Leitsatz

Ganztägige Betreuung von 5 Kleinkindern durch eine Tagesmutter überschreitet eine normale Wohnnutzung in typisierender Betrachtung und berechtigt den Verwalter zur Verweigerung vereinbarter Zustimmung

 

Normenkette

§ 15 Abs. 3 WEG; § 1004 BGB

 

Kommentar

  1. Eine Tagesmutter als Mieterin einer Wohnung im 1. OG betreute ganztätig in der Zeit von 7 bis 19 Uhr 5 Kinder im Alter bis zu 3 Jahren gegen entsprechendes Entgelt.

    In der Teilungserklärung war vereinbart, dass "die Ausübung eines Gewerbes oder Berufs in der Wohnung nur mit Zustimmung des Verwalters zulässig sei, wobei die Zustimmung nur aus wichtigem Grund verweigert werden dürfe und ein wichtiger Grund für eine Zustimmungsverweigerung insb. dann vorliege, wenn die Ausübung des Gewerbes oder Berufs eine unzumutbare Beeinträchtigung anderer Wohnungseigentümer oder Hausbewohner befürchten lasse oder wenn sie den Charakter des Hauses beeinträchtige".

    Der Verwalter hatte vorliegend die Zustimmung verweigert.

    Die Nutzungsunterlassungsklage einer Eigentümerin im Erdgeschoss unter Hinweis auf erhebliche Lärmbelästigungen wurde vom Amtsgericht mit der Begründung abgewiesen, dass vorliegend nicht von einer zustimmungsbedürftigen gewerblichen Tätigkeit und vergleichsweise normaler Wohnungsnutzung auszugehen sei. Die Berufung hatte demgegenüber Erfolg.

  2. Vorliegend hätten die Voraussetzungen für eine Verweigerung der Zustimmung durch den Verwalter vorgelegen. Die Tagesmutter handelte hier "beruflich". Auszugehen war auch nach Vereinbarung in der Teilungserklärung von der "Befürchtung unzumutbarer Beeinträchtigungen anderer Wohnungseigentümer". Hiervon ist bei einer vom Einzelfall losgelösten, typisierenden Betrachtung bei ganztägiger Kinderbetreuung in einem Wohnhaus auszugehen (erhöhter Lärmpegel, gesteigerte Besucherfrequenz und damit einhergehende Störungen wie vermehrter Schmutz im Treppenhaus, häufiges Betätigen der Klingel, Türenschlagen sowie erhöhtes Müllaufkommen etwa auch durch Entsorgung vermehrt anfallender Windeln). Damit können Beeinträchtigungen aller Wahrscheinlichkeit nach eintreten, die für andere Bewohner unzumutbar sind und über einer normalen Wohnungsnutzung etwa einer dort dauernd wohnenden Familie mit Kindern einhergehen. Vorliegend bestand täglicher Publikumsverkehr mit hoher Besucherfrequenz zu ungewöhnlichen Zeiten bereits ab 7 Uhr morgens. Auszugehen war von kommerzieller Wohnungsnutzung (vgl. etwa OLG Köln, Beschluss v. 23.7.2007, OLGR Köln 2008 S. 274 und zur Problematik des Betreibens eines Pflegeheims in Wohnungen OLG Köln, Beschluss v. 4.7.2005, 16 Wx 122/06). Nicht vertragsgemäße Nutzung sei auch anzunehmen, wenn im Rahmen einer sog. Großpflegestelle werktäglich 5 Kinder gegen Entgelt betreut werden (so LG Berlin, Urteil v. 6.7.1992, WuM 1993 S. 39). Dabei spiele es nach Ansicht des Gerichts keine Rolle, ob die Kinderbetreuung grds. (politisch) wünschenswert sei. Auch das LG Hamburg vertrat die Ansicht, dass die Betreuung sogar von nur 3 fremden Kindern neben einem eigenen nicht mehr zumutbar sei (LG Hamburg, Urteil v. 22.4.1982, NJW 1982 S. 2387). Werden im vorliegenden Fall die betreuten Kinder älter als 3 Jahre, scheiden diese aus der Betreuung aus, sodass dann von der Mieterin wieder neue Kleinkinder in die Betreuung genommen werden. Damit bestehen auch Unterschiede zwischen kinderreichen Familien und einer mehrere Kleinkinder betreuenden Tagesmutter. Auch eine staatlich angestrebte Form einer solchen Kinderbetreuung kann nicht uneingeschränkt zulasten von anderen Bewohnern gehen.
  3. Revision war zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, nicht zuletzt auch im Hinblick auf die damit zusammenhängenden familienpolitischen Auswirkungen und auf den evtl. Grundrechtsbezug nach den Art. 6, 12 und 14 GG.
 

Link zur Entscheidung

LG Köln, Urteil vom 11.08.2011, 29 S 285/10

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge