Leitsatz (amtlich)

Eine frühere Tätigkeit als Helfer in Steuersachen kann nicht der Ausübung des Berufes als Steuerbevollmächtigter i. S. des § 118 b Abs. 1 Satz 1 StBerG gleichgestellt werden.

 

Normenkette

StBerG § 118b Abs. 1 S. 1, § 109 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) schloß im Jahre 1956 sein wirtschafts- und sozialwissenschaftliches Hochschulstudium mit der Prüfung als Diplom-Kaufmann ab, nahm in den Jahren 1957 und 1958 an einem Lehrgang für Betriebswirte teil und bestand die Prüfung als Helfer in Steuersachen. Von 1958 bis 1961 war er als beratender Betriebswirt und als Helfer in Steuersachen tätig und in den Jahren 1963 bis 1974 als Arbeitnehmer in verschiedenen Unternehmen beschäftigt. Im August 1974 ließ er sich von der OFD als Steuerbevollmächtigter wiederbestellen.

Mit einer gegen die Kammer der Steuerbevollmächtigten erhobenen Klage begehrte der Kläger, diese zu verpflichten, ihn nach § 118 b StBerG vom 16. August 1961 (BGBl I 1961, 1301) i. d. F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vom 11. August 1972 (BGBl I 1972, 1401) zum Seminar zuzulassen.

Das FG gab der Klage durch Urteil vom 10. Oktober 1974 statt und führte aus:

Die Beklagte und Revisionsklägerin (Beklagte) habe den an sie gerichteten Antrag des Klägers, ihn zu dem Seminar zuzulassen, mit der Begründung abgelehnt, der Kläger sei nicht, wie das in § 118 b Abs. 1 StBerG gefordert wurde, drei Jahre lang als Steuerbevollmächtigter tätig gewesen. Die dagegen erhobene Klage sei begründet. Der Kläger habe nach § 118 b Abs. 1 StBerG einen Anspruch darauf, an einem von der zuständigen Arbeitsgemeinschaft der Berufskammern durchgeführten Seminar teilzunehmen. Im Rahmen der Voraussetzungsvorschriften für die Teilnahme an dem Seminar sei die Ausübung des Berufs als Helfer in Steuersachen der Ausübung des Berufs als Steuerbevollmächtigter gleichzusetzen. Denn durch § 109 StBerG seien die Helfer in Steuersachen ohne Prüfung Steuerbevollmächtigte geworden. Hier komme noch hinzu, daß der Kläger auch während seiner Tätigkeit als Angestellter auf dem Gebiet des Steuerwesens tätig geblieben sei. Es bestünden daher keine Bedenken, seine fachliche Qualifikation zu bejahen, zumal ihn die OFD nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 StBerG als Steuerbevollmächtigten wiederbestellt habe.

Mit der Revision machte die Beklagte zunächst geltend, sie sei nicht passiv legitimiert. Im Februar 1975 teilte ihr Prozeßbevollmächtigter mit: Durch den am 1. Januar 1975 in Kraft getretenen § 118 c StBerG seien die Kammer der Steuerbevollmächtigten und die frühere Steuerberaterkammer zu einer neuen Steuerberaterkammer zusammengeschlossen worden. Die Steuerberaterkammer sei auch Rechtsnachfolgerin der Arbeitsgemeinschaft nach § 118 b Abs. 2 StBerG. Die Ausführungen über die Passivlegitimation der beklagten Kammer der Steuerbevollmächtigten hätten sich daher mit dem 31. Dezember 1974 erledigt.

Gegenstand der Revision sei ausschließlich die Frage, ob § 118 b Abs. 1 Nr. 2 StBerG im Gegensatz zu seinem Wortlaut dahin ausgelegt werden müsse, daß ein Bewerber zum Seminar auch dann zuzulassen sei, wenn er seinen Beruf als Steuerbevollmächtigter oder als Helfer in Steuersachen sechs bzw. drei Jahre hauptberuflich ausgeübt habe. Diese Frage sei zu verneinen. § 118 b Abs. 1 StBerG weiche von § 5 Abs. 3 Nr. 1 StBerG i. d. F. vom 16. August 1961 ab. Dort sei vorgesehen gewesen, daß bei Steuerbevollmächtigten, die ihren Beruf zehn Jahre lang hauptberuflich ausgeübt haben, von den Vorbildungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 StBerG habe abgesehen werden können. Es sei daher unstreitig gewesen, daß auf die Zeit der Berufstätigkeit die Tätigkeit als Helfer in Steuersachen anzurechnen gewesen sei. Wenn demgegenüber in § 118 b Nr. 1 die Worte "als Steuerbevollmächtigter" hinzugefügt worden seien, so müsse schon nach dem Wortlaut des Gesetzes die Anrechnung einer Tätigkeit als Helfer in Steuersachen ausgeschlossen sein.

