Zusammenfassung

 
Überblick

Immer wieder stellen Professionelle Scheinbewerber (AGG-Hopper) eine Herausforderung für Unternehmen dar. Sie bewerben sich nicht auf eine Stelle, um diese zu bekommen, sondern um wegen Diskriminierung später eine Entschädigung zu erhalten. Von genau dieser Problematik sowie von den Handlungsmöglichkeiten für Unternehmen handelt dieser Beitrag.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

AGG, EuGH, Urteil v. 28.7.2016, C-423/15 sowie diverse BAG-Entscheidungen.

1 Einleitung

Eine plakative Umschreibung des Phänomens des "AGG-Hoppings" findet sich im Internet: "Mit diesem Begriff bezeichnet man Personen, die davon leben, diskriminiert zu werden."[1] Der Begriff des "AGG-Hoppers" ist damit kein Rechtsbegriff. Vielmehr wird damit eine Situation beschrieben, in welcher sich jemand auf eine bestimmte Stelle bewirbt – nicht aber, um diese zu bekommen, sondern um wegen Diskriminierung später eine Entschädigung zu verlangen. Wie ein solches Verhalten rechtlich zu bewerten ist, darüber herrscht kein Streit mehr: "Bewirbt" sich jemand nämlich nicht tatsächlich, sondern will er nur aus der formalen Bewerberstellung heraus eine Entschädigung beanspruchen, handelt er rechtsmissbräuchlich und wird von den Vorschriften, die eine Diskriminierung verhindern sollen, nicht geschützt.[2] Insofern führt die obige Beschreibung auch in die Irre, weil es beim Phänomen des "AGG-Hoppings" gar nicht um Diskriminierung geht. Weil der Begriff des "AGG-Hoppers" auch sonst das Phänomen nicht richtig beschreibt, wird im Folgenden vom "professionellen Scheinbewerber" gesprochen. Schwierig gestaltet es sich allerdings in der Praxis, den professionellen Scheinbewerber vom tatsächlichen und möglicherweise diskriminierten Bewerber zu unterscheiden.

Eine ähnliche Problematik gab es auch schon vor Inkrafttreten des AGG. Denn bis dahin gab es eine ähnliche Norm in § 611a BGB, die nur eine Diskriminierung wegen des Geschlechts verbot.[3]

Seit einiger Zeit wird die AGG-Problematik teilweise noch erweitert, indem der Bewerber im weiteren Verfahren einen Anspruch auf Auskunft über die gespeicherten Daten nach der DSGVO stellt, um in dem Fall, dass der Arbeitgeber keine Auskunft erteilt, einen zusätzlichen Entschädigungsanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO geltend machen zu können.

Im Folgenden wird anhand des typischen Gangs einer diskriminierenden Stellenanzeige bis zur gerichtlichen Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs die Problematik der professionellen Scheinbewerbung erörtert.

[1] https://www.bosslet-spiegel.de/agg-hopping/, abgerufen am 23.5.2023.
[3] § 611a BGB a. F. lautete:

(1) ¹Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme, insbesondere bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses, beim beruflichen Aufstieg, bei einer Weisung oder einer Kündigung, nicht wegen seines Geschlechts benachteiligen. ²Eine unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts ist jedoch zulässig, soweit eine Vereinbarung oder eine Maßnahme die Art der vom Arbeitnehmer auszuübenden Tätigkeit zum Gegenstand hat und ein bestimmtes Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für diese Tätigkeit ist. ³Wenn im Streitfall der Arbeitnehmer Tatsachen glaubhaft macht, die eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten lassen, trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, daß nicht auf das Geschlecht bezogene, sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen oder das Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für die auszuübende Tätigkeit ist.

(2) Verstößt der Arbeitgeber gegen das in Absatz 1 geregelte Benachteiligungsverbot bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses, so kann der hierdurch benachteiligte Bewerber eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen; ein Anspruch auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses besteht nicht.

(3) ¹Wäre der Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden, so hat der Arbeitgeber eine angemessene Entschädigung in Höhe von höchstens drei Monatsverdiensten zu leisten. ²Als Monatsverdienst gilt, was dem Bewerber bei regelmäßiger Arbeitszeit in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis hätte begründet werden sollen, an Geld- und Sachbezügen zugestanden hätte.

(4) ¹Ein Anspruch nach den Absätzen 2 und 3 muß innerhalb einer Frist, die mit Zugang der Ablehnung der Bewerbung beginnt, schriftlich geltend gemacht werden. ²Die Länge der Frist bemißt sich nach einer für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen im angestrebten Arbeitsverhältnis vorgesehenen Ausschlußfrist; sie beträgt mindestens zwei Monate. ³Ist eine solche Frist für das angestrebte Arbeitsverhältnis nicht bestimmt, so beträgt die Frist sechs Monate.

(5) Die Absätze 2 bis 4 gelten beim beruflichen Aufstieg entsprechend, wenn auf den Aufstieg kein Anspruch besteht.

2 Ausgangssituation

Gemäß § 11 AGG ist eine Arbeitsplatzausschreibung unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG, der wiederum auf § 1 AGG verweist, verboten. Ein erfolgreiches Verlangen einer Entschädigung nach § 1...

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