Leitsatz (amtlich)

Sogenannte Fäkalienkraftfahrzeuge sind keine selbstfahrenden Arbeitsmaschinen im Sinne der Verordnung über die Befreiung von Arbeitsmaschinen von der Kraftfahrzeugsteuer vom 21. Dezember 1936.

 

Tatbestand

Die ... KG in X (Beschwerdegegnerin - Bgin. -), die die Entleerung von Fäkalien-, Schlamm- und Schmutzwässergruben und die Kanalreinigung betreibt, hält sich für diese Zwecke bestimmte Kraftfahrzeuge, die sich von einem Lastkraftwagen dadurch unterscheiden, daß zur Ladebühne ein darauf befestigter länglicher Eisenkessel gehört, der nach der bei den Akten befindlichen Abbildung die Ladebühne nahezu vollständig ausfüllt. In den Eisenkessel werden die Fäkalien usw. vermittels einer mit dem Fahrzeug fest verbundenen Pumpe, die vom Motor des Fahrzeugs angetrieben wird, und einer an den Eisenkessel anschließbaren Schlauchleitung gepumpt. Der Inhalt des Eisenkessels wird durch das Kraftfahrzeug jeweils an die hierfür bestimmte Stelle gebracht.

Streitig ist, ob ein Kraftfahrzeug dieser Art eine selbstfahrende Arbeitsmaschine ist, die unter die Verordnung über die Befreiung von Arbeitsmaschinen von der Kraftfahrzeugsteuer vom 21. Dezember 1936 (Reichsgesetzblatt - RGBl. - I S. 1140) fällt und deren Halten nach dieser Verordnung von der Kraftfahrzeugsteuer befreit ist. Das Finanzamt macht u. a. geltend, daß nach der durch den Minister für Wirtschaft und Verkehr des Landes ... herbeigeführten Stellungnahme des Bundesministers für Verkehr ein Kraftfahrzeug dieser Art nicht als Arbeitsmaschine im Sinne des § 18 Abs. 2 Ziff. 1 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung anerkannt sei, mithin eine für die Befreiung nach der genannten Verordnung vom 21. Dezember 1936 wesentliche Voraussetzung nicht gegeben sei. Im Gegensatz dazu hält das Finanzgericht das Kraftfahrzeug für eine unter die Verordnung vom 21. Dezember 1936 fallende Arbeitsmaschine. Das Kraftfahrzeug sei seiner Art nach ein solches, das durch Anordnung des Reichsverkehrsministers im Erlaß vom 6. März 1937 K 1. 2172 (Reichsverkehrsblatt B 1937 S. 29, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1937 S. 1029) als Arbeitsmaschine anerkannt sei. Zwar würden mit dem Fahrzeug die Fäkalien usw. auch an die für deren Ablagerung bestimmten Stellen befördert, diese Beförderungsleistung trete aber gegenüber der vom Fahrzeug vorzunehmenden Arbeitsleistung der Entleerung von Gruben und der Reinigung von Kanälen derart in den Hintergrund, daß ihr keine für die Beurteilung des Fahrzeugs als Arbeitsmaschine entscheidende Bedeutung beigemessen werden könne. Das Finanzgericht nimmt noch Bezug auf das Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs II 2/50 S vom 25. Juli 1950 (Slg. Bd. 54 S. 519), wonach auch sogenannte Fäkalienkraftfahrzeuge zu den durch die erwähnte Anordnung des Reichsverkehrsministers vom Zulassungsverfahren ausgenommenen Kraftfahrzeugen gehörten.

Der Vorsteher des Finanzamts hat gegen die Entscheidung des Finanzgerichts Rechtsbeschwerde (Rb.) eingelegt. Gegenüber Rb. weist die Bgin. insbesondere darauf hin, daß mit dem in Frage stehenden Fahrzeug "ohne änderung oder Umschaltung der Konstruktion und ohne Entfernung oder Zusetzung irgend eines Gerätes" sowohl Fäkalien- und Schlammgruben entleert als auch die Kanalreinigungsarbeiten ausgeführt würden. Ein Unterschied zwischen sogenannten Fäkalienfahrzeugen und Kanalreinigungsfahrzeugen bestehe heute nicht mehr. Die Beförderungsleistung spiele in beiden Fällen die gleiche Rolle.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. hat Erfolg.

