Leitsatz

Hat ein Wohnungseigentümer erfolglos einen Beschluss angefochten, durch den der Verwalter zur gerichtlichen Geltendmachung einer Forderung gegen ihn ermächtigt worden ist, bestimmt sich der Wert seiner Beschwer grundsätzlich nach dem Nennbetrag der Forderung.

 

Normenkette

§ 46 Abs. 1 WEG; § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO

 

Das Problem

  1. Die Wohnungseigentümer beschließen, dass der Verwalter V namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer B gegen Wohnungseigentümer K einen Betrag von 4.427,63 EUR einklagen soll. Gegen diesen Beschluss geht K vor.
  2. Das Amtsgericht weist die Anfechtungsklage ab. Die Berufung verwirft das Landgericht als unzulässig. Das Landgericht meint, K's Beschwer bemesse sich nach seinem Anteil an den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz im Fall der Klageabweisung; danach ergebe sich ein Betrag von 111,93 EUR. K's Interesse, die Erhebung der Anfechtungsklage überhaupt zu vermeiden, müsse hingegen außer Betracht bleiben. Dieses Interesse könne in dem gegen ihn geführten Rechtsstreit wahren. Gegen diese Sichtweise wendet sich K mit der Rechtsbeschwerde.
 

Die Entscheidung

Mit Erfolg! Die Abweisung der Anfechtungsklage beschwere K mit über 600 EUR.

  1. Maßgebend für den Wert des Beschwerdegegenstands sei das Interesse eines Berufungsklägers an der Abänderung des angefochtenen Urteils; dieses sei unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bewerten. Dabei sei auch in wohnungseigentumsrechtlichen Verfahren allein auf die Person des Rechtsmittelführers, seine Beschwer und sein Änderungsinteresse abzustellen (Hinweis auf BGH v. 9.2.2012, V ZB 211/11, ZWE 2012 S. 224 Rn. 4).
  2. Hiervon ausgehend habe das Landgericht K's Beschwer rechtsfehlerhaft bemessen. K's Interesse bestehe nicht in der Abwehr einer möglichen anteilsmäßigen Belastung mit Prozesskosten, sondern liege in der Verhinderung der gerichtlichen Geltendmachung der gegen ihn gerichteten Forderung. Zu der Erhebung einer Klage im Namen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sei der Verwalter nach § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WEG nämlich nur berechtigt, soweit er hierzu durch Vereinbarung oder Beschluss der Wohnungseigentümer mit Stimmenmehrheit ermächtigt sei. Gelänge es K, V's Ermächtigung als Voraussetzung für eine Klageerhebung zu beseitigen, könnte die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Forderung nicht geltend machen.
  3. Habe ein Wohnungseigentümer erfolglos einen Beschluss angefochten, durch den der Verwalter zur gerichtlichen Geltendmachung einer Forderung gegen ihn ermächtigt worden sei, bestimme sich der Wert seiner Beschwer deshalb grundsätzlich nach dem Nennbetrag der Forderung (Hinweis auf BGH v. 19.6.2013, V ZB 182/12, MDR 2013 S. 961 Rn. 10). Folglich sei K in Höhe von 4.427,63 EUR beschwert.
 

Kommentar

Anmerkung
  1. Im Fall geht es in 2-facher Weise um die Willensbildung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer:

    • Die Wohnungseigentümer müssen insoweit zum einen beschließen, ob die Gemeinschaft gegen einen Wohnungseigentümer oder einen Dritten, zum Beispiel einen Werkunternehmer, vorgeht.
    • Zum anderen müssen die Wohnungseigentümer beschließen, wer die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bei einer solchen Klage vertreten soll.

    Ist die Willensbildung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer fehlerhaft, kann ein Wohnungseigentümer gegen die Willensbildung vorgehen. Zum einen kann der entsprechende Beschluss formell fehlerhaft sein, was zum Beispiel der Fall ist, wenn der Verwalter Eigentümer fehlerhaft zur Versammlung geladen hat. Zum anderen kann der entsprechende Beschluss inhaltlich (materiell) fehlerhaft sein. Dies ist der Fall, wenn eine Klageerhebung gegen den Wohnungseigentümer oder den Dritten keiner ordnungsmäßigen Verwaltung entspricht. Die Wohnungseigentümer haben insoweit ein Ermessen, das vom Gericht nur auf Fehler hin überprüft werden kann. Ist es vertretbar, gegen einen Wohnungseigentümer einer Forderung einzuklagen, ist ein Ermessensfehler in der Regel nicht erkennbar.

  2. Der Verwalter ist für eine Vertretung insoweit nicht von Gesetzes wegen ermächtigt, sondern bedarf immer – ist nichts anderes vereinbart – im Wege des Beschlusses einer ausdrücklichen Ermächtigung zur Vertretung der Gemeinschaft. Fehlt es an einer solchen Ermächtigung, vertreten die Wohnungseigentümer die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (siehe § 27 Abs. 3 Satz 2 WEG). Es reicht daher nicht, gegen die Ermächtigung des Verwalters vorzugehen, da dann die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer immer noch von den Wohnungseigentümern vertreten werden kann und muss. Der Bundesgerichtshof irrt daher, wenn er meint, die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sei bereits dann handlungsunfähig, wenn der Verwalter nicht ermächtigt ist, für diese zu handeln.

Was ist für den Verwalter wichtig?

Der Fall erinnert den Verwalter nachdrücklich daran, für jedes Verfahren, das im Namen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümerin als Klägerin (Aktivverfahren) führt, sich eine Ermächtigung der Wohnungseigentümer für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu versichern. Der Verwalter ist – außer Eilf...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge