Tenor

  • I.

    Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts vom 14.06.2021 aufgehoben.

  • II.

    Das Verfahren wird eingestellt.

  • III.

    Die Kosten des Verfahrens und die dem Betroffenen erwachsenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen am 14.06.2021 wegen einer am 10.04.2020 begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit zu einer Geldbuße von 150 Euro verurteilt sowie ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats angeordnet. Mit seiner gegen das Urteil gerichteten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung materiellen Rechts.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Stellungnahme vom 20.09.2021 beantragt, auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen das Urteil des Amtsgerichts vom 14.06.2021 aufzuheben und das Verfahren auf Kosten der Staatskasse einzustellen.

II.

Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Einstellung des Verfahrens, da Verfolgungsverjährung eingetreten ist und damit ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis vorliegt.

1. Folgender Verfahrensablauf liegt zugrunde:

Die Zentrale Bußgeldstelle im Bayer. Polizeiverwaltungsamt ermittelte über das Kraftfahrtbundesamt die Halterin des Fahrzeugs, mit welchem am 10.04.2020 in München die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 28 km/h überschritten worden sein soll. Ein Mitarbeiter der Halterin, einer GmbH, teilte dem Bayer. Polizeiverwaltungsamt den Betroffenen als Fahrer zur Tatzeit mit und gab dabei als Wohnort eine genau bezeichnete Anschrift in Paris an, woraufhin unter dem 29.04.2020 die Anhörung des Betroffenen angeordnet wurde. Unter dem 05.06.2020 wurde ein Bußgeldbescheid erlassen, welcher mittels Einschreiben/Rückschein dem Betroffenen unter der genannten Anschrift in Paris zugestellt werden sollte. Der nicht ausgefüllte Rückschein kam am 15.06.2020 zurück, eine beim Bayer. Polizeiverwaltungsamt über das Internet durchgeführte Sendungsverfolgung ließ keinen Grund erkennen, warum die Zustellung nicht erfolgt ist. Mit Verfügung vom 25.06.2020 wurde eine "neue Zustellung veranlasst". Noch bevor eine Nachricht über diesen Zustellungsversuch eintraf, ordnete ein Mitarbeiter der Zentralen Bußgeldstelle im Bayer. Polizeiverwaltungsamt unter dem 07.07.2020 die öffentliche Zustellung des Bußgeldbescheides an. Die Bekanntmachung der Benachrichtigung über das Internetangebot der Bayerischen Polizei erfolgt im Zeitraum vom 08.07.2020 bis zum 22.07.2020, sodass der Bescheid aus Sicht der Behörde am 23.07.2020 als zugestellt galt. Der Verteidiger hat gegen diesen Bußgeldbescheid mit Schriftsatz vom 14.08.2020, beim Bayer. Polizeiverwaltungsamt eingegangen am selben Tag, Einspruch eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, welche ihm durch die Verwaltungsbehörde am 26.08.2020 bewilligt wurde. Am 05.11.2020 wurden die Akten dem Amtsgericht vorgelegt.

2. Das Verfahren ist wegen eines Verfahrenshindernisses einzustellen (§ 260 Abs. 3 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG), weil bereits vor Eingang der Akten beim Amtsgericht Verfolgungsverjährung (§ 31 Abs. 1 Satz 1 OWiG i.V.m. § 26 Abs. 3 Satz 1 StVG) eingetreten war.

a. Die Frage, ob Verfolgungsverjährung eingetreten ist, ist als Verfahrensvoraussetzung bzw. als Verfahrenshindernis vom Senat im Rahmen der Rechtsbeschwerde von Amts wegen zu überprüfen (vgl. Göhler/Seitz/Bauer OWiG 18. Aufl. § 31 Rn. 17, 19).

b. Die Verjährungsfrist betrug für den verfahrensgegenständlichen Verstoß, bevor ein Bußgeldbescheid ergangen ist, drei Monate (§ 26 Abs. 3 Satz 1 StVG). Sie begann am 10.04.2020, dem Tattag (§ 31 Abs. 3 Satz 1 OWiG), und wurde nachfolgend durch die Anordnung der Anhörung des Betroffenen am 29.04.2020 unterbrochen (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG). Da der Bußgeldbescheid vom 05.06.2020 nicht binnen zwei Wochen zugestellt worden ist, konnte er nicht zu einer Unterbrechung der Verjährung nach § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG führen. Die öffentliche Zustellung des Bescheides am 23.07.2020 erweist sich als unwirksam und konnte damit ebenfalls nicht die Verjährungsunterbrechung nach § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG bewirken.

Die Generalstaatsanwaltschaft führt hierzu in ihrer Antragsschrift vom 20.09.2021 im Wesentlichen Folgendes aus:

Die Verwaltungsbehörde hat es für die Anordnung nämlich ausreichen lassen, dass der (einmalige) Versuch einer Zustellung in Frankreich mittels Einschreiben und Rückschein unter der von einer Mitarbeiterin der Fahrzeughalterin angegebenen Anschrift erfolglos blieb, weil der Rückschein unausgefüllt am 15.06.2020 in Rücklauf gekommen war und auch Nachforschungen bei der Deutschen Post zum Verbleib der Sendung selbst keine weiteren Erkenntnisse erbracht hatten. Diese Maßnahmen allein genügen den gesetzlichen Anforderungen zur Ermittlung des Aufenthalts nicht, zumal die Verwaltungsbehörde auch das Ergebnis des erneuten Versuchs der Zustellung unter derselben Anschrift nicht mehr abgewartet hatte.

Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 OWiG in Verbindung mit Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 4 Ba...

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