Normenkette

§ 14 Nr . 1 WEG, § 15 Abs. 3 WEG, § 22 Abs. 1 WEG, § 44 WEG, § 1004 BGB

 

Kommentar

1. Die eigenmächtige Errichtung eines Treppenhausanbaues ist eine bauliche Veränderung, die der Zustimmung aller benachteiligten Wohnungseigentümer bedurft hätte; von einem derart massiven Eingriff in das gemeinschaftliche Eigentum, der auch mit einem bestehenden Sondernutzungsrecht nicht gerechtfertigt werden kann, sind die restlichen Eigentümer nachteilig betroffen, weil diese Baumaßnahme nicht nur zu einer optischen Veränderung der Anlage geführt hat, sondern durch sie auch die Substanz des gemeinschaftlichen Eigentums mit einem Überbau verringert und das Sondereigentum tatsächlich vergrößert worden ist (vgl. hinsichtlich der Unterkellerung einer gemeinschaftlichen Hoffläche bereits Senatsbeschluss vom 16. 4. 1996, 20 W 598/95).

Der berechtigten Beseitigungsforderung ( § 15 Abs. 3 WEG, § 1004 BGB) kann vorliegend auch nicht entgegengehalten werden, dass die Zustimmung der restlichen Eigentümer schon vor der Veräußerung der Miteigentumsanteile an den ändernden Eigentümer (1983) durch einen Rechtsnachfolger bindenden Beschluss zur baulichen Änderung erfolgt sei; zu diesem Zeitpunkt waren die restlichen Eigentümer teilende Eigentümer und konnten im Hinblick darauf, dass eine Gemeinschaft erst mit der ersten Veräußerung von Miteigentumsanteilen und der Eintragung des Erwerbers im Grundbuch entsteht (Henkes/Niedenführ/Schulze, WEG, 3. Aufl., § 8 Rn. 15), keinen im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG bindenden Eigentümerbeschluss fassen.

Die restlichen Eigentümer hatten den Anbau auch nicht mit der Folge geduldet, dass das Beseitigungsverlangen als rechtsmissbräuchlich angesehen werden könnte. Die aus den Akten ersichtliche Korrespondenz zeigt, dass sich Eigentümer von Anfang an gegen das eigenmächtige Vorgehen ausgesprochen hatten. Auf einen Baustop-Antrag (einstweilige Anordnung nach § 44 Abs. 3 WEG) mussten sich die restlichen Eigentümer nicht verweisen lassen. Es kann ihnen auch nicht entgegengehalten werden, dass auch sie bauliche Veränderungen vorgenommen hätten, da es eine gegenseitige "Aufrechnung" baulicher Veränderungen nicht gibt (h.M., BayObLG, NJW-RR 93, 337/338).

Richtig ist, dass die Geltendmachung eines Beseitigungsanspruches dann rechtsmißbräuchlich sein kann, wenn die Beseitigung wegen Unverhältnismäßigkeit unzumutbar ist (BayObLG, WE 91, 256); bei dieser Frage sind aber neben den Kosten noch andere Umstände, insbesondere der Grad des Verschuldens, zu berücksichtigen (BGHZ 62, 388; NJW 88, 699). Im vorliegenden Fall fällt die Eigenmacht des baulich ändernden Eigentümers ganz erheblich ins Gewicht; ihm musste das Risiko bewusst sein, ohne vorher erzieltes Einvernehmen mit den restlichen Eigentümern einen Anbau zu errichten, für dessen Abriss diese nunmehr Kosten in Höhe von ca. DM 80.000,- veranschlagen. Das LG brauchte deshalb die "Opfergrenze" nicht für erreicht ansehen (vgl. auch BayObLG, WE 91, 256/257).

2. Eine erforderliche Zustimmung benachteiligter Eigentümer zu baulichen Veränderungen (hier zusätzlich: zu einem Garagenanbau) kann auch formlos erteilt werden (h.M. vgl. auch OLG Hamm, Entscheidung vom 9. 1. 1996, Az.: 15 W 340/95); vorliegend war von entsprechend erteilten Zustimmungen auszugehen. Was den Standort der zu errichtenden Garage betrifft, würde dem Beseitigungsverlangen nach einem Versetzen der Garage heute die Unverhältnismäßigkeit zwischen der kaum meßbaren Beeinträchtigung einerseits und dem beträchtlichen Aufwand andererseits entgegenstehen.

3. Verfahrensrechtlich zwingt der Umstand, dass das Landgericht nicht mündlich verhandelt hat ( § 44 Abs. 1 WEG), nicht zu einer Aufhebung und zu Rückverweisung; die in einer mündlichen Verhandlung neben der Sachverhaltsaufklärung anzustrebende vergleichsweise Lösung der Streitfragen hatten im vorliegenden Fall die Beteiligten schon in I. Instanz ausgeschlagen.

4. Gerichtskostenquotelung in allen Instanzen; keine außergerichtliche Kostenerstattung; Geschäftswertansatz DM 60.000,-

 

Link zur Entscheidung

( OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 12.08.1996, 20 W 594/95)

zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer

Anmerkung:

Mangels genauerer Kenntnis des Sachverhaltes erscheint mir der Hinweis des Gerichts nicht ganz klar, dass bindende Gestattungsbeschlüsse baulicher Veränderungen in einer Gemeinschaft erst mit erster Veräußerung und Eintragung eines Erwerbers im Grundbuch gefasst werden können. Bei Teilung bauträgerseits nach § 8 WEG entsteht im Vorfeld bekanntlich bereits eine faktische Gemeinschaft, wenn ein Ersterwerber Besitz an einer fertiggestellten Wohnung erlangt hat; bereits in faktischer Gemeinschaft können deshalb unter analoger Anwendung des WEG auch verbindliche Beschlüsse nach § 10 Abs. 3 WEG (auch mit Bindungswirkung für Sondernachfolger) gefaßt werden. Anders wäre die Rechtslage allein bei Teilung nach § 3 WEG.

Aus der Entscheidung wird auch nicht deutlich, wann der Treppenhausanbau errichtet wurde. Unter Umständen hätten hier im Rahmen der ve...

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