Entscheidungsstichwort (Thema)

Vor- und Nacherbschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

Auch für die in einem Berliner Testament gemäß § 2269 Abs. 1 BGB eingesetzten Schlußerben kann Nacherbfolge angeordnet werden kann.

 

Normenkette

BGB §§ 2100, 2269 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 17.01.1997; Aktenzeichen 16 T 21814/96)

AG München (Beschluss vom 04.09.1996; Aktenzeichen 62 VI 4611/96)

 

Tenor

I. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten werden der Beschluß des Landgerichts München I vom 17. Januar 1997 und der Beschluß des Amtsgerichts München vom 4. September 1996 aufgehoben.

II. Das Nachlaßgericht wird angewiesen, dem Beteiligten den in der Nachlaßverhandlung vom 18. Juli 1996 beantragten Erbschein zu erteilen, wonach die Erblasserin von ihm und Horst-Günther Himmelstorfer jeweils zu 1/2 beerbt worden ist.

 

Tatbestand

I.

Der Beteiligte ist der Sohn und einzig lebender Abkömmling der am 8.3.1996 verstorbenen Erblasserin. Er ist kinderlos verheiratet. Sein Bruder ist am 21.6.1996 ohne Hinterlassung von Abkömmlingen verstorben.

Die Erblasserin hatte zusammen mit ihrem im Jahr 1983 vorverstorbenen Ehemann am 3.7.1977 ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sich die Ehegatten gegenseitig je zur Hälfte und ihre beiden Söhne je zu 1/4 als Erben sowie „zum Schluß- und Ersatzerben des Überlebenden” die beiden Söhne unter sich zu gleichen Teilen eingesetzt haben. In Ziffer 4 des Testaments ist bestimmt:

„Schluß- und Ersatzerben unserer Söhne sind jeweils ihre leiblichen ehelichen Abkömmlinge. Verstirbt einer unserer Söhne ohne Hinterlassung solcher Abkömmlinge, wird unser überlebender Sohn weiterer Schluß- und Ersatzerbe; sollte auch er inzwischen verstorben sein, werden es seine ehelichen Abkömm linge”.

Der Beteiligte hat einen Erbschein beantragt, wonach er und sein nachverstorbener Bruder die Erblasserin je zu 1/2 beerbt haben. Diesen Antrag hat das Nachlaßgericht mit Beschluß vom 4.9.1996 mit der Begründung zurückgewiesen, die als „Schlußerben” berufenen Söhne seien nur Vorerben, ihre (bisher nicht geborenen) ehelichen Abkömmlinge Nacherben. Da aber ein Erbschein ohne Nacherbenvermerk begehrt werde, müsse der Antrag zurückgewiesen werden. Die Beschwerde des Beteiligten gegen diese Entscheidung blieb erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige weitere Beschwerde führt zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und zur Anweisung an das Nachlaßgericht, dem Beteiligten den beantragten Erbschein zu erteilen, wonach die Erblasserin von ihm und seinem nachverstorbenen Bruder je zu 1/2 beerbt worden ist.

1. Das Nachlaßgericht hat die Auffassung vertreten, daß in Ziffer 4 des gemeinschaftlichen Testaments vom 3.7.1977 die weitere Erbfolge nach dem Tod der als Schlußerben eingesetzten Söhne geregelt sei. Der darin zum Ausdruck gekommene Wille der Erblasser lasse sich nur umsetzen, wenn man für die als Schlußerben eingesetzten Söhne Vor- und Nacherbfolge annehme. Das Landgericht hat hierauf Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, daß nach § 2101 BGB auch noch nicht Geborene Nacherben sein können. Es stehe keineswegs fest, daß der im 51. Lebensjahr stehende Beschwerdeführer keine leiblichen ehelichen Kinder mehr haben werde. Das Alter seiner Ehefrau müsse schon deshalb außer Betracht bleiben, weil eine weitere Eheschließung denkbar sei.

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) nicht stand. Die Auslegung des Testaments durch das Landgericht ist von Rechtsfehlern beeinflußt (zum Prüfungsmaßstab vgl. BayObLGZ 1991, 173/176).

a) Die Auslegung des formgerecht errichteten gemeinschaftlichen Testaments vom 3.7.1977 kann keinen Bestand haben, weil das Beschwerdegericht eine – zudem naheliegende – Auslegungsmöglichkeit nicht erkannt und daher nicht in Erwägung gezogen hat.

b) Die Vorinstanzen sind zwar zutreffend unter Hinweis auf die Entscheidung des Senats vom 22.10.1985 (FamRZ 1986, 610 ff.) davon ausgegangen, daß auch für die in einem Berliner Testament gemäß § 2269 Abs. 1 BGB eingesetzten Schlußerben Nacherbfolge angeordnet werden kann. Eine entsprechende Auslegung ist rechtlich möglich. In dem vom Senat (aaO) entschiedenen Fall lag diese Auslegung auch nahe; die Ehegatten hatten nach der Einsetzung ihrer Söhne als Schlußerben ausdrücklich verfügt, daß das Vermögen „unseren Enkeln (d.h. den Kindern der Söhne)” gehören, den Söhnen aber die Nutznießung zustehen solle. Der Wille der Erblasser, das Vermögen den Enkeln zuzuwenden, war dadurch deutlich zum Ausdruck gebracht.

c) Im vorliegenden Fall fehlt es an einer entsprechend klaren Festlegung der Intensionen der Erblasser. Von Vor- und Nacherbschaft ist weder ausdrücklich noch in deutlicher Umschreibung die Rede. Vielmehr entnimmt das Landgericht die Anordnung der Nacherbschaft lediglich daraus, daß die weiteren Abkömmlinge in Ziffer 4 des Testaments nicht nur zu „Ersatzerben”, sondern zu „Schluß- und Ersatzerben” eingesetzt wurden. Die Einsetzung zu (weiteren) Schlußerben gebe nur einen Sinn, wenn man s...

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