Entscheidungsstichwort (Thema)

Fahrverbot. Geldbuße. Regelfall. Pflichtenverstoß. beharrlich. Rechtsbeschwerde. Sachrüge. Rechtsfolgenausspruch. Zumessungsgründe. Staatsanwaltschaft. elektronische Geräte. Mobiltelefon. Handy. Smartphone. Vorahndungslage. Zusammenhang. Gefährungspotential. Unfallgeneigtheit. Blick-Ablenkung. Gesinnung. Einsicht. Wechselwirkung. Fahrverbot wegen wiederholter verbotener Nutzung elektronischer Geräte

 

Leitsatz (amtlich)

Der Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO steht wegen seiner regelmäßig durch Blick-Abwendung bedingten gravierenden Beeinträchtigung der Fahrleistung bei gleichzeitig massiver Steigerung des Gefährdungspotentials für Leib und Leben Dritter wertungsmäßig anderen typischen Massenverstößen wie Geschwindigkeitsüberschreitungen und Abstandsunterschreitungen auch dann gleich, wenn die Voraussetzungen eines Regelfahrverbots nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BKatV i.V.m. lfd. Nrn. 246.2 und 246.3 BKat nicht gegeben sind. Bei Vorliegen entsprechender Vorahndungen wird deshalb die Anordnung eines Fahrverbots wegen eines (unbenannten) beharrlichen Pflichtenverstoßes vielfach naheliegen. Dies gilt erst recht, wenn der Betroffene bereits wegen eines Verstoßes nach § 23 Abs. 1a StVO einschlägig vorgeahndet ist (Festhaltung an BayObLG, Beschl. v. 22.03.2019 - 202 ObOWi 96/19 = ZfSch 2019, 588).

 

Normenkette

StVO § 23 Abs. 1a; StVG § 25 Abs. 1 S. 1, Abs. 2a; OWiG § 46 Abs. 1, § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Abs. 3 S. 1, § 80a Abs. 1; BKatV § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, Abs. 2 S. 2; BKat Nr. 246.1; BKat Nr. 246.2; BKat Nr. 246.3

 

Tenor

  • I.

    Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts vom 21. Juni 2019 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen sowie in der Kostenentscheidung aufgehoben.

  • II.

    Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat die Betroffene am 21.06.2019 wegen einer als Führerin eines Pkw am 12.12.2018 begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit der vorsätzlichen verbotenen Nutzung eines elektronischen Geräts (hier: Mobiltelefon bzw. ,Handy' ) gemäß § 23 Abs. 1a StVO in der seit dem 19.10.2017 gültigen Fassung aufgrund Art. 1 Nr. 1a der 53. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften v. 06.10.2017 (BGBl. 2017 I, 3549) zu einer Geldbuße von 400 Euro verurteilt; von der Anordnung eines im Bußgeldbescheid vom 24.01.2019 neben einer dort festgesetzten Geldbuße in Höhe von 200 Euro ebenfalls vorgesehenen einmonatigen Fahrverbots hat es abgesehen. Mit ihrer gegen dieses Urteil zu Ungunsten des Betroffenen eingelegten, von der Generalstaatsanwaltschaft vertretenen und ausweislich der näher ausgeführten Rechtsmittelrechtfertigung vom 02.08.2019 sinngemäß auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Rechtsbeschwerde beanstandet die Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge insbesondere, dass das Amtsgericht von der Anordnung eines Fahrverbots wegen eines beharrlichen Pflichtenverstoßes abgesehen hat. Die hierzu abgegebene Stellungnahme des Verteidigers der Betroffenen vom 02.09.2019 lag dem Senat vor.

II.

Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde, die ausweislich der Rechtsmittelrechtfertigung wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt ist, erweist sich als erfolgreich, weil die Begründung, mit der das Amtsgericht von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen hat, einer rechtlichen Überprüfung nicht standhält.

1. Zwar sind die Voraussetzungen eines (benannten) Regelfalls nach § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV nicht erfüllt, weshalb die Anordnungsvoraussetzungen für ein bußgeldrechtliches Fahrverbot, wovon das Amtsgericht im Ansatz zutreffend ausgeht, nur bei Annahme eines beharrlichen Pflichtenverstoßes außerhalb eines Regelfalls im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. StVG i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV bejaht werden konnten.

2. Allerdings hält die Begründung, mit welcher das Amtsgericht unbeschadet der Darstellung und Erörterung der Vorahndungslage der Betroffenen einen derartigen beharrlichen Pflichtenverstoß mit stellenweise widersprüchlicher Begründung "im Ergebnis" gleichwohl verneint hat, einer rechtlichen Überprüfung nicht stand (zu den Maßstäben für die Wertung eines Pflichtenverstoßes als ,beharrlich' vgl. zuletzt nur BayObLG, Beschl. v. 22.03.2019 - 202 ObOWi 96/19 = ZfSch 2019, 588 und 17.07.2019 - 202 ObOWi 1065/19 bei juris, jeweils m.w.N.).

a) Insbesondere ist nicht nachvollziehbar wie das Amtsgericht selbst bei Ausblendung der seit dem 18.01.2017 rechtskräftigen Vorahndung wegen einer am 19.11.2016 begangenen innerörtlichen Geschwindigkeitsüberschreitung um 24 km/h aufgrund dreier weiterer und erst seit dem 03.03.2018, 24.03.2018 sowie 18.09.2018 rechtskräftigen und mit Bußgeldern über 100 Euro, 80 Euro und 160 Euro geahndeten Geschwindigkeitsüberschreitungen vom 20.11.2017, 13.01.2018 und 05.06.2018 und dazu einer weiteren, erst seit dem 11.07.2018 rechts...

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