Diese Auslegung entspreche auch dem Sinn des Gesetzes. Durch das 2. Änderungsgesetz vom 11. August 1972 seien die allgemeinen Voraussetzungen für die Zulassung zur Prüfung als Steuerberater in § 5 festgelegt worden. In den Übergangsvorschriften, insbesondere in § 118 b StBerG, habe dagegen nur der Zusammenschluß von Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten zu einem einheitlichen steuerberatenden Beruf geregelt werden sollen. § 118 b StBerG sei im Zusammenhang mit diesen Übergangsbestimmungen zu sehen, insbesondere damit, daß der Zugang zur Berufsgruppe der Steuerbevollmächtigten nach einer Übergangszeit von acht Jahren geschlossen werde (§ 118 a StBerG) und daß die Kammerorganisationen zum 1. Januar 1975 zusammengelegt worden seien (§§ 118 c und 118 d StBerG). Der Gesetzgeber habe daher in § 118 b StBerG die Zulassung zu dem Übergangsseminar bewußt auf Steuerbevollmächtigte begrenzt.

Diese Unterscheidung sei auch sinnvoll. Die Tätigkeiten der früheren Helfer in Steuersachen und der Steuerbevollmächtigten seien nämlich nicht gleichartig. Durch das Steuerberatungsgesetz sei im Jahre 1961 das Berufsbild der ehemaligen Helfer in Steuersachen erheblich geändert worden. Schon deshalb erscheine es fraglich, ob man eine Gleichrangigkeit des Berufsbildes eines früheren Helfers in Steuersachen und eines Steuerbevollmächtigten habe annehmen können, wie dies im angefochtenen Urteil geschehen sei.

Entscheidend sei, daß durch die Entwicklung in den Jahren 1961 bis 1972 das Berufsbild des Steuerbevollmächtigten sich immer mehr von dem des früheren Helfers in Steuersachen entfernt habe. Das komme in mehreren Gesetzesänderungen zum Ausdruck.

Der Kläger hat hierauf erwidert:

Der Umstand, daß nach § 118 b Abs. 1 Satz 1 StBerG abweichend von § 5 Abs. 3 Nr. 1 StBerG a. F. die Berufsausübung "als Steuerbevollmächtigter" verlangt wird, lasse nicht den Schluß zu, eine frühere Tätigkeit als Helfer in Steuersachen könne nicht mehr angerechnet werden. Aus der Unterscheidung zwischen den beiden Vorschriften sei gerade der umgekehrte Schluß zu ziehen. Das entspreche auch dem Sinn des Gesetzes. Nachdem beim Inkrafttreten des Steuerberatungsgesetzes am 1. November 1961 die Tätigkeit als Helfer in Steuersachen für die Bestellung zum Steuerbevollmächtigten angerechnet worden sei, müsse das heute erst recht gelten. Denn zur Tätigkeit als Helfer in Steuersachen komme nunmehr zwangsläufig eine mehr oder weniger lange Tätigkeit als Steuerbevollmächtigter und ggf. - wie hier - eine zusätzliche berufliche Erfahrung im Steuerrecht der Personen- und Kapitalgesellschaften hinzu.

Die Unterscheidungsmerkmale zwischen dem Berufsbild des Steuerbevollmächtigten und dem des früheren Helfers in Steuersachen seien nur formeller Art und rechtfertigten nicht eine so weitgehende Schlußfolgerung, wie sie die Beklagte ziehe. In bezug auf den materiellen Wissensstand habe zwischen beiden Berufsbildern zwangsläufig zunächst kein Unterschied bestanden. Dem entspreche § 109 StBerG.

