Entscheidungsstichwort (Thema)

Stiefkindadoption; Interessenabwägung zwischen den Belangen der eigenen Kinder des Annehmenden und den zu adoptierenden Kindern

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der nach § 1745 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung sind nicht allein die Belange des eigenen Kindes des Annehmenden isoliert zu berücksichtigen; vielmehr sind hierbei auch die interessenbegründenden Tatsachen der anzunehmenden Kinder heranzuziehen, die die Adoptionsvoraussetzungen gemäß § 1741 BGB begründen.

2. Begründungsmangel bei Interessenabwägung ohne Tatsachenmitteilung.

 

Normenkette

BGB § 1741 Abs. 1, § 1745; FGG §§ 25, 27

 

Verfahrensgang

LG Schweinfurt (Beschluss vom 05.01.1999; Aktenzeichen 22 T 201/98)

AG Bad Kissingen (Aktenzeichen XVI 4/97)

 

Tenor

I. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluß des Landgerichts Schweinfurt vom 5. Januar 1999 aufgehoben.

II. Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und neuen Entscheidung an das Landgericht Schweinfurt zurückverwiesen.

III. Dem Beteiligten zu 1 wird mit Wirkung vom 10. Mai 1999 Prozeßkostenhilfe für das Verfahren der weiteren Beschwerde bewilligt. Ihm wird Rechtsanwalt R. beigeordnet.

 

Tatbestand

I.

Der Beteiligte zu 1 hat die Beteiligte zu 2 im Jahr 1985 geheiratet; die Ehe wurde 1990 geschieden. Aus ihr ist das 1985 geborene Kind (Beteiligter zu 3) hervorgegangen, das in der Familie der wiederverheirateten Mutter lebt. Der Beteiligte zu 1 hat am 16.8.1996 seine zweite Ehefrau geheiratet; sie hat die Kinder A., geboren 1985, B., geboren 1988, und C., geboren 1990, in die Ehe mitgebracht. Die Kinder und ihre Mutter leben seit März 1993 mit dem Beteiligten zu 1 zusammen.

Der Beteiligte zu 1 ist Berufskraftfahrer und hat ein monatliches Nettoeinkommen von DM 2.800,–. Mit diesem Einkommen versorgt er seine nicht berufstätige Ehefrau sowie die drei Mädchen, die von ihrem leiblichen Vater keine Unterhaltszahlungen erhalten. Für sein eigenes Kind leistet er seit 19.10.1987 keinen Unterhalt; vielmehr haben Mutter und Kind bis 1990, das Kind noch bis 1994, Sozialhilfe in Anspruch nehmen müssen. Das Sozialamt der Stadt N. macht aus übergegangenem Recht Unterhaltsrückstände in Höhe von ca. DM 25.700,– geltend, auf die der Beteiligte zu 1 seit April 1998 monatlich DM 100,– bezahlt. Er ist mehrfach vorbestraft, unter anderem wegen Tierquälerei, Diebstahls und Betrugs und zuletzt durch Urteil vom 2.11.1994 wegen Verletzung der Unterhaltspflicht zum Nachteil des eigenen Kindes, begangen in der Zeit vom 19.10.1987 bis 2.11.1994, zu fünf Monaten Freiheitsstrafe mit Bewährung; die Strafe wurde mit Wirkung vom 2.4.1998 erlassen.

Mit notarieller Erklärung vom 3.2.1997 stellte der Beteiligte zu 1 beim Vormundschaftsgericht den Antrag auf Adoption der Kinder A., B. und C., dem die Mutter, auch als gesetzliche Vertreterin der Kinder, sowie der leibliche Vater zustimmten. Das Vormundschaftsgericht hörte den Beteiligten zu 1, die Kinder und ihre Mutter an und erholte ein Gutachten eines Sachverständigen für klinische Psychologie sowie Stellungnahmen des Jugendamts (Beteiligter zu 4). Mit Beschluß vom 22.7.1998 lehnte es den Antrag des Beteiligten zu 1 ab mit der Begründung, nach dem bisherigen Ermittlungsstand könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, daß die Adoption dem Wohle der Kinder diene. Es solle weiter abgewartet werden, wie das Eltern-Kind-Verhältnis sich entwickle und wie der Beteiligte zu 1 für sein leibliches Kind (Beteiligter zu 3) sorgen werde und wolle.

Gegen diese Entscheidung legte der Beteiligte zu 1 Beschwerde ein. Das Landgericht erholte einen neuen Auszug aus dem Bundeszentralregister für den Beteiligten zu 1, stellte eine Antrage an die Stadt N. hinsichtlich der vom Beteiligten zu 1 auf die Unterhaltsrückstände geleisteten Tilgungsraten, hörte den Beteiligten zu 1 persönlich an und holte eine Stellungnahme der Beteiligten zu 2 als gesetzliche Vertreterin des Kindes ein. Mit Beschluß vom 5.1.1999 wies es die Beschwerde des Beteiligten zu 1 zurück. Hiergegen richtet sich seine mit Anwaltsschriftsatz vom 10.3.1999 eingelegte weitere Beschwerde. Am 10.5.1999 beantragte er für das Verfahren der weiteren Beschwerde die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe und die Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig (§ 27 Abs. 1 FGG; vgl. BayObLG NJW-RR 1991, 71), insbesondere ist sie in der gesetzlich vorgeschriebenen Form erhoben worden (§ 29 Abs. 1 Satz 2 FGG). Sie erweist sich als begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt, daß es zwar anders als das Vormundschaftsgericht nach den Beweiserhebungen überzeugt sei, daß die beantragte Adoption dem Wohle der Kinder A., B. und C. dienen würde und bereits ein Eltern-Kind-Verhältnis zwischen ihnen und dem Beteiligten zu 1 entstanden sei. Die Vorstrafen des Beteiligten zu 1 stellten nach Ablauf der Bewährungszeit kein Annahmehindernis mehr dar. Dennoch dürfe die beantragte Adoption nicht ausgesprochen werden, weil ihr überwiegende Interessen d...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge