Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachlasspfleger

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur Auswahl des Nachlasspflegers durch das Nachlassgericht.

 

Normenkette

BGB § 1960 Abs. 2, § 1962

 

Verfahrensgang

LG Memmingen (Beschluss vom 13.01.1992; Aktenzeichen 4 T 2072/91)

AG Memmingen (Beschluss vom 25.11.1991; Aktenzeichen VI 1082/91)

 

Tenor

Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten wird der Beschluß des Landgerichts Memmingen vom 13. Januar 1992 aufgehoben und der Beschluß des Amtsgerichts Memmingen vom 25. November 1991 insoweit, als der Beteiligte als Nachlaßpfleger ausgewählt wurde.

 

Tatbestand

I.

Der zwischen dem 18. und 22.8.1991 verstorbene Erblasser und seine Ehefrau hatten ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Seine Witwe, seine einzige Tochter und deren Abkömmlinge sowie die Geschwister des Erblassers und deren Abkömmlinge haben die Erbschaft ausgeschlagen. Die Erbenermittlung ist noch nicht abgeschlossen.

Mit Beschluß vom 25.11.1991 ordnete der Rechtspfleger des Nachlaßgerichts Nachlaßpflegschaft für die unbekannten Erben mit dem Wirkungskreis „Sicherung und Verwaltung des Nachlasses” an. Als Nachlaßpfleger wählte er den Beteiligten aus, den Schwiegersohn des Erblassers. Eine Verpflichtung ist noch nicht erfolgt. Dem vom Beteiligten gegen seine Auswahl eingelegten Rechtsmittel haben Rechtspfleger und Nachlaßrichter nicht abgeholfen. Das Landgericht hat die Beschwerde durch Beschluß vom 25.11.1991 zurückgewiesen und den Geschäftswert auf 5.000 DM festgesetzt. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige weitere Beschwerde ist begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Das Nachlaßgericht entscheide über die Auswahl des Pflegers nach gebundenem Ermessen. Da Gründe gemäß §§ 1780 bis 1784 BGB der Bestellung des Beteiligten nicht entgegenstünden und keiner der in § 1786 BGB abschließend aufgezählten Ablehnungsgründe vorliege, sei er zur Übernahme des Amtes verpflichtet, sich hieraus wie für jeden anderen ergebende Belastungen und Unannehmlichkeiten seien dem Beteiligten als Geschäftsmann und einzigem Schwiegersohn des Erblassers eher zumutbar als außenstehenden Personen. Die Auswahl sei ermessensfehlerfrei getroffen worden. Zutreffend habe das Nachlaßgericht ausgeführt, daß der Beteiligte als Mitgesellschafter und ehemaliger Teilhaber der Firmen des Erblassers am ehesten Einblick in dessen Geschäfte habe und deshalb als Nachlaßpfleger geeignet sei. Eine Interessenkollision wegen seiner Eigenschaft als Nachlaßgläubiger bestehe nicht, weil die Pflegschaft vom Gericht überwacht werde und Verfügungen nur mit dessen Zustimmung möglich seien. Im übrigen habe bislang kein Rechtsanwalt gefunden werden können, der bereit sei, das Amt ohne vorherige Sicherstellung seiner Vergütung zu übernehmen.

2. Die Zurückweisung der gegen die Auswahlentscheidung statthaften einfachen Beschwerde (vgl. BayObLG FamRZ 1990, 205/206 m.w. Nachw.) des gemäß § 20 Abs. 1 FGG beschwerdeberechtigten Beteiligten hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 FGG, § 550 ZPO) nicht stand.

a) Es entspricht allgemeiner Ansicht, daß die Auswahl des Nachlaßpflegers (§ 1960 Abs. 2 BGB) durch das Nachlaßgericht (§ 1962 BGB) gemäß § 1915 Abs. 1, § 1779 Abs. 2 Satz 1 BGB (vgl. Staudinger/Otte/Marotzke BGB 12. Aufl. Rn. 31 u. 32, Soergel/Stein BGB 11. Aufl. Rn. 22, jeweils zu § 1960) nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen ist (Soergel/Stein aaO; Palandt/Edenhofer BGB 51. Aufl. § 1960 Rn. 14; Brand/Kleeff. Die Nachlaßsachen in der gerichtlichen Praxis 2. Aufl. S. 461; vgl. auch Keidel/Kuntze FGG 12. Aufl. § 27 Rn. 26 b). Dabei ist allerdings zu beachten, daß einer Auswahl nicht die in den §§ 1780 bis 1784 BGB genannten Gründe und ein Ablehnungsrecht des Ausgewählten gemäß § 1786 BGB entgegenstehen dürfen und daß das Ermessen im Rahmen von § 1779 BGB gebunden ist (vgl. Palandt/Diederichsen § 1779 Rn. 6; Soergel/Stein aaO). Gemäß § 1779 Abs. 2 Satz 1 BGB ist die Auswahl des Nachlaßpflegers ausschließlich nach seiner Eignung zu treffen (vgl. MünchKomm/Leipold BGB 2. Aufl. § 1960 Rn. 37). Die Eignung ist als unbestimmter Rechtsbegriff vom Gericht der weiteren Beschwerde voll nachprüfbar (vgl. Soergel/Damrau BGB 12. Aufl. Rn. 5 u. 16, Münch-Komm/Schwab Rn. 20, jeweils zu § 1779), während die Angemessenheit und Zweckmäßigkeit der Entscheidung des Nachlaßgerichts und des Beschwerdegerichts seiner Nachprüfung grundsätzlich entzogen ist (vgl. BayObLG Rpfleger 1975, 91 m.w.Nachw.).

b) Die Entscheidung des Landgerichts beruht auf einer fehlerhaften Anwendung des Begriffs der Eignung und damit auf einem Verstoß gegen § 1779 Abs. 2 Satz 1 BGB. Danach soll eine Person ausgewählt werden, die nicht nur nach ihren pesönlichen Verhältnissen und ihrer Vermögenslage, sondern auch „nach den sonstigen Umständen” zur Führung der Pflegschaft „geeignet” ist. Die mangelnde Eignung eines Nachlaßpflegers kann sich auch aus einer Interessenkollision ergeben (vgl. Soergel/Stein aaO...

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