Im übrigen könne es nicht dem Sinn des Gesetzes entsprechen, einen Antragsteller selbst dann zum Seminar zuzulassen, wenn er in den letzten zehn Jahren völlig berufsfremd tätig gewesen sei, dagegen ihm - dem Kläger - die Zulassung zu versagen, obgleich er in dieser Zeit als Angestellter namhafter Betriebe sämtliche Bilanzen und Steuererklärungen selbständig angefertigt habe und für die Buchführungen verantwortlich gewesen sei.

Die Beklagte beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig und begründet.

Seit dem 1. Januar 1975 bilden die Steuerberater und Steuerbevollmächtigten, die in einem Oberfinanzbezirk ihre berufliche Niederlassung haben, eine Berufskammer, die die Bezeichnung "Steuerberaterkammer" führt (§ 31 Abs. 1 StBerG i. d. F. des 2. Änderungsgesetzes vom 11. August 1972. Diese Berufskammer ist nach § 118 c Abs. 1 StBerG Rechtsnachfolgerin der im Oberfinanzbezirk bestehenden Berufskammer der Steuerberater und Berufskammer der Steuerbevollmächtigten. In der gegenwärtigen Sache ist daher als Beklagte und Revisionsklägerin an die Stelle der Kammer der Steuerbevollmächtigten die Steuerberaterkammer getreten.

Die ursprünglich beklagte Kammer der Steuerbevollmächtigten war nach § 3 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung zur Durchführung des § 118 b des Steuerberatungsgesetzes vom 9. März 1973 (BGBl I, 199) zuständig für die Bestätigung, daß die Voraussetzungen des § 118 b Abs. 1 Nr. 1 StBerG vorliegen.

Nach § 118 b Abs. 1 Satz 1 StBerG wird ein Steuerbevollmächtigter zum Steuerberater bestellt, wenn er

1. seinen Beruf als Steuerbevollmächtigter sechs Jahre lang hauptberuflich ausgeübt hat,

2. nach Erfüllung der Voraussetzung zu Nr. 1 an einem von der zuständigen Arbeitsgemeinschaft der Berufskammern durchgeführten Seminar erfolgreich teilgenommen hat.

Für Steuerbevollmächtigte, die - wie der Kläger - ein wirtschaftswissenschaftliches Hochschulstudium abgeschlossen haben, verkürzt sich der vorausgesetzte Zeitraum der Berufsausübung von sechs auf drei Jahre (§ 118 b Abs. 1 Satz 3 StBerG).

Der Kläger kann nach § 118 b Abs. 1 Sätze 1 und 3 StBerG zu dem Seminar erst zugelassen werden, wenn er seinen Beruf als Steuerbevollmächtigter drei Jahre hauptberuflich ausgeübt hat. Seine frühere Tätigkeit als Helfer in Steuersachen kann nicht der Ausübung des Berufs als Steuerbevollmächtigter i. S. des § 118 b Abs. 1 Satz 1 StBerG gleichgestellt werden. Weder der Wortlaut dieser Vorschrift noch die Bestimmungen des § 109 StBerG lassen das zu.

Durch § 109 Abs. 1 StBerG wurden zwar Helfer in Steuersachen, die beim Inkrafttreten des Steuerberatungsgesetzes am 1. November 1961 bestellt oder endgültig zugelassen waren, ohne weiteres Steuerbevollmächtigte. Sie verloren aber diese neue Eigenschaft ebenfalls von Gesetzes wegen, wenn sie nicht gemäß § 109 Abs. 2 StBerG innerhalb von sechs Monaten nach dem Inkrafttreten des Gesetzes ihre Eintragung in das Berufsregister beantragten, außerdem nachwiesen, daß sie beim Inkrafttreten des Gesetzes öffentlich bestellt bzw. endgültig zugelassen waren, und versicherten, daß sie die Pflichten eines Steuerbevollmächtigten gewissenhaft erfüllen würden.

