Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, wann Lastenfahrstühle, die in ein Geschäftsgebäude eingebaut sind und von den gewerblichen Mietern benutzt werden, als Betriebsvorrichtungen i. S. des § 68 Abs. 2 Nr. 2 BewG 1965 anzusehen und damit der Besteuerung nach dem Selbstverbrauch zugänglich sind.

 

Normenkette

UStG 1967 § 30 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Eigentümerin eines Geschäftsgebäudes, das sie an Gewerbetreibende vermietet hat. Auf die Steuerbefreiung ihrer Umsätze aus der Vermietung (§ 4 Nr. 12 a UStG 1867) hat sie verzichtet (§ 9 UStG 1967). Das Gebäude enthielt ursprünglich fünf Lastenfahrstühle, von denen zwei durch Kriegseinwirkung zerstört wurden. In den Jahren 1969 und 1970 ließ die Klägerin einen dieser beiden Lastenfahrstühle mit einem Kostenaufwand von ca. 128 000 DM instand setzen. Vom alten Lastenaufzug konnten lediglich Teile des Fahrstuhlgerüstes wiederverwendet werden.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt – FA –) beurteilte die Inbetriebnahme des Lastenfahrstuhls im Jahre 1970 als selbstverbrauchsteuerbaren Tatbestand im Sinne des § 30 UStG 1967 und zog die Klägerin im Umsatzsteuerbescheid 1970 vom 29. November 1972 mit der Bemessungsgrundlage in Höhe von 106 845 DM zur Selbstverbrauchsteuer heran. Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos.

Die Klage mit dem Antrag, die Umsatzsteuerzahlungsschuld 1970 (unter Abänderung des Umsatzsteuerbescheids 1970 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. August 1973) um 6 410 DM auf 13 135 DM herabzusetzen, hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen. Es hat unter Berufung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21. Oktober 1971 V R 53/71 (BFHE 103, 291, BStBl II 1972, 79) den Lastenfahrstuhl als Betriebsvorrichtung und damit als ein gegenüber dem Gebäude selbständiges Wirtschaftsgut im Sinne des § 30 Abs. 2 UStG 1967 beurteilt.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin, mit der die Verletzung formellen (§ 76 FGO) und materiellen Rechts (§ 30 Abs. 2 UStG 1967) gerügt wird. Zur Begründung trägt die Klägerin im wesentlichen vor: Der Lastenfahrstuhl sei ein unselbständiger Gebäudeteil. Es handele sich nicht um eine Betriebsvorrichtung i. S. von § 68 Abs. 2 Nr. 2 BewG 1965, da der Lastenfahrstuhl nicht einem bestimmten Gewerbebetrieb zur unmittelbaren Ausübung seines Gewerbes diene. Der Lastenaufzug habe die Aufgabe, den Zugang zu den verschiedenen Unternehmen durch Beförderung von Personen und Waren zu erleichtern. Er liege außerhalb der jeweiligen Betriebsräume und sei nur dem Beschaffungs- und Vertriebsbereich der Mieter zuzuordnen, nicht aber deren jeweiligen Produktionsbereich. Der Lastenfahrstuhl diene mithin in erster Linie der Erschließung und Nutzung des Gebäudes und stehe nicht in einem von der Gebäudenutzung verschiedenen Funktionszusammenhang (vgl. Beschluß des Großen Senats des BFH vom 26. November 1973 GrS 5171, BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132). Trotz dieses in der Klageschrift gegebenen Hinweises auf die Nutzung des Fahrstuhls durch eine Vielzahl von Unternehmern und die sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen gehe das FG in seiner Entscheidung unzutreffend von der unmittelbaren Beziehung des Lastenfahrstuhls zu einem (einzigen) auf dem Grundstück ausgeübten Gewerbebetriebs aus.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und ihrem Klagebegehren stattzugeben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen. Es macht sich im wesentlichen die Auffassung des FG zu eigen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.

1. Das Urteil des FG ist aufzuheben, da die Feststellungen des FG seine Entscheidung nicht tragen. Der Tatbestand des Selbstverbrauchs nach § 30 Abs. 2 UStG 1967 liegt vor, wenn – abgesehen von weiteren Voraussetzungen, die im vorliegenden Falle gegeben sind – abnutzbare körperliche Wirtschaftsgüter der Verwendung oder Nutzung als Anlagevermögen zugeführt werden. Zu diesen körperlichen Wirtschaftsgütern zählen auch die Betriebsvorrichtungen im bewertungsrechtlichen Sinne (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 30. Mai 1974 V R 141/73, BFHE 112, 536, BStBl II 1974, 621, mit weiteren Nachweisen). Gemäß § 68 Abs. 2 Nr. 2 BewG 1965 sind Betriebsvorrichtungen die Maschinen und sonstigen Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören, und zwar auch dann, wenn sie wesentliche Gebäudebestandteile sind.

