Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterbringungsgenehmigungssache

 

Leitsatz (amtlich)

Ist dem Betroffenen in einer Unterbringungsgenehmigungssache ein Verfahrenspfleger bestellt, ist dieser vom Gericht an den Verfahrenshandlungen zu beteiligen, insbesondere zur persönlichen Anhörung des Betroffenen zu laden. Einen etwaigen Verlegungsantrag des Verfahrenspflegers darf der Tatrichter nur aus einem triftigen Grund ablehnen.

 

Normenkette

FGG § 70b

 

Verfahrensgang

LG Traunstein (Aktenzeichen 4 T 795/01)

AG Laufen (Aktenzeichen XVII 0214/00)

 

Tenor

I. Der Beschluß des Landgerichts Traunstein vom 30. März 2001 wird aufgehoben.

II. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht Traunstein zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Mit für sofort wirksam erklärtem Beschluß vom 16.2.2001 genehmigte das Amtsgericht dem Betreuer des Betroffenen bis zum 1.6.2002 dessen Unterbringung in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bzw. in der beschützenden Abteilung eines Alten-/Pflegeheims. Gleichzeitig bestellte es dem Betroffenen eine Verfahrenspflegerin.

Die vom Betroffenen gegen die Unterbringungsmaßnahme eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluß vom 30.3.2001 zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Verfahrenspflegerin.

II.

Das zulässige Rechtsmittel führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht, da dessen Entscheidung Verstöße gegen Verfahrensvorschriften zugrunde liegen.

1. In Unterbringungssachen gelten für Beschwerdeverfahren die Vorschriften über den ersten Rechtszug entsprechend (§ 70m Abs. 3 i.V.m. § 69g Abs. 5 Satz 1 FGG).

Dementgegen hat das Landgericht die von ihm verwerteten Sachverständigengutachten vom 13. und 16.2.2001 dem Betroffenen nicht zugeleitet, obwohl dessen Anspruch auf rechtliches Gehör in der Regel beinhaltet, ihm ein zu den Unterbringungsvoraussetzungen eingeholtes schriftliches Gutachten rechtzeitig vor der persönlichen Anhörung in vollem Umfang zur Verfügung zu stellen (vgl. BayObLG BtPrax 1993, 208; OLG Düsseldorf BtPrax 1996, 188).

Ferner hat es entgegen der zwingenden Vorschrift des § 70d Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 FGG (vgl. OLG Düsseldorf BtPrax 1995, 29) der zuständigen Behörde keine Gelegenheit gegeben, sich zu dem Unterbringungsgenehmigungsantrag des Betreuers zu äußern.

Von beiden Verfahrenshandlungen durfte das Landgericht schon deshalb nicht absehen, weil sie auch vom Amtsgericht pflichtwidrig nicht vorgenommen worden waren (§ 69g Abs. 5 Satz 3 FGG).

2. Die Verfahrenspflegerin hatte keine ausreichende Gelegenheit zur Mitwirkung am Beschwerdeverfahren.

Die Bestellung eines Verfahrenspflegers in einer Unterbringungssache (§ 70b FGG) soll die Wahrung der Belange des Betroffenen in dem Verfahren gewährleisten (vgl. BT-Drucks. 11/4528 S. 89, 171; Keidel/Kayser FGG 14. Aufl. § 70b Rn. 1). Der Betroffene soll bei den besonders schwerwiegenden Eingriffen in das Grundrecht der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) nicht allein stehen, sondern fachkundig beraten und vertreten werden (vgl. BT-Drucks. 11/4528 S. 93; Keidel/Kayser aaO; Knittel BtG § 70b FGG Rn. 2). Zu diesem Zweck ist der Verfahrenspfleger vom Gericht im selben Umfang wie der Betroffene (vgl. BT-Drucks. 11/4528 S. 171; Schmidt Handbuch der Freiwilligen Gerichtsbarkeit 2. Aufl. Kap. 2 Rn. 526) an den Verfahrenshandlungen zu beteiligen (vgl. Bauer in HK-BUR Vor § 67 FGG Rn. 14 und § 67 FGG Rn. 99; Bienwald Betreuungsrecht 3. Aufl. § 67 FGG Rn. 14; Bumiller/Winkler FGG 7. Aufl. § 67 Rn. 1). Er hat insbesondere ein Recht auf Teilnahme an der persönlichen Anhörung des Betroffenen (vgl. Jürgens/Mertens BtR 2. Aufl. § 68 FGG Rn. 12) und ist zu dieser zu laden (vgl. BayObLGZ 1987, 236/238). Bei unfreiwilliger Abwesenheit ist die Anhörung zu vertagen oder auf Verlangen zu wiederholen (vgl. Bassenge/Herbst FGG/RPflG 8. Aufl. § 70c FGG Rn. 5 i.V.m. § 68 FGG Rn. 15). Ferner muß dem Verfahrenspfleger Gelegenheit gegeben werden, sich zu Beweismitteln, die der Entscheidung zugrunde gelegt werden sollen, zu äußern (vgl. BayObLGZ 1987, 236/238). Dies gilt namentlich für Sachverständigengutachten (vgl. Bauer § 67 FGG Rn. 99; Bienwald § 67 FGG Rn. 14; Jürgens/Mertens § 67 FGG Rn. 12; Knittel § 67 FGG Rn. 2).

Dementgegen hat das Landgericht zu der auf Montag, den 19.3.2001 terminierten persönlichen Anhörung des Betroffenen die Verfahrenspflegerin nicht geladen. Als diese dem Landgericht am Terminstag per Telefax mitteilte, daß sie von dem Termin erst am vergangenen Freitag durch den Betroffenen Kenntnis erlangt habe, und wegen ihrer durch andere Termine bedingten Verhinderung um Verlegung der Anhörung bat, ist ihr telefonisch mitgeteilt worden, daß die Anhörung durchgeführt werde. Vor der elf Tage später erfolgten Zurückweisung der sofortigen Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht der Verfahrenspflegerin lediglich den über die Anhörung angefertigten Vermerk zugeleitet. Die der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverständigengutachten vom 13. und 16.2.2001 hat e...

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