Leitsatz

  1. Vereinbarte Kostenbefreiung für Speicher-Teileigentum bis zu etwaigem Ausbau kann nicht über Beschluss nach § 16 Abs. 3 WEG aufgehoben werden
  2. § 16 Abs. 3 WEG eröffnet nur die Möglichkeit, mit Beschlusskompetenz einen vereinbarten Verteilungsschlüssel der Betriebs- und Verwaltungskosten zu ändern
  3. Beschlussweise mögliche Verteilungsänderung setzt jedoch dem Grunde nach bestehende Kostentragungspflicht voraus, kann also nicht den Kreis der Kostenschuldner entgegen getroffener Vereinbarung erweitern
  4. Die bloße Umsetzung eines Beschlusses führt nicht zur Heilung eines wegen absoluter Beschlussunzuständigkeit von Anfang an nichtigen Beschlusses
  5. Vorliegend auch keine Verwirkung des klägerischen Rechts auf gerichtlichen Rechtsschutz einer erst 2 1/2 Jahre später eingereichten Beschlussnichtigkeits-Feststellungsklage
  6. Für eine solche Nichtigkeitsfeststellungsklage ist hinsichtlich des Rechtsschutzinteresses ohne Bedeutung, ob ein Kläger für oder gegen einen Beschluss gestimmt hat
 

Normenkette

§ 16 Abs. 3 WEG

 

Kommentar

  1. Nach Teilungserklärungs-Vereinbarung war der Teileigentümer eines unausgebauten Dachraums bis zum Beginn der Ausbauarbeiten bzw. deren Fertigstellung bzw. einem Wohnungsbezug von der Kosten- und Lastentragung freigestellt. Nachfolgend hatte die Gemeinschaft dessen ungeachtet 2 Beschlüsse über bestimmte Mitzahlungspflichten unter Hinweis auf § 16 Abs. 3 WEG gefasst, die klägerseits auch gewisse Zeit durch entsprechende Hausgeldzahlungen akzeptiert wurden. Nachfolgend wurde vom betreffenden Eigentümer allerdings zu beiden Beschlüssen Nichtigkeits-Feststellungsklage erhoben.
  2. Vorliegend war hinsichtlich der Klage nicht von einer im Einzelfall grundsätzlich zulässigen Verwirkung des klägerischen Rechts auszugehen. Ein bloßer Zeitablauf genügt insoweit nicht; hinzutreten müssen besondere Umstände, die eine Inanspruchnahme des Gerichtsschutzes als treuwidrig erscheinen lassen. Auch wenn ein Eigentümer über Monate hinweg nach Beschlussfassungen Hausgeld entrichtet hatte, werden dadurch etwaige Beschlussmängel nicht geheilt, da solche Einwände nur die Berechtigung des materiellen Klagebegehrens betreffen, nicht aber die Frage der Verwirkung eines Rechts auf gerichtlichen Rechtsschutz.
  3. Auch im Fall klägerischer Beschlusszustimmung fehlt diesen nicht das Rechtsschutzinteresse für die erhobene Nichtigkeitsfeststellungsklage. Beschlussnichtigkeit tritt von Anfang an ein, nicht erst durch Geltendmachung in einem gerichtlichen Verfahren; die gerichtliche Entscheidung hat insoweit nur deklaratorische Bedeutung. Für die Frage des Rechtsschutzinteresses ist es ohne Bedeutung, ob ein Eigentümer für oder gegen einen (nichtigen) Beschluss gestimmt hat.
  4. § 16 Abs. 3 WEG eröffnet Eigentümern allein die Möglichkeit, den vereinbarten Umlageschlüssel für Betriebs- und Verwaltungskosten durch Mehrheitsbeschluss zu ändern (vgl. BGH, Urteil v. 9.7.2010, V ZR 202/09 und BGH v. 16.7.2010, V ZR 221/09). Im Übrigen bezieht sich entgegen der Meinung des Berufungsgerichts die Beschlusskompetenz nicht lediglich auf solche Kosten, die nach Verbrauch oder Verursachung erfasst werden können; vielmehr werden auch verbrauchs- und verursachungsunabhängige Kosten von einer solchen Beschlusskompetenz erfasst (h.M.).
  5. Allerdings ermöglicht § 16 Abs. 3 WEG nur die Beschlusskompetenz, im Rahmen einer dem Grunde nach bereits bestehenden Kostentragungsverpflichtung einen Verteilungsmaßstab zu wählen. Ein vereinbarungsgemäß von Kosten aufschiebend bedingt befreiter Eigentümer kann deshalb durch Beschluss nicht erstmals überhaupt an Kosten beteiligt werden (bisher in der Lit. umstritten). Der Gesetzeswortlaut spricht insoweit von einem "anderen Maßstab" unter Bezugnahme auf § 16 Abs. 2 WEG; damit knüpft die Norm an eine dem Grunde nach bestehende Kostentragungspflicht an und begründet lediglich die Möglichkeit zur Veränderung des Kostenverteilungsschlüssels, kann also nicht den Kreis der Kostenschuldner erweitern (vgl. auch Begründung der Gesetzesreform BT-Drs. 16/887, S. 11). Für die Aufhebung der vereinbarten Kostenbefreiung fehlt die Beschlusszuständigkeit der Gemeinschaft, was zu einem von Anfang an nichtigen Beschluss führt. Die bloße Umsetzung eines (nichtigen) Beschlusses erzeugt insoweit auch keine Beschluss-Heilungswirkung.
  6. Bis heute ist der Ausbau der Speicherräumlichkeiten zu Wohnzwecken nicht erfolgt. Ob hier die restlichen Eigentümer eine Anpassung der Teilungserklärung gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG fordern können, war vom Senat nicht zu entscheiden, da dies nicht Gegenstand des Verfahrens war.
 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil v. 1.6.2012, V ZR 225/11

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