Zu der Frage, ob Gebäudebestandteile nach Bewertungsrecht Teile von Gebäuden oder Betriebsvorrichtungen sind, hat der BFH bereits in seiner Entscheidung vom 14. August 1958 III 382/57 U (BFHE 67, 325, BStBl III 1958, 400) erkannt, daß lediglich solche Vorrichtungen, die in einer besonderen Beziehung zu dem auf dem Grundstück ausgeübten Gewerbebetrieb stehen, zu den Betriebsvorrichtungen gerechnet werden können. Es muß sich um Anlagen handeln, durch die das Gewerbe betrieben wird (vgl. BFH-Urteil vom 5. März 1971 III R 90/69, BFHE 102, 107, BStBl II 1971, 455). In dieser Entscheidung hat der BFH Personenaufzüge und Rolltreppen in einem Warenhaus nicht als Betriebsvorrichtungen beurteilt; sie dienen nach seiner Auffassung der Benutzung des Gebäudes und nicht – ungeachtet ihrer Zweckmäßigkeit bzw. Notwendigkeit – der unmittelbaren Ausübung des Gewerbes. Für einen Lastenaufzug, wie er Gegenstand der Entscheidung des Senats V R 53/71 war, konnte wegen seiner unmittelbaren Verwendung im Rahmen eines Gewerbebetriebes die Einordnung als Betriebsvorrichtung nicht zweifelhaft sein (ebenso Gemeinsamer Ländererlaß vom 31. März 1967, Abschn. 14, BStBl II 1967, 127).

Im vorliegenden Fall hat das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß der Lastenfahrstuhl mehreren gewerblichen Mietern die Benutzung des Gebäudes ermöglicht, dabei jedoch offengelassen, ob der Lastenfahrstuhl zu einem oder mehreren Mietern in der besonderen und unmittelbaren Beziehung steht, die ihn nach den dargestellten Grundsätzen als Betriebsvorrichtung ausweisen würde. Da das FG eine rechtliche Beurteilung im letztgenannten Sinne trotz des Mangels entsprechender tatsächlicher Feststellungen vorgenommen hat, kann das Urteil keinen Bestand haben.

2. Das FG wird bei erneuter Verhandlung klären müssen, in welcher Weise der Lastenfahrstuhl von den Mietern genutzt worden ist. Diente er, wie die Klägerin in ihrem Revisionsvorbringen darlegt, als Personen- und Warenzubringer aller oder mehrerer Mieter, so wird das FG davon auszugehen haben, daß die Aufzugsanlagen im Funktionszusammenhang mit der Gebäudenutzung stand. Sollte in der Person eines Mieters die Annahme einer Betriebsvorrichtung gerechtfertigt sein, wird das FG abzuwägen haben, welche charakterbestimmenden Merkmale insgesamt bei der gemeinsamen Nutzung der Aufzugsanlage überwiegen (vgl. Rößler/Troll/Langner, Bewertungs- und Vermögensteuergesetz, Kommentar, 11. Aufl., § 68 BewG Anm. 29). Das Urteil des BFH vom 30. April 1976 III R 132/74 (BFHE 119, 97, BStBl II 1976, 527), welches den ausschließlichen Einsatz im Gewerbebetrieb zur Anerkennung als Betriebsvorrichtung nicht für erforderlich hält, ist hier nicht einschlägig, da es den Fall unterschiedlicher Nutzung durch ein und denselben Unternehmer behandelt.

Kommt das FG zu dem Ergebnis, daß der Lastenfahrstuhl als Betriebsvorrichtung einzuordnen ist, wird es angesichts des offenbar unstreitigen Umstands, daß der Lastenfahrstuhl bis auf wenige Teile des alten Fahrstuhlgerüsts aus Neuteilen besteht, von einer Neuinvestition auszugehen haben. Die substanzbestimmenden Teile der Fahrstuhlanlage sind Neuteile; sie geben der Anlage das Gepräge.

 

Fundstellen

BFHE 1978, 378

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