Leitsatz

Beschlussanfechtung und Rechtsschutzinteresse

 

Normenkette

§§ 16 Abs. 2, 21, 43 Nr. 4 WEG

 

Kommentar

  1. Was eine Beschlussanfechtung (hier: über Balkonsanierungsmaßnahmen) betrifft, entfällt das Rechtsschutzinteresse der Anfechtung in dem Umfang, in dem die Baumaßnahmen zwischenzeitlich bereits durchgeführt wurden; vorliegend waren die Beschlüsse bereits vollzogen, sodass auch eine etwaige Rückgängigmachung der Baumaßnahme tatsächlich ausgeschlossen war (vgl. auch OLG Düsseldorf, ZMR 2000 S. 782, 783 = NZM 2001 S. 146); eine Ungültigerklärung des Beschlusses hätte hier auch keine Auswirkungen mehr auf Kostentragungspflichten haben können; der anfechtende Antragsteller hätte sich an den Sanierungskosten nach § 16 Abs. 2 WEG auch zu beteiligen, wenn die angefochtenen Beschlüsse für ungültig zu erklären wären.
  2. Auch für die Anfechtung nur eines Negativbeschlusses fehlt grundsätzlich nicht das Rechtsschutzinteresse (hier: mehrheitliche Ablehnung der Beauftragung eines Sachverständigen im Zuge der Balkonsanierung). Mit der Anfechtung des Negativbeschlusses machen Antragsteller geltend, dass der Beschluss materiell ordnungsgemäßer Verwaltung widerspreche. Daran ändere sich auch nichts durch die Möglichkeit einer Verpflichtungsantragstellung.
  3. Auch wenn ein Eigentümer einem Beschlussantrag zugestimmt hat, führt dies nicht zum Wegfall des Rechtsschutzinteresses für seine Anfechtung (BGH, ZMR 2003 S. 750, 754). Im Beschlussanfechtungsverfahren ist im Regelfall ein Rechtsschutzbedürfnis nicht zu prüfen. Nur im Einzelfall kann eine Anfechtung rechtsmissbräuchlich sein (BayObLG, ZMR 2004 S. 688). Ansonsten lässt die Rechtsordnung widersprüchliches Verhalten grundsätzlich zu (KG, ZMR 2004 S. 261, 265). Von Rechtsmissbrauch nach § 242 BGB war vorliegend nicht auszugehen.
  4. Auch ein nachfolgender Grundsatzbeschluss über die Finanzierung einer Maßnahme entspricht grundsätzlich ordnungsgemäßer Verwaltung. Vorliegend hatte bereits ein Dachdeckermeister die einzelnen Balkone in Augenschein genommen und Durchfeuchtungen in Anschlussbereichen (auch an anderen Balkonen) bestätigt. Beschlossen war hier auch von der Gemeinschaft, Vergleichsangebote einzuholen und dem Anbieter mit dem günstigsten Angebot den Auftrag zu erteilen. Ein solcher Beschluss widerspricht nicht Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung. Auch ein schon mit dem Objekt vertrauter Handwerker mit bewiesenen fachlichen Fähigkeiten kann neuerlich das Vertrauen der Gemeinschaft im Zuge einer Beauftragung erhalten, zumal Antragsteller in diesem Verfahren keine Gründe gegen die Beauftragung der Firma vorgetragen hatten.
 

Link zur Entscheidung

LG Hamburg, Beschluss v. 1.6.2010, 318 T 154/07, ZMR 2010 S. 791

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