Schwere Pflichtverletzung des Wohnungseigentümers

Bei der Entziehung des Wohnungseigentums handelt es sich um den schwersten aller möglichen Eingriffe in das Eigentum. Voraussetzung ist, dass sich ein Wohnungseigentümer einer so schweren Pflichtverletzung der ihm gegenüber den anderen Wohnungseigentümern und der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bestehenden Verpflichtungen schuldig gemacht hat, dass diesen die Fortsetzung der Gemeinschaft mit dem störenden Eigentümer nicht mehr zugemutet werden kann. Die Entziehung des Wohnungseigentums verstößt jedenfalls nicht gegen Art. 14 GG.[1]

Das Regelbeispiel des Zahlungsverzugs in § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG a. F. ist seit Inkrafttreten des WEMoG entfallen. Der neue § 17 WEG konnte modifiziert werden, weil im Zuge des WEMoG auch der für das Zwangsversteigerungsverfahren einschlägige § 10 ZVG entsprechend geändert wurde. Durch Aufhebung von § 10 Abs. 3 Satz 1 ZVG a. F. existiert keine betragsmäßige Mindestgrenze mehr, sodass aus jedem Zahlungstitel unmittelbar die Zwangsversteigerung beantragt werden kann.

Fortlaufend unpünktliche Zahlung von Hausgeld

Auch eine fortlaufend unpünktliche Erfüllung von Hausgeld- und anderen Zahlungsansprüchen der Gemeinschaft kann den Wohnungseigentümern die Fortsetzung der Gemeinschaft mit dem säumigen Wohnungseigentümer unzumutbar machen. Bei einer Entziehung aus diesem Grund muss der säumige Wohnungseigentümer vor Beschlussfassung über die Entziehung abgemahnt werden.[2] Fraglich ist insoweit, ob eine "Vorratsbeschlussfassung" in Form eines "Orga"-Beschlusses möglich ist, der grundsätzlich und generell festlegt, unter welchen näher definierten Voraussetzungen die Entziehung des Wohnungseigentums erfolgt, ohne dass es einer (nochmaligen) konkreten Beschlussfassung hierzu bedarf. Da eine Entziehung des Wohnungseigentums im Fall fortlaufend unpünktlicher Erfüllung von Hausgeld- und anderen Zahlungsansprüchen jedoch maßgeblich auf das Kriterium einer "Beeinträchtigung der ordnungsmäßigen Verwaltung" abstellt und eine solche jeweils abhängig vom konkreten Einzelfall ist, dürfte eine "Orga"-Beschlussfassung wohl nicht möglich sein.

Abmahnung vor Entziehung

Vor der Einleitung des Entziehungsverfahrens muss der betreffende Wohnungseigentümer abgemahnt werden – und zwar unerheblich, aus welchem Grund die Entziehung erfolgen soll. Eine Abmahnung ist nur im Ausnahmefall dann entbehrlich, wenn sie unzumutbar ist oder offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg bietet.[3]

Da das Entziehungsrecht selbst nach § 17 Abs. 1 WEG der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zugeordnet ist, hat in erster Linie auch sie die Abmahnung zu erteilen, und zwar durch den Verwalter als deren Vertretungsorgan. Seit Inkrafttreten des WEMoG am 1.12.2020 wird uneinheitlich beurteilt, ob der Verwalter ohne entsprechende Beschlussfassung der Wohnungseigentümer eine Abmahnung erteilen kann, da diesem nur das Recht obliegt, Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung von untergeordneter Bedeutung für die Wohnungseigentümer zu treffen. Da die Abmahnung letztlich eine Vorstufe des Entziehungsverfahrens darstellt, könnte dies zweifelhaft sein. Nach diesseits vertretener Auffassung würde die Einleitung des Entziehungsverfahrens selbst sicherlich keine unbedeutende Maßnahme für die übrigen Wohnungseigentümer darstellen, was allerdings nicht für die Abmahnung gilt. Würde der Verwalter jedoch eine fehlerhafte Abmahnung erteilen, weshalb ein anschließendes Entziehungsverfahren erfolglos bliebe, könnte die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ihn wegen der Verfahrenskosten in Regress nehmen. Möchte man also auf der ganz sicheren Seite stehen, sollte sich der Verwalter beschlussweise zur Abmahnung ermächtigen lassen.

Ob eine Abmahnung durch Beschluss erfolgen kann, wird zwar seit Inkrafttreten des WEMoG unterschiedlich beurteilt, wobei sich eine herrschende Meinung herauskristallisiert, die dies nach wie vor für möglich hält, was zwischenzeitlich auch in der Rechtsprechung bestätigt wurde.[4]

 

Musterbeschluss: Abmahnung des Wohnungseigentümers vor Entziehung seines Wohnungseigentums

TOP XX Abmahnung des Wohnungseigentümers _________ wegen schwerwiegender Verletzungen der ihm gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bestehenden Verpflichtungen

Wohnungseigentümer _______ hat bereits in der Vergangenheit mehrfach gegen die ihm gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bestehenden Verpflichtungen verstoßen. Insbesondere dadurch, dass er _____________________________________.

Der Verwalter wird vor diesem Hintergrund angewiesen, gegen Wohnungseigentümer _______ eine Abmahnung unter Hinweis auf die Entziehung seines Wohnungseigentums nach § 17 WEG auszusprechen.

Für den Fall, dass innerhalb eines Zeitraums von ___ Monaten wiederholt erneute Pflichtverletzungen zu beklagen sind, beruft der Verwalter eine außerordentliche Wohnungseigentümerversammlung ein, in der über den Entzug des Wohnungseigentums des Wohnungseigentümers ________ zu beschließen ist.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen: _____

Nein-Stimmen: ...

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