Leitsatz (amtlich)

1. a) Wird durch eine gerichtliche Entscheidung dem Antrag eines Gesellschafters gegen die GmbH auf Auskunftserteilung (§ 51a Abs. 1 GmbHG) stattgegeben, so findet die Zwangsvollstreckung daraus nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung statt. Nichts anderes gilt für einen Vergleich, der in einem solchen gerichtlichen Verfahren geschlossen worden ist.

b) Da die Auskunftserteilung durch die GmbH eine unvertretbare Handlung darstellt, richtet sich die Vollstreckung nach § 888 ZPO. Unter Prozessgericht des ersten Rechtszuges im Sinne dieser Vorschrift ist dabei das Eingangsgericht des Verfahrens zu verstehen, in dem der Vollstreckungstitel geschaffen worden ist. Wenn es sich um einen Prozessvergleich handelt, ist deshalb das Gericht zuständig, bei dem das Verfahren, in dem der Vergleich geschlossen worden ist, im ersten Rechtszug anhängig war.

2. Das Rechtsschutzinteresse eines Schuldners an seinem Rechtsmittel gegen einen Beschluss gem. § 888 Abs. 1 ZPO kann trotz der Vollstreckung dieses Beschlusses und der Vornahme der geschuldeten Handlung fortbestehen.

3. § 269 Abs. 1 ZPO findet - anders als § 269 Abs. 3 ZPO - auf die Rücknahme eines Antrags gem. § 888 Abs. 1 ZPO keine Anwendung.

4. a) Unklarheiten über den Inhalt einer titulierten Verpflichtung dürfen nicht aus dem Erkenntnisverfahren in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden. Dessen Aufgabe ist es zu klären, ob der Vollstreckungsschuldner seiner festgelegten Verpflichtung nachgekommen ist, nicht aber, worin diese besteht.

b) Dem Gläubiger ist es verwehrt, im Verfahren der Zwangsvollstreckung allein deshalb Auskünfte zu erzwingen, weil der Schuldner materiell-rechtlich zu deren Erteilung verpflichtet ist.

c) Belege, die ein Auskunftspflichtiger vorlegen soll, müssen in dem Titel bezeichnet und daher jedenfalls in den Entscheidungsgründen konkretisiert werden. Die vorzulegenden Belege sind im Entscheidungsausspruch so bestimmt zu benennen, dass sie im Falle einer Zwangsvollstreckung vom Gerichtsvollzieher aus den Unterlagen des Auskunftspflichtigen ausgesondert und dem Berechtigten übergeben werden können.

 

Normenkette

AktG § 99 Abs. 1, § 132 Abs. 3 S. 1; FamFG § 86 Abs. 1 Nr. 3, § 95 Abs. 1 Nr. 3; GmbHG § 51b S. 1; ZPO § 888 Abs. 1

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde werden der Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 12. Juni 2019 in der Fassung des Beschlusses vom 27. April 2020 aufgehoben und die Anträge des Gläubigers vom 20. Juni 2018 [unzutreffend datiert auf den 20. Juni 2017], vom 27. September 2018 und vom 16. November 2018 zurückgewiesen.

II. Der Gläubiger hat die Kosten des Vollstreckungsverfahrens zu tragen.

III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die Schuldnerin, eine GmbH, wendet sich mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen die Festsetzung von Zwangsmitteln zur Vollstreckung eines Auskunftstitels.

Der Gläubiger - Gesellschafter der Schuldnerin - hatte vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth Auskunftsansprüche gemäß §§ 51a, 51b GmbHG geltend gemacht. Dieses Informationserzwingungsverfahren wurde durch einen Vergleich beendet, dessen Zustandekommen und Inhalt das Landgericht mit Beschluss vom 9. November 2016 gemäß § 278 Abs. 6 ZPO feststellte. Der Vergleich hat unter anderem folgenden Inhalt:

1. Die [Schuldnerin] (nachfolgend auch "Gesellschaft" genannt), handelnd durch ihren Geschäftsführer [...], verpflichtet sich gegenüber dem Antragsteller, ihm Einsicht in ihr gesamtes Rechnungswesen sowie ihre sonstigen Bücher und Schriften für den Zeitraum vom 01.01.2010 bis 30.11.2016 zu gewähren wie folgt:

a) Die Gesellschaft beauftragt im Sinne eines echten Vertrages zugunsten Dritter ihren Steuerberater [...], dem [Gläubiger] die von ihr erstellte Buchhaltung (insbesondere auch monatliche betriebswirtschaftliche Auswertungen, Buchungskonten mit Ausweis der Einzelbuchungen, Summen- und Saldenlisten, Gesamtjournale) in elektronischer Form bis spätestens 12.12.2016 zu übermitteln, soweit dies nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt geschehen ist.

b) Die Gesellschaft gewährt dem [Gläubiger] Einsicht in die Buchhaltungsbelege zu a) (insbesondere Auszüge zu den von der Gesellschaft geführten Bankkonten, Ein- und Ausgangsrechnungen, Lieferscheinen, Gehaltsabrechnungen, Vertragsunterlagen). Zu diesem Zweck stellt die Gesellschaft diese Belege (Vertragsunterlagen auf gesondertes Anfordern) im Zeitraum vom 09.01.2017 bis einschließlich 20.02.2017 in ihren Geschäftsräumen [...] jeweils Montag bis Freitag von 8:30 Uhr bis 17:00 Uhr in einem gesonderten Büroraum einschließlich der Möglichkeit, Kopien anzufertigen, bereit.

c) Die Einsichtnahme erfolgt durch den [Gläubiger] selbst und/oder einen von ihm beauftragten Wirtschaftsprüfer, Steuerberater oder Rechtsanwalt. Der [Gläubiger] verpflichtet sich dabei gegenüber der Gesellschaft, über alle - auch soweit es sich um Auskünfte gemäß der nachfolgenden Ziffer 2. handelt - erhaltenen Informationen Stillschweigen zu bewahren und diese geheim zu halten, wie er dazu als Geschäftsführer...

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