Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbschein

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Erbschein ist grundsätzlich im Sinn des § 2361 Abs. 1 Satz 1 BGB unrichtig, wenn er von einem unzuständigen Rechtspflegeorgan (Rechtspfleger statt Richter) erteilt worden ist.

2. Dieser Mangel allein zwingt aber nicht zur Einziehung des Erbscheins. Denn gemäß § 16 Abs. 2 RPflG kann der Richter, auch wenn eine Verfügung von Todes wegen vorliegt, die Erteilung des Erbscheins dem Rechtspfleger übertragen, wenn deutsches Recht anzuwenden und der Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge zu erteilen ist. Ein im Rahmen dieser Voraussetzungen erteilter Erbschein ist gemäß § 8 Abs. 2 RPflG nicht unwirksam, auch wenn die Übertragung unterblieben ist oder die Voraussetzungen für sie im Einzelfall nicht gegeben waren.

 

Normenkette

BGB § 2361 Abs. 1; RPflG § 16 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG München II (Beschluss vom 11.03.1997; Aktenzeichen 6 T 1349/97)

AG Ebersberg (Beschluss vom 29.01.1997; Aktenzeichen VI 63/95)

 

Tenor

Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 und 3 werden die Beschlüsse des Amtsgerichts Ebersberg vom 29. Januar 1997 und des Landgerichts München II vom 11. März 1997 aufgehoben. Die Sache wird zu anderer Behandlung und neuer Entscheidung an das Amtsgericht Ebersberg zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Erblasserin war verwitwet. Ihr einziges Kind, ein ehelicher Sohn, ist vorverstorben. Die Beteiligten zu 2 und 3 sind seine Kinder. Der Beteiligte zu 1 ist der Lebensgefährte der Erblasserin. Zum Nachlaß gehören ein Grundstück im Amtsgerichtsbezirk Schweinfurt und ein Miteigentumsanteil an einem Grundstück im Amtsgerichtsbezirk Ebersberg.

Nach dem Tod der Erblasserin hatte der Beteiligte zu 1 dem Nachlaßgericht mitgeteilt, daß ein Testament vorhanden sei, das allerdings nicht aufzufinden sei. Daraufhin erteilte der Rechtspfleger des Nachlaßgerichts auf Antrag der Beteiligten zu 2 und 3 am 3.4.1995 einen Erbschein zu Grundbuchberichtigungszwecken, der diese Beteiligten als Erben aufgrund Gesetzes zu je 1/2 ausweist. Eine Ausfertigung dieses Erbscheins wurde dem Grundbuchamt Schweinfurt übersandt.

Am 29.1.1997 lieferte der Beteiligte zu 1 bei dem Nachlaßgericht ein handgeschriebenes, auf den 6.2.1994 datiertes Schriftstück ab, das mit dem Namen der Erblasserin unterzeichnet ist. Es wurde am selben Tag als Testament eröffnet. Ebenfalls an diesem Tag hat der Richter des Nachlaßgerichts durch Beschluß die Einziehung des Erbscheins vom 3.4.1995 angeordnet. Der gegen diese Entscheidung gerichteten Beschwerde der Beteiligten zu 2 und 3 hat der Nachlaßrichter nicht abgeholfen, das Landgericht hat sie zurückgewiesen. Die Beteiligten zu 2 und 3 haben weitere Beschwerde eingelegt.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die weitere Beschwerde ist zulässig. Sie ist gegen die Entscheidung des Landgerichts, da die Einziehung bisher nicht durchgeführt ist, mit dem Ziel gegeben, die Anordnung der Einziehung des Erbscheins aufzuheben (vgl. Palandt/Edenhofer BGB 56. Aufl. Rn. 14, Staudinger/Schilken BGB 13. Bearbeitung Rn. 27, jeweils zu § 2361 BGB). Das Nachlaßgericht hat eine Ausfertigung des Erbscheins an das Grundbuchamt Schweinfurt hinausgegeben. Daher bezieht sich die Einziehung, obwohl der Erbschein nur für Zwecke der Grundbuchberichtigung erteilt worden ist, nicht nur auf die bei den Nachlaßakten befindliche Urschrift (vgl. für diesen Sonderfall BayObLGZ 1960, 501/504 f., Palandt/Edenhofer § 2361 Rn. 10), so daß die Bekanntmachung der Einziehungsverfügung für die Durchführung der Einziehung nicht ausreicht. Vielmehr setzt diese, wie in allen Fällen, in denen die Urschrift oder Ausfertigungen hinausgegeben worden sind, die Rückgabe der Urschrift oder dieser Ausfertigungen an das Nachlaßgericht voraus (vgl. BayObLGZ 1966, 233/235, Palandt/Edenhofer aaO). Die Rückgabe ist hier auch nicht aus grundbuchrechtlichen Gründen ausgeschlossen, da das Grundbuchamt Schweinfurt eine beglaubigte Abschrift der Erbscheinsausfertigung bei den Grundakten behalten und die Ausfertigung selbst wieder herausgeben kann (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 2 GBO).

2. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Erbschein sei unrichtig, weil er durch den funktionell unzuständigen Rechtspfleger erteilt worden sei. Da der Beteiligte zu 1 von Anfang an vorgetragen habe, es sei eine Verfügung von Todes wegen vorhanden, sei die Erteilung des Erbscheins gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 6 RPflG dem Richter vorbehalten gewesen. Der Erbschein sei daher einzuziehen, ohne daß es auf die Frage ankomme, ob die bloße Vorlage des Testaments zur Einziehung ausreiche.

3. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) nicht stand.

a) Entgegen der Auffassung des Landgerichts führt der Umstand, daß der Erbschein durch den Rechtspfleger erteilt worden ist, nicht zur Einziehung des Erbscheins.

Zwar ist ein Erbschein grundsätzlich im Sinn des § 2361 Abs. 1 Satz 1 BGB unrichtig, wenn er von einem unzuständigen Rechtspflegeorgan (Rechtspfleger statt Richter) erteilt worden ...

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