Die Übergangsbestimmungen des § 109 StBerG hatten somit zur Folge, daß es mit dem Inkrafttreten des Steuerberatungsgesetzes am 1. November 1961 keine Helfer in Steuersachen mehr gab. Als daher der Gesetzgeber durch das 2. Änderungsgesetz vom 11. August 1972 den § 118 b in das Steuerberatungsgesetz einfügte, bestand für ihn kein Anlaß, in diese Vorschrift frühere Helfer in Steuersachen einzubeziehen. Die Vorschrift kann deshalb nicht entgegen ihrem Wortlaut dahin ausgelegt werden, daß der Gesetzgeber durch sie auch die frühere Tätigkeit von Helfern in Steuersachen erfassen wollte. Es entspricht vielmehr der für den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Steuerberatungsgesetzes getroffenen Übergangsregelung des § 109 StBerG, wenn gemäß dem Wortlaut des § 118 b Abs. 1 Satz 1 StBerG die frühere Tätigkeit eines Helfers in Steuersachen, der nach § 109 StBerG mit dem Inkrafttreten des Steuerberatungsgesetzes ohne weiteres Steuerbevollmächtigter wurde, nicht zur Ausübung seines nunmehrigen Berufes als Steuerbevollmächtigter gerechnet wird. Der Gesetzgeber hat durch das Steuerberatungsgesetz den Beruf des Steuerbevollmächtigten erstmals geschaffen und seine Verhältnisse geregelt. Mit der Vorschrift des § 109 Abs. 1 StBerG, daß die beim Inkrafttreten des Gesetzes öffentlich bestellten oder endgültig zugelassenen Helfer in Steuersachen Steuerbevollmächtigte sind, ohne nochmals bestellt zu werden, hat er die bisherigen berufsrechtlichen Verhältnisse dieser Personen an das neue Berufsrecht angepaßt, das Helfer in Steuersachen nicht mehr kennt. Darin muß eine abschließende Würdigung der bisherigen beruflichen Tätigkeit dieser Personen gesehen werden.

Es verstößt nicht gegen den durch § 109 und § 118 b StBerG zum Ausdruck gekommenen Sinn des Gesetzes, bei einem mit dem Kläger vergleichbaren Helfer in Steuersachen, der nach dem Inkrafttreten des Steuerberatungsgesetzes zunächst drei Jahre lang hauptberuflich als Steuerbevollmächtigter, dann aber zehn Jahre lang anders tätig war, nach einer Wiederbestellung als Steuerbevollmächtigter die Erfüllung der Voraussetzung des § 118 b Abs. 1 Satz 1 StBerG anzuerkennen, jedoch bei dem auch im Angestelltenverhältnis auf dem Gebiet des Steuerrechts tätig gebliebenen Kläger das Vorliegen dieser Voraussetzungen zu verneinen. Denn das Steuerberatungsgesetz sieht die berufliche Tätigkeit des Steuerbevollmächtigten als selbständig ausgeübte geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen an, insbesondere als Vertretung und Beratung von Auftraggebern in deren Steuerangelegenheiten und als Hilfeleistung bei der Erfüllung der diesen obliegenden Pflichten (vgl. §§ 1 und 2 StBerG). Es ist demnach nicht ohne Sinn, wenn § 118 b Abs. 1 Satz 1 StBerG für eine Zulassung zum Seminar voraussetzt, daß der Steuerbevollmächtigte seinen Beruf während einer Zeit von sechs bzw. drei Jahren ausgeübt hat, und wenn diese Voraussetzung derjenige nicht erfüllt, der eine solche Mindestzeit in der Praxis als selbständiger Helfer und Berater i. S. der §§ 1 und 2 StBerG noch nicht verbracht hat, sondern als Angestellter seinem Arbeitgeber nach dessen Weisungen Dienste leistete.

Es kann im übrigen nicht Aufgabe des Gerichts sein, darüber zu befinden, ob es trotz der bereits im Jahre 1961 durch § 109 Abs. 1 StBerG herbeigeführten Anpassung der berufsrechtlichen Verhältnisse der früheren Helfer in Steuersachen bei der im Jahre 1972 geschaffenen Regelung des § 118 b StBerG über die Bestellung von Steuerbevollmächtigten zu Steuerberatern noch angezeigt gewesen wäre, auch Fälle der hier vorliegenden Art einzubeziehen. Denn es lag im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, hiervon abzusehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71523

BStBl II 1975, 792

BFHE 1976, 248

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