt worden seien. Zumindest hätte der Sachverhalt schon im Einspruchsverfahren gegen den ursprünglichen Abgabebescheid vom Finanzamt geklärt werden müssen. Diese Ausführungen gehen an der Tatsache vorbei, daß der Bf. in seiner Erklärung zur Vermögensabgabe überhaupt keine Angaben über sein Vermögen gemacht und daß er in den Erklärungen zur Vermögensteuer auf den 1. Januar 1949 lediglich eine Kapitalforderung gegen die Firma H. ausgewiesen hat. Wenn der Fahndungsdienst nunmehr auf Grund seiner Ermittlungen zu dem Ergebnis gelangte, daß dem Bf. nicht eine bloße Forderung, sondern ein Miteigentumsanteil an den fraglichen Bohrröhren zugestanden habe, so ist dies sehr wohl als eine neue Tatsache gegenüber den Angaben zur Vermögensteuer und zur Vermögensabgabe zu werten. Fraglich könnte nur sein, ob das Finanzamt nicht schon im Einspruchsverfahren gegen den ursprünglichen Abgabebescheid den Sachverhalt nach dieser Richtung hin noch eingehender hätte ermitteln müssen. Dies ist jedoch aus dem Grunde zu verneinen, weil die Angaben des Bf. in den Vermögensteuererklärungen zum 1. Januar 1949 dem Finanzamt keine Veranlassung boten, den Sachverhalt auch unter dem Gesichtspunkt zu untersuchen, daß es sich hier möglicherweise gar nicht um eine Kapitalforderung handele.

Es bleibt daher nur zu prüfen, ob die sachlichen Voraussetzungen für eine Heranziehung des Bf. zur Vermögensabgabe vorliegen. Der Bf. ist im Sinne des § 17 LAG beschränkt vermögensabgabepflichtig, weil er zu Beginn des 21. Juni 1948 weder seinen Wohnsitz noch den gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland oder in Berlin (West) gehabt hat. Bei beschränkt Abgabepflichtigen erstreckt sich die Abgabepflicht aber nur auf Vermögen der im § 77 BewG genannten Art. Zu diesem gehören zwar das im Bundesgebiet bzw. in Berlin (West) belegene land- und forstwirtschaftliche Vermögen, Grundvermögen und Betriebsvermögen grundsätzlich uneingeschränkt - das letztere allerdings nur, wenn im Inland eine Betriebstätte unterhalten wird oder ein ständiger Vertreter bestellt ist -. Das sonstige Vermögen des beschränkt Abgabepflichtigen kann indessen, auch wenn es sich im Währungsgebiet befunden hat, zur Vermögensabgabe nur insoweit herangezogen werden, als sich dies aus § 77 Abs. 2 Ziff. 4 bis 7 BewG ergibt. Der Bf. hat, wie schon die Vorinstanzen zutreffend festgestellt haben, am Währungsstichtag kein inländisches Betriebsvermögen besessen, weil er im Währungsgebiet damals weder eine Betriebstätte unterhalten noch einen ständigen Vertreter bestellt hatte. Wohl aber war ihm, wie in dem gleichzeitig entschiedenen Rechtsmittel wegen Soforthilfeabgabe, Soforthilfesonderabgabe und Strafzuschlags zur Soforthilfeabgabe eingehend geklärt worden ist, das Eigentum an gewissen Röhrenbeständen etc. zuzurechnen, die er der Firma H. zunächst unentgeltlich, späterhin gegen einen gewissen Nutzungszins zur Verwendung in ihrem gewerblichen Betrieb überlassen hatte. Diese Tatsache hat die Vorinstanzen veranlaßt, den Bf. auch zur Vermögensabgabe heranzuziehen, weil nach ihrer Auffassung mit der überlassung der genannten Wirtschaftsgüter zur gewerblichen Benutzung und Verwendung in einem inländischen Gewerbebetrieb der Tatbestand des § 77 Abs. 2 Ziff. 5 BewG erfüllt worden ist. Der Bf. zweifelt dies an, weil nach seiner Ansicht nur solche Wirtschaftsgüter unter § 77 Abs. 2 Ziff. 5 BewG fallen können, die einem gewerblichen Betrieb zur dauernden Verwendung überlassen worden seien. Davon könne im Streitfall nicht die Rede sein. Insbesondere sei es ausgeschlossen, daß solche Wirtschaftsgüter gleichzeitig nichtgewerbliches, das heißt zur Veräußerung bestimmtes Vorratsvermögen und Anlagevermögen im Sinne des § 77 Abs. 2 Ziff. 5 BewG sein könnten. Die Einwendungen des Bf. sind insoweit unbegründet. Denn die Anwendung des § 77 Abs. 2 Ziff. 5 BewG setzt lediglich voraus, daß die jeweils in Betracht kommenden Wirtschaftsgüter an dem maßgeblichen Bewertungsstichtag tatsächlich einem inländischen gewerblichen Betrieb überlassen waren. Dies allein genügt für die Anwendung des § 77 Abs. 2 Ziff. 5 BewG, und es ist daher weder erforderlich, daß die Gebrauchsüberlassung entgeltlich, noch, daß sie von lange währender Dauer ist. Selbst wenn es sich daher um Wirtschaftsgüter handelt, die wie im Streitfall als nichtgewerbliches Vorratsvermögen zu einer verhältnismäßig raschen Veräußerung bestimmt sind, schließt dies die Anwendung des § 77 Abs. 2 Ziff. 5 BewG nicht aus, wenn nur am Währungsstichtag selbst diese Gegenstände zur Nutzung und Verwendung an einen inländischen gewerblichen Betrieb überlassen worden waren.

Da somit die Voraussetzungen für eine Anwendung des § 77 Abs. 2 Ziff. 5 BewG in Verbindung mit § 17 LAG im Streitfall erfüllt sind, war die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409497

BStBl III 1959, 476

BFHE 1960, 580

BFHE 69, 580

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