Nach § 1 der erwähnten Verordnung vom 21. Dezember 1936 ist das Halten von selbstfahrenden Arbeitsmaschinen, die auf Grund des § 31 der Reichs-Straßenverkehrs-Ordnung durch Anordnung des Reichsverkehrsministers von den Vorschriften über das Zulassungsverfahren für Kraftfahrzeuge ausgenommen sind, von der Kraftfahrzeugsteuer befreit. Die Reichs-Straßenverkehrs-Ordnung, die zur Zeit des Inkrafttretens der Verordnung galt, ist mit Wirkung vom 1. Januar 1938 außer Kraft gesetzt worden (Verordnung über die Regelung des Straßenverkehrs vom 13. November 1937, RGBl. I S. 1254). Von diesem Zeitpunkt ab schreibt § 18 Abs. 2 Ziff. 1 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung vom 13. November 1937 vor, daß diejenigen selbstfahrenden Arbeitsmaschinen von den Vorschriften über das Zulassungsverfahren ausgenommen sind, die zu einer vom Reichsverkehrsminister - jetzt Bundesminister für Verkehr (Verordnung zur änderung der Straßenverkehrs-Zulassungs- Ordnung vom 25. November 1951, Bundesgesetzblatt - BGBl. - I S. 908) bestimmten Art solcher Fahrzeuge gehören. Die Verordnung vom 21. Dezember 1936 ist zwar dieser nur förmlichen änderung des Verkehrsrechts nicht angepaßt worden. Dies ist jedoch für die Frage der Anwendbarkeit der Verordnung unter Berücksichtigung der verkehrsrechtlichen änderung unerheblich. Danach sind also diejenigen selbstfahrenden Arbeitsmaschinen von der Kraftfahrzeugsteuer befreit, die zu einer vom Reichsverkehrsminister oder einer später hierfür zuständigen Stelle bestimmten Art solcher Fahrzeuge gehören. Dabei stimmt der verkehrsrechtliche Begriff der selbstfahrenden Arbeitsmaschine (§ 18 Abs. 2 Ziff. 1 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung) mit dem steuerechtlichen Begriff der selbstfahrenden Arbeitsmaschine (§ 2 der Verordnung vom 21. Dezember 1936) sachlich überein. Die Begriffsbestimmung erfordert, daß das Kraftfahrzeug nach seiner Bauart und seinen besonderen mit dem Fahrzeug fest verbundenen Einrichtungen zur Leistung von Arbeit, nicht aber zur Beförderung von Personen oder Gütern bestimmt und geeignet ist, wobei die Eigenschaft des Kraftfahrzeugs als Arbeitsmaschine nicht dadurch ausgeschlossen wird, daß von dem Fahrzeug auch die zur Verrichtung der Arbeit erforderlichen Begleitmannschaften und Arbeitsgeräte und die sonstigen Hilfsmittel, die für die mit der Arbeitsmaschine vorzunehmenden Arbeiten notwendig sind, mitbefördert werden (§ 2 Satz 3 der Verordnung vom 21. Dezember 1936).

Die Prüfung ergibt, daß das in Frage stehende Kraftfahrzeug zu keiner Fahrzeugart gehört, die vom Reichsverkehrsminister oder einer später dafür zuständigen Stelle als selbstfahrende Arbeitsmaschine vom Zulassungsverfahren ausgenommen ist. Insbesondere fällt das Fahrzeug entgegen der Annahme des Finanzgerichts nicht unter die durch den oben angeführten Erlaß des Reichsverkehrsministers vom 6. März 1937 vom Zulassungsverfahren ausgenommenen "Kraftfahrzeuge, die nach ihrer Bauart und Einrichtung zur Kanalreinigung und -entgasung geeignet und bestimmt sind und die ausschließlich diesen Zwecken dienen", wobei der Reichsverkehrsminister für diese Fahrzeuge ausdrücklich noch auf die in der Begriffsbestimmung für Arbeitsmaschinen festgelegte Voraussetzung hinweist, "daß die Fahrzeuge nicht zur Beförderung von Gütern geeignet und bestimmt sind". Diese Voraussetzung ist bei dem in Frage stehenden Fahrzeug nicht gegeben. Der nach der Abbildung ins Auge springende Hauptbestandteil des Fahrzeugs - abgesehen von den der Fortbewegung des Fahrzeugs dienenden Teilen - ist der auf der Ladebühne fest angebrachte tonnenartige Eisenkessel, der nahezu die ganze Ladefläche des 3,38 t schweren Fahrzeugs einnimmt. In diesen Eisenkessel werden die Fäkalien usw. gepumpt, um dann durch das Fahrzeug von der Stelle, an der sie angefallen sind, an eine andere Stelle verbracht zu werden. Nach dem Gesamteindruck ist das Fahrzeug ein typischer Kesselwagen, wie er beispielsweise auch für die Beförderung von Benzin zur Versorgung von Tankstellen gebraucht wird. Es kann nicht bestritten werden, daß damit das in Frage stehende Fahrzeug nach seiner Bauart und seinen besonderen Einrichtungen zur Beförderung von Gütern geeignet und auch bestimmt ist, auch wenn das Fahrzeug noch mit Einrichtungen versehen ist, die zur Leistung von außerhalb seines Wesens als Fahrzeug liegenden Arbeiten dienen. Als Güter im Sinne der Begriffsbestimmung für Arbeitsmaschinen gelten auch Fäkalien usw. Sowohl in der verkehrsrechtlichen Begriffsbestimmung für Arbeitsmaschinen als auch in der steuerrechtlichen Begriffsbestimmung wird die Bezeichnung Güter im Gegensatz zu Personen verwendet. Güter in diesem Sinne sind demnach alle sächlichen Gegenstände ohne Rücksicht auf ihren wirtschaftlichen Wert und den Zweck, der mit ihrer Beförderung verfolgt wird. Vgl. hierzu auch die Entscheidung des Reichsfinanzhofs II A 1203/24 vom 30. Januar 1925 (Slg. Bd. 15 S. 219). Der Bundesminister für Verkehr hat daher mit Recht die Frage, ob ein sogenanntes Fäkalienkraftfahrzeug unter den Erlaß des Reichsverkehrsministers vom 6. März 1937 fällt, verneint. Daß ein solches Fahrzeug etwa auch noch für die Kanalreinigung verwendbar ist, wie das die Bgin. in bezug auf das in Frage stehende Fahrzeug behauptet, ändert nichts an der für die Beurteilung des Fahrzeugs entscheidenden Tatsache, daß das Fahrzeug nach seiner Bauart und Einrichtung zur Beförderung von Gütern geeignet und bestimmt ist. Der Erlaß des Reichsverkehrsministers verlangt übrigens für die Anerkennung eines Kanalreinigungs- und -entgasungskraftfahrzeugs als selbstfahrende Arbeitsmaschine, daß das Fahrzeug ausschließlich der Kanalreinigung und -entgasung dient. Bei dem in Frage stehenden Fahrzeug wäre auch diese Voraussetzung nicht erfüllt.

Bei der klaren Sach- und Rechtslage bedarf es der von der Bgin. noch gewünschten Einholung einer gutachtlichen äußerung über das in Frage stehende Fahrzeug nicht. Daß das Fahrzeug, worauf die Bgin. hinweist, als Arbeitsmaschine versichert ist, ist für die Beurteilung ohne Belang. Soweit der Oberste Finanzgerichtshof in seinem Urteil II 2/50 S vom 25. Juli 1950 hinsichtlich der kraftfahrzeugsteuerlichen Beurteilung der Fäkalienkraftfahrzeuge eine andere Auffassung vertreten hat, vermag der Senat ihr in bezug auf ein Fäkalienkraftfahrzeug der im Streitfall in Frage stehenden Art nicht zu folgen.

Hiernach war die Vorentscheidung aufzuheben und - die Sache ist spruchreif - die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407619

BStBl III 1953, 131

BFHE 1954, 330

BFHE 57, 330

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