Leitsatz (amtlich)

1. Die Einführung einer Videoüberwachung des Hauseingangsbereichs einer Wohnungseigentumsanlage ohne technische Beschränkung dergestalt, dass Besucher nur von den Wohnungen aus identifiziert werden können, die der Videoüberwachungsanlage angeschlossen sind und deren Klingel betätigt wurde, dürfte gegen Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung verstoßen.

2. Im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot von Eigentümerbeschlüssen muss ein Eigentümerbeschluss über die Einführung einer Videoüberwachung des Hauseingangsbereichs einer Wohnungseigentumsanlage klar zum Ausdruck bringen, ob die Videoüberwachung ohne technische Beschränkungen darauf installiert werden soll, dass Besucher nur von den Wohnungen aus identifiziert werden können, die dem System angeschlossen sind und deren Klingel betätigt wurde. Außerdem muss der Eigentümerbeschluss die durch § 6 Abs. 2 und 5 BDSG vorgeschriebenen Einschränkungen berücksichtigen.

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 30.04.2004; Aktenzeichen 1 T 4484/02)

AG München (Beschluss vom 22.02.2002; Aktenzeichen 481 UR II 519/01)

 

Tenor

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des LG München I v. 30.4.2004 in den Nrn. I, II und IV aufgehoben.

II. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegner gegen den Teilbeschluss des AG München v. 22.2.2002 wird insoweit zurückgewiesen, als der Eigentümerbeschluss v. 14.5.2001 zu Tagesordnungspunkt (TOP) 8 für ungültig erklärt worden ist.

III. Die Antragsgegner haben als Gesamtschuldner die Gerichtskosten des Beschwerde- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen. Außergerichtliche Kosten sind in diesen Verfahren nicht zu erstatten.

IV. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 3.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die seit 16.6.2001 ohne Verwalter ist.

Die Wohnungseigentümer fassten am 14.5.2001 mehrere Eigentümerbeschlüsse, u.a. zu TOP 8:

a) Installation einer Videokamera in der Briefkastenanlage neben dem gemeinsamen Hofeingangstor der aus mehreren Häusern bestehenden Wohnanlage,

b) Lage der Videokamera:

Alternativ: entweder als erstes Modul, wodurch alle anderen jeweils eine Etage nach unten rücken, oder zuerst die Lampe, dann das Videoauge und alle anderen Module rücken eine Etage nach unten ...,

c) Kostentragung erfolgt durch die jeweils angeschlossenen Eigentümer, bei späterem Anschluss Kostenbeteiligung.

In der Folgezeit wurde eine Türsprechanlage installiert mit Klingeltableau und integrierter Kamera am Hofeingangstor und jeweils einem Monitor in zwei Häusern. Beim Betätigen der Klingeltaste am Außentableau ertönt im betreffenden Haus innen ein elektronischer Gong. Zugleich schaltet sich nur in diesem Haus die Videoübertragung ein und überträgt das Videobild für eine einstellbare Zeit von null Sekunden bis drei Minuten.

Die Antragsteller haben, soweit es für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung ist, beantragt, den Eigentümerbeschluss zu TOP 8 für ungültig zu erklären. Das AG hat mit Teilbeschluss v. 22.2.2002 u.a. diesem Antrag stattgegeben. Das LG hat am 30.4.2004 auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegner den Teilbeschluss des AG insoweit aufgehoben, als der Eigentümerbeschluss zu TOP 8 für ungültig erklärt worden ist; es hat den Antrag abgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller.

II. Das Rechtsmittel ist begründet.

1. Das LG hat ausgeführt:

Der Eigentümerbeschluss entspreche ordnungsmäßiger Verwaltung. Es sei zwar nicht ersichtlich, genau welche Videokamera eingebaut werden solle; für einen unbefangenen Betrachter sei aber erkennbar, dass ein technisch zur vorhandenen Briefkastenanlage passendes Videoauge in das Klingeltableau installiert werden solle. Die Antragsteller würden durch den Einbau des Videoauges auch nicht über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt. Insbesondere seien die Vorgaben des § 6b Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) beachtet.

2. Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Der Eigentümerbeschluss ist für ungültig zu erklären, weil ihm die hinreichende Bestimmtheit fehlt.

a) Es kann offen bleiben, ob sich der Antrag, den Eigentümerbeschluss für ungültig zu erklären, durch die zwischenzeitlich vorgenommene Installation erledigt hat. Desgleichen ist nicht entscheidungserheblich, ob ein Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung des Eigentümerbeschlusses deshalb fehlt, weil ein Antrag auf Beseitigung der Anlage, der nach Abschluss des vorliegenden Verfahrens möglicherweise gestellt wird, erfolglos sein könnte. Die Antragsteller könnten nämlich, wie das LG ausgeführt hat und hier nicht abschließend zu klären ist, durch die jetzige Überwachungsanlage keinen über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus erwachsenden Nachteil erleiden.

Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH v. 17.7.2003 - V ZB 11/03, BGHReport 2003, 1189 = MDR 2003, 1222 = NJW 2003, 3124) ist ein Rechtsschutzbedürfnis im Beschlussanfe...

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