Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, ob eine Grundstücksübertragung in Ausführung eines im Rahmen eines Ehescheidungsverfahrens zur Abfindung der gesetzlichen Unterhaltsansprüche geschlossenen "Vergleichs" als Schenkung im Sinne des § 3 Nr. 2 GrEStG behandelt werden kann.

 

Normenkette

GrEStG § 3 Nr. 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer übertrug "in Erfüllung des vor dem Landgericht ... abgeschlossenen Vergleiches zur Abfindung der gesetzlichen Unterhaltsansprüche" durch "Schenkungs- und Grundstücksübereignungsvertrag" im Mai 1968 seine ideelle Hälfte an dem im Miteigentum der Ehegatten stehenden Grundstück auf seine Ehefrau, mit der er in Scheidung lebte.

Nach vorläufiger Steuerfestsetzung setzte das FA (Beklagter und Beschwerdegegner) durch Einspruchsentscheidung unter Berufung auf das Urteil des RFH II A 573/30 vom 29. Oktober 1930 (Mrozek-Kartei, Grunderwerbsteuergesetz, § 8 Nr. 1, Rechtsspruch 30; Deutsche Verkehrssteuer-Rundschau 1931 S. 45) eine Grunderwerbsteuer endgültig höher fest, und zwar gegen den Beschwerdeführer, der die durch den Vertrag entstehenden Kosten einschließlich Steuern übernommen hatte. Als Besteuerungsgrundlage nahm der Beschwerdegegner den mit dem halben Verkehrswert des Grundstücks abzüglich des Valuta-Betrages der Grundpfandrechte geschätzten Wert des Unterhaltsabfindungsanspruches der Ehefrau des Beschwerdeführers an.

Mit der Klage hält der Beschwerdeführer seine Auffassung aufrecht, daß der Erwerbsvorgang gemäß § 3 Nr. 2 GrEStG befreit sei, weil seine - zwischenzeitlich geschiedene - Ehefrau als Angestellte im öffentlichen Dienst so ausreichend verdiene und angestelltenversichert sei, daß deren gesetzliche Unterhaltsansprüche tatsächlich und rechtlich keinen Gegenwert enthielten.

Den gleichzeitig gestellten Antrag, die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheides auszusetzen, hat das FG abgewiesen.

Mit der Beschwerde wiederholt der Beschwerdeführer sein Vorbringen, daß Unterhaltsansprüche seiner geschiedenen Ehefrau praktisch nicht in Betracht kämen und deshalb nicht als entgeltliche Gegenleistung angesehen werden könnten.

Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Der Senat teilt die Auffassung des FG, daß an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheides nach dem auf Grund des vorliegenden Prozeßstoffes erkennbaren, in diesem Aussetzungsverfahren maßgebenden Sachverhalt (Beschluß des BFH II B 17/68 vom 23. Juli 1968, BFH 92, 440, BStBl II 1968, 589) ernstliche Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO nicht bestehen (vgl. BFH-Beschlüsse III B 9/66 vom 10. Februar 1967, BFH 87, 447, 450, 451, BStBl III 1967, 182; III B 21/66 vom 30. Juni 1967 zu III 3, BFH 89, 92, BStBl III 1967, 533).

Das FG hat - soweit im summarischen Verfahren erkennbar - sich zutreffend auf den Standpunkt gestellt, daß die Übertragung des Grundstücksmiteigentumsanteils durch den Beschwerdeführer auf seine damalige Ehefrau nicht als Grundstücksschenkung im Sinne des § 3 Nr. 2 GrEStG und damit des § 3 ErbStG, d. h. - von den Tatbeständen des § 3 Abs. 1 Nrn. 3 bis 8 ErbStG abgesehen - als Schenkung im Sinne des bürgerlichen Rechts (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) oder als andere freigebige Zuwendung (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) betrachtet werden kann. Merkmal der Schenkung ist die Unentgeltlichkeit (§ 516 Abs. 1 BGB) oder die Freigebigkeit (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Unerheblich ist, daß der Vertrag vom Mai 1968 als "Schenkungs- und Grundstücksübertragungsvertrag" überschrieben ist. Maßgebend ist der wirkliche Parteiwille. Bereits nach dem ersten Anschein, wie er sich aus den schriftlich niedergelegten Vereinbarungen ergibt, spricht die Wahrscheinlichkeit eindeutig gegen die Qualifikation des Gewollten als Schenkung (vgl. BFH-Beschluß II B 35/68 vom 12. Dezember 1968, BFH 94, 357, BStBl II 1969, 173).

