Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachlaß. Erbscheinserteilung. Testamentsauslegung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Sind durch Testament mehrere Erben oder Nacherben eingesetzt, die Erbanteile aber nicht eindeutig bestimmt, so ist durch Auslegung zu ermitteln, welche Anteile der Erblasser den einzelnen Miterben zuwenden wollte. Nur wenn die Auslegung nicht zum Ziele führt, greift die ergänzende Regelung des § 2091 BGB ein, wonach die mehreren Erben zu gleichen Teilen eingesetzt sind.

2. Nur wenn trotz Auslegung des Testaments über die Größe der Erbanteile weder ausdrücklich oder mittelbar etwas bestimmt ist, noch die Anwendung der Grundsätze der gesetzlichen Erbfolge sich aus der Heranziehung der §§ 2066 bis 2069 BGB oder sonst aus den Umständen ergibt, sieht die Ergänzungsregel des § 2091 BGB gleiche Erbanteile vor.

 

Normenkette

BGB §§ 2066, 2091

 

Verfahrensgang

LG Ansbach (Beschluss vom 19.08.1985; Aktenzeichen 4 T 755/85)

AG Ansbach (Aktenzeichen VI 109/71)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Ansbach vom 19. August 1985 wird zurückgewiesen.

II. Der Beteiligte zu 3 hat der Beteiligten zu 6 die Kosten zu erstatten, die ihr im Verfahren der weiteren Beschwerde erwachsen sind.

III. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 15 000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

1. Am 3.2.1971 verstarb in …, ihrem letzten Wohnsitz, … (Erblasserin) im Alter von 78 Jahren. Ihr Ehemann … war am 10.12.1947 verstorben. Die Erblasserin hatte keine Kinder. Ihr Ehemann hinterließ zwei Söhne, nämlich den Beteiligten zu 1 und … der am 21.8.1982 verstarb und vier Kinder (Beteiligte zu 2 bis 5) hatte. Die Beteiligte zu 6 ist die Tochter des Beteiligten zu 1.

Der Nachlaß besteht aus Grundstücken und Bankguthaben; er wurde zur Zeit des Erbfalls mit rund 250 000 DM bewertet.

2. Die Erblasserin und ihr Ehemann hatten am 16.8.1943 ein gemeinschaftliches eigenhändiges Testament errichtet, das wie folgt lautet:

„…, den 16. August 1943

Unser Testament

Wir, …

und …

legen heute unseren letzten willen, wie folgt, fest:

1.) Wer von uns beiden zuerst verstirbt, setzt den Überlebenden zum Haupterben ein.

2.) Nach dem Tode des Überlebenden erben unsere beiden Söhne

zu gleichen Teilen und unter folgender Bedingung:

Da es unser Wille ist, den Kindern der beiden Söhne Geld und Gut zu erhalten, bestimmen wir:

  1. Das Vermögen gehört unseren Enkeln, d. h. den Kindern der Söhne), die Nutznießung aus dem Vermögen steht aber unseren Söhnen zu.
  2. Hat einer der Söhne … keine Kinder, so geht nach dem Tode dieses Sohnes das von unserer Seite stammende Vermögen auf die Kinder des überlebenden Sohnes über.

Dies ist mein letzter Wille der Vater …

Dies ist auch mein letzter Wille die Mutter …”

3. Am 19./20.8.1971 bewilligte und erteilte das Amtsgericht Ansbach einen Erbschein, in welchem bezeugt wird, daß die Erblasserin von ihren Stiefsöhnen … und … zur Hälfte beerbt worden und Nacherbfolge angeordnet ist, die beim Ableben der Vorerben eintritt, und daß die Kinder der Vorerben, derzeit die Beteiligten zu 2 bis 6, Nacherben sind.

Nachdem das Amtsgericht von dem Tode des … Kenntnis erlangt hatte, zog es mit Beschluß vom 3.1.1985 den Erbschein ein, weil dieser infolge des Todes des Vorerben unrichtig geworden sei. Der Erbschein und die erteilten Ausfertigungen wurden an das Amtsgericht zurückgegeben.

Am 8.2.1985 beantragte der Beteiligte zu 3 die Erteilung eines neuen Erbscheins, in welchem bezeugt werden soll, daß Nacherben hinsichtlich des Hälfteanteils des verstorbenen … die Beteiligten zu 2 bis 6 zu je einem Fünftel seien. Die Beteiligten zu 1 und 6 traten diesem Antrag entgegen. Die Beteiligte zu 6 legte dar, daß Nacherbfolge nach Stämmen eingetreten, die Beteiligten zu 2 bis 5 also Nacherben hinsichtlich des Hälfteanteils ihres verstorbenen Vaters zu je einem Viertel seien.

Mit Beschluß vom 24.7.1985 kündigte das Amtsgericht, falls dagegen nicht innerhalb von zwei Wochen Beschwerde eingelegt werde, die Erteilung eines Erbscheins an, in welchem folgendes bezeugt werde: Die Erblasserin sei von ihrem Stiefsohn … zur Hälfte und mit dem durch den Tod von … am 21.8.1982 eingetretenen Nacherbfall von dessen Kindern … und … (= Beteiligte zu 2 bis 5) zu je einem Achtel beerbt worden; bezüglich des Hälfteanteils von … sei Nacherbfolge angeordnet, die beim Ableben des nicht befreiten Vorerben eintrete; Nacherben seien die Kinder des Vorerben, derzeit seine Tochter …

Gegen diesen Beschluß legte der Beteiligte zu 3 Beschwerde ein, mit der er seinen Erbscheinsantrag weiterverfolgte. Das Amtsgericht half der Beschwerde nicht ab. Die Beteiligte zu 6 beantragte, das Rechtsmittel zurückzuweisen. Mit Beschluß vom 19.8.1985 wies das Landgericht Ansbach die Beschwerde als unbegründet zurück. Dagegen richtet sich die mit Anwaltsschriftsatz eingelegte weitere Beschwerde des Beteiligten zu 3. Die Beteiligte zu 6 beantragt, die weitere Beschwerde zurückzuweisen. Die übrigen Beteiligten haben sich nicht geäußert.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die weitere Beschwerde ist nach §§ ...

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