Leitsatz

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens war die Frage, ob bei der Abrechnung der Beratungshilfevergütung in Trennungs-, Scheidungs- und Folgesachen von einer Angelegenheit oder von mehreren Angelegenheiten auszugehen ist.

 

Sachverhalt

Die von der Antragstellerin vertretene Mandantin erhielt am 17.4.2007 einen Berechtigungsschein für Beratungshilfe für die Angelegenheit "Getrenntleben, Ehescheidung, Folgesachen, insbesondere Unterhaltsfragen, Vermögensauseinandersetzung und Sorgerechtsfragen/Umgang". In der Folgezeit wurde die Mandantin von der Antragstellerin in der Zeit von April 2007 bis Januar 2008 anwaltlich beraten.

Mit Antrag vom 29.1.2008 hat die Antragstellerin die Festsetzung von Gebühren für Beratungshilfe für fünf Angelegenheiten i.H.v. insgesamt 1.279,25 EUR (5 × 255,85 EUR) beantragt. Das AG hat die der Antragstellerin zustehende Vergütung auf 255,85 EUR festgesetzt. Zur Begründung wurde von der Rechtspflegerin ausgeführt, es habe sich insgesamt nur um eine Angelegenheit gehandelt.

Die hiergegen von der Antragstellerin eingelegte Erinnerung wurde durch Beschluss des AG vom 30.5.2008 zurückgewiesen, ebenso die hiergegen eingelegte Beschwerde der Antragstellerin durch den nunmehr angefochtenen Beschluss des LG Aachen vom 10.10.2008, mit dem die weitere Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen worden war.

Das LG hat die Auffassung vertreten, die Antragstellerin könne schon deswegen nur eine Angelegenheit abrechnen, weil nur für eine Angelegenheit Beratungshilfe bewilligt worden sei.

Die Antragstellerin hat gegen die Beschwerdeentscheidung weitere Beschwerde eingelegt, zu der auch der Bezirksrevisor ablehnend Stellung genommen hat.

Das Rechtsmittel der Antragstellerin erwies sich als teilweise begründet.

 

Entscheidung

Das OLG kam zu dem Ergebnis, der Antragstellerin stehe für die Beratung in insgesamt vier Angelegenheiten eine Vergütung nach § 2 Abs. 2 RVG i.V.m. RVG VV-Nr. 2503 und 2508 nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer i.H.v. jeweils 255,85 EUR, somit insgesamt ein Betrag von 1.023,40 EUR zu.

Nach dem Beratungshilfegesetz werde Beratungshilfe in "Angelegenheiten" gewährt, so dass auch die Vergütung, die der Rechtsanwalt nach den Vorschriften des RVG erhalte, auf die "Angelegenheit" auszurichten sei. Eine Definition des Begriffs Angelegenheit ergebe sich aus dem Gesetz nicht, so dass insoweit auf die Vorschriften des RVG zurückzugreifen sei. Aus den §§ 15, 22 Abs. 1 RVG ergebe sich, dass die Gebühren in "derselben Angelegenheit" nur einmal entstehen, in mehreren Angelegenheiten dagegen mehrfach.

Da bei den Pauschgebühren der Beratungshilfe das Korrektiv des Gegenstandswertes fehle, komme der Abgrenzung, wann eine Angelegenheit vorliege und wann mehrere Angelegenheiten anzunehmen seien, erhebliche praktische Bedeutung zu.

Auch der Entscheidung des BVerfG vom 31.10.2001 (BVerfG AGS 2002, 273) sei zu entnehmen, dass der Begriff der Angelegenheit aus verfassungsrechtlicher Sicht wegen der ohnehin zu niedrigen Gebühren des Rechtsanwalts nicht zu weit gefasst werden dürfe. Entgegen der Ausführungen des Beschwerdegerichts sei die Anzahl der Berechtigungsscheine für die Zahl der Angelegenheiten nicht maßgebend. Wie die im Berechtigungsschein "genau bezeichnete" Angelegenheit nachträglich im Einzelnen gebührenrechtlich zu bewerten sei, obliege nicht dem Rechtspfleger im Bewilligungsverfahren, sondern sei allein der Beurteilung im anschließenden Vergütungsfestsetzungsverfahren vorbehalten. Entscheidend für das Vorliegen einer Angelegenheit sei allein, ob ein gleichzeitiger Auftrag, ein gleicher Rahmen und ein innerer Zusammenhang gegeben seien. Insgesamt müsse ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang der Bearbeitung bestehen.

Nach Auffassung des OLG war dies im Hinblick auf die hier fraglichen außergerichtlichen Trennungs-, Scheidungs- und Folgesachen zu verneinen. Es genüge weder bei Trennungs- noch bei Scheidungsfolgesachen, dass die verschiedenen Folgen ihren gemeinsamen Grund in der Trennung bzw. der Scheidung der Eheleute hätten. Es könne nicht danach unterschieden werden, ob es sich um Sachen handele, die im Ehescheidungsverbund geltend gemacht werden könnten. Vor Trennung, nach Trennung und für die Zeit nach der Scheidung komme es allein darauf an, ob wegen eines einheitlichen Lebenssachverhalts um Beratung ersucht werde, die auch einheitlich erledigt werden könne (vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Aufl., Rz. 1022).

Eine einheitliche Angelegenheit von Scheidungs- und Folgesachen ergebe sich im Rahmen der Beratungshilfe auch nicht aus § 16 Nr. 4 RVG. Diese Vorschrift sei nicht anwendbar, da sie lediglich das gerichtliche Verbundverfahren erfasse und nicht die außergerichtliche Beratungshilfe, die dem eintretenden Verbund vorgelagert sei.

Für eine analoge Anwendung gebe es im Hinblick auf die ohnehin niedrigen Gebühren in der Beratungshilfe keine zwingenden Gründe (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.10.2008 - I - 10 W 85/08).

Vorliegend ...

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