In Ziff. I des gerichtlichen Vergleichs von Ende April 1968 hatte der Beschwerdeführer sich im Rahmen des Ehescheidungsprozesses verpflichtet, seine Grundstücksmiteigentumshälfte auf seine Ehefrau zu übertragen. Die Ehefrau verzichtete "als Gegenleistung für Ziff. I auf Unterhalt für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, auch für den Fall des Notbedarfs". Dementsprechend heißt es im Grundstücksübertragungsvertrag vom Mai 1968, daß die Eigentumsübertragung "in Erfüllung des ... Vergleichs zur Abfindung der gesetzlichen Unterhaltsansprüche" der (inzwischen geschiedenen) Ehefrau des Beschwerdeführers erfolgte. Das hat auch der beurkundende Notar in den Erläuterungen seiner Veräußerungsanzeige ausdrücklich erklärt.

Eine (reine) Schenkung könnte schon deshalb nicht angenommen werden, weil die Erwerberin - soweit ersichtlich - damals noch mit rund 10 000 DM valutierte Grundpfandrechte als "Allein- und Selbstschuldnerin" übernahm (§ 3 des Übertragungsvertrages). Da sie bis dahin Gesamtschuldnerin war, hätte sie bei einer möglichen Inanspruchnahme auf Grund der auf dem ganzen Grundstück lastenden Gesamtgrundpfandrechte (§§ 1114, 1132, 1173, 1191, 1192 BGB) offenbar einen Ausgleichsanspruch (§ 426 Abs. 2 BGB) gegen ihren Ehemann gehabt (vgl. Soergel-Baur, Bürgerliches Gesetzbuch, 10. Aufl., § 1114 Tz. 1, § 1132 Tz. 14, § 1173 Tz. 5, § 1192 Tz. 1). Zumindest im Wegfallen des Ausgleichsanspruches müßte ggf. eine (teilweise) Gegenleistung (§ 10 Abs. 1 GrEStG) angenommen werden. Das kann jedoch in diesem Verfahren aus den folgenden Erwägungen offenbleiben.

Nach wohl einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Literatur stellt ein im Rahmen eines Ehescheidungsverfahrens geschlossener Unterhalts-"Vergleich" durch besondere Unterhaltsvereinbarung (vgl. § 72 des Ehegesetzes - EheG -) grundsätzlich keine Schenkung (kein Schenkungsversprechen) dar, da für eine Unterhaltszusage - hier in Form der Übertragung eines Grundstücksmiteigentums - nach der Lebenserfahrung für diese Unterhaltszusage in aller Regel eine Gegenleistung gewährt wird, die selbst dann, wenn die Unterhaltszusage von dem schuldlosen Ehegatten gegenüber dem allein für schuldig erklärten Ehegatten abgegeben wird. Denn auch dann, wenn der Leistung eine Gegenleistung gegenübersteht, die nicht in Geld veranschlagt werden kann (vgl. § 3 Abs. 3 ErbStG), fehlt es an der für die Schenkung (§ 516 Abs. 1 BGB) erforderlichen Unentgeltlichkeit bzw. an der (nicht mit "Freiwilligkeit" gleichzusetzenden) Freigebigkeit im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. Es handelt sich in solchen Fällen, in denen normalerweise kein Ehegatte von dem anderen Ehegatten mehr etwas "geschenkt" haben will, nicht so sehr um "entgeltliche" oder "freigebige" Verfügungen, sondern um letzte und endgültige, durch § 72 EheG ausdrücklich gestattete Regelungen der ehemaligen ehelichen Lebensgemeinschaft. Eine Schenkung kann nur in sehr seltenen Ausnahmefällen unter besonderen Umständen angenommen werden (vgl. Bundesgerichtshof, Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, § 138 [C d] BGB Nr. 4 = Zeitschrift für das gesamte Familienrecht 1956 S. 311 - FamRZ 1956, 311 -, Monatsschrift für Deutsches Recht 1957 S. 26 mit Anm. Beitzke; vgl. bereits Reichsgericht, Deutsches Recht, Ausgabe A, 1941, S. 2611 mit Anm. von Gaedeke; Urteil des Senats II 72/63 vom 28. November 1967, BFH 91, 104, BStBl II 1968, 239; Hoffmann-Stephan, Kommentar zum Ehegesetz, 2. Aufl., § 72 Tz. 40; Soergel-Vogel, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 9. Aufl., § 72 EheG Tz. 9; Hampel, FamRZ 1960, 421, 425, alle mit weiteren Nachweisen). Ein solcher Ausnahmefall ist bisher weder ausdrücklich dargetan, noch sonst ersichtlich. Er läßt sich - zumal angesichts der o. a. schriftlichen Vereinbarungen - insbesondere nicht, wie der Beschwerdeführer vielleicht meint, allein damit rechtfertigen, daß seine geschiedene Ehefrau wegen ihrer beruflichen Tätigkeit ausreichend verdiene und auch künftig voraussichtlich finanziell ausreichend gesichert sei. Hierdurch verliert der schriftlich ausdrücklich als Gegenleistung für die Grundstücksübertragung qualifizierte Verzicht der Erwerberin auf ihren gesetzlichen - also offensichtlich gemäß § 58 EheG in angemessener Höhe zu leistenden - Unterhaltsanspruch (nicht nur auf einen nach Billigkeitsgesichtspunkten möglichen Unterhaltsbeitrag im Sinne des § 60 EheG) nicht seine rechtliche oder tatsächliche Bedeutung als echte entgeltliche Gegenleistung. Auch eine großzügige Abfindung des gesetzlichen Unterhaltsanspruches wäre für sich allein keine Schenkung. Selbst ein gewisses Mißverhältnis der beiderseitigen Leistungen reicht zur Bejahung der objektiven und subjektiven Merkmale einer Schenkung nicht aus, wenn nur - erst recht im Rahmen eines "Vergleichs" - nach den Wertvorstellungen der Ehegatten ein Ausgleich wenigstens annähernd erzielt werden sollte (vgl. BFH-Urteil II 1/61 vom 6. Mai 1964, HFR 1964, 397, 398 rechte Spalte; Soergel-Ballerstedt, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 10. Aufl., § 516 BGB Tz. 14, 15 a. E., mit weiteren Nachweisen).

Die Erwerberin hatte einen gesetzlichen Anspruch auf "angemessenen", d. h. den Lebensverhältnissen der Ehegatten im Zeitpunkt der Scheidung angepaßten Lebensunterhalt. Bei nicht vorhergesehener wesentlicher Verringerung der anrechenbaren Einkünfte des Unterhaltsberechtigten kann sich die Verpflichtung zur Entrichtung des angemessenen Unterhalts (wieder) einstellen oder erhöhen; ggf. ist ein höherer Unterhaltsanspruch durch Abänderungsklage gemäß § 323 ZPO durchsetzbar (vgl. im einzelnen Hoffmann-Stephan, a. a. O., § 58 Tz. 30 bis 61, 70; Soergel-Vogel, a. a. O., § 58 Tz. 9 ff.). Hat aber der unterhaltsberechtigte Ehegatte auf seinen gesetzlichen Unterhaltsanspruch für alle Zeiten durch "Vergleich" verzichtet, so ist sein Unterhaltsanspruch grundsätzlich gänzlich und endgültig, ohne Möglichkeit des Widerrufs des Verzichts, erloschen, so daß selbst bei nachträglicher Hilfsbedürftigkeit nur in den seltensten Fällen (auch nicht mit einer Abänderungsklage) gegen den Unterhaltsverzicht angegangen werden kann (Hoffmann-Stephan, a. a. O., § 72 Tz. 43 ff., 46; Soergel-Vogel, a. a. O., § 72 Tz. 10 a. E., 19 a. E., Hampel, FamRZ 1960, 423, 426). Im vorliegenden Fall hat die Erwerberin ausdrücklich auf Unterhalt auch für den Fall künftigen Notbedarfs verzichtet. Wenn aber Ehegatten im Zusammenhang mit der Scheidung derartige Vereinbarungen treffen, um alle gegenwärtigen und künftigen Ungewißheiten über Eintritt, Höhe oder Wiedereintritt einer Unterhaltspflicht auszuräumen, so muß, sofern der Beschwerdeführer nicht gewichtige gegenteilige Umstände anzuführen vermag, davon ausgegangen werden, daß Grundstücksübertragung einerseits und Unterhaltsverzicht andererseits in so enger Wechselbeziehung stehen, daß sie nicht nur als Leistung und Gegenleistung die - ohnehin nur ausnahmsweise mögliche - Annahme einer Schenkung ausschließen, sondern auch, daß die gegenseitigen Leistungen - trotz oder gerade wegen gewisser Unsicherheitsfaktoren - sich ungefähr gleichwertig gegenüberstehen.

Gegen die Art der Berechnung des Wertes der Gegenleistung (§ 10 Abs. 1 GrEStG) an sich hat der Beschwerdeführer in dieser Instanz ausdrückliche Einwendungen nicht erhoben. Nach den letztgenannten Umständen und Erwägungen ist es deshalb in Übereinstimmung mit den Ausführungen des FG in diesem Aussetzungsverfahren nicht zu beanstanden, daß der Beschwerdegegner nach den bisher erkennbaren Umständen dieses Falles den Wert des Verzichts der Erwerberin auf jeglichen Unterhalt mit dem halben Verkehrswert des Grundstücks abzüglich der Valuta der Grundpfandrechte angesetzt hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69192

BStBl II 1971, 184

BFHE 1971, 136

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