Leitsatz (amtlich)

Ein durch Eigentumsvormerkung gesicherter Erwerber und Nutzer von Wohnungseigentum kann nicht durch einen Beschluss der Wohnungseigentümer, der ihm die Beseitigung baulicher Veränderungen auferlegt, gebunden werden, wenn er nicht vor Entstehung der Eigentümergemeinschaft Mitglied einer werdenden Gemeinschaft geworden ist.

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 01.12.2003; Aktenzeichen 1 T 16362/02)

AG München (Aktenzeichen 482 UR II 599/00)

 

Tenor

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des LG München I vom 1.12.2003 aufgehoben.

II. Das Verfahren wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das LG München I zurückverwiesen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragsteller und die weiteren Beteiligten sind Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Diese besteht aus sechs Wohneinheiten. Sie wurde von einem Bauträger erstellt, der das Grundstück gem. § 8 WEG am 7.12.1993 geteilt hatte.

Die Antragsgegnerin erwarb mit Kaufvertrag vom 4.8.1993 vom Bauträger einen 203/1.000 Miteigentumsanteil verbunden mit dem Sondereigentum an der im Erdgeschoss gelegenen Wohnung Nr. 1, zu der auch ein Hobbyraum im Keller gehört. Eine Eigentumsvormerkung für die Erwerberin wurde am 28.2.1994 im Grundbuch eingetragen. Eine Eigentumsumschreibung hat bisher nicht stattgefunden.

Die Wohnung der Antragsgegnerin sowie weitere Wohnungen wurden im Mai 1995 abgenommen und auch bezogen. Das Eigentum an den übrigen fünf Wohnungen wurde zwischen dem 11.4.1995 und dem 5.3.1996 auf die Erwerber überschrieben. In den Kaufverträgen mit den Erwerbern ist jeweils vereinbart, dass Besitz und Nutzung am Tag der Abnahme des Kaufobjekts und der Erfüllung der bis dahin fälligen Zahlungsverpflichtungen des Käufers auf diesen übergehen, die Lasten aber erst ab Fertigstellung vom Käufer zu tragen sind. Gleiches gilt für die Gefahren und die Verkehrssicherungspflicht.

Nach der Teilungserklärung und dem ihr beigefügten Lageplan ist dem jeweiligen Eigentümer der Wohneinheit Nr. 1 ein Sondernutzungsrecht am Grundstück zugeordnet, das die freie Fläche südlich und östlich der Wohnung umfasst. Weiter bestimmt die Gemeinschaftsordnung, dass der Wohnungseigentümer der Wohnung Nr. 1 in der Verlängerung der östlich an das Wohnhaus anschließenden Duplexgarage eine Pergola oder einen Wintergarten errichten kann.

Die Antragsgegnerin ließ im Jahr 1995 an der Südseite ihrer Wohnung einen mit einer Fußbodenheizung ausgestatteten Wintergarten errichten, dessen Seitenwand sich auf der Sondernutzungsfläche befindet, die dem Wohnungseigentum der Antragstellerin zu 3) zugeordnet ist. Außerdem ließ die Antragsgegnerin zu einem nicht näher ermittelten Zeitpunkt noch durch den Bauträger an der östlichen Gebäudeseite eine Außentreppe zu dem im Keller gelegenen Hobbyraum anbringen. Diese ist mit einer Holz-/Fliesenkonstruktion abgedeckt.

In der Eigentümerversammlung vom 10.2.1999 fassten die Wohnungseigentümer mehrheitlich folgende Beschlüsse:

Der Wintergarten (der Antragsgegnerin) auf der Südseite des Anwesens muss, inklusive der Feuerschutzmauer, bis zum 30.4.1999 von der Eigentümerin entfernt werden.

Falls der Zugang in den Kellerbereich der Wohnung (der Antragsgegnerin) noch nicht zurückgebaut wurde, muss (die Antragsgegnerin) veranlassen, dass der Rückbau bis zum 30.4.1999 ausgeführt wird.

Die Antragsteller haben, soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung, beim AG beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, den an der Südseite des Anwesens errichteten Wintergarten sowie die an der Ostseite errichtete Außentreppe zu entfernen und den Mauerdurchbruch zu verschließen. Das AG hat diesen Anträgen mit Beschluss vom 14.8.2002 stattgegeben. Das LG hat die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 1.12.2003 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin.

II. Das zulässige Rechtsmittel hat vorläufigen Erfolg. Es führt zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das LG (§ 27 Abs. 1 FGG, §§ 562, 563 Abs. 1 S. 1 ZPO).

1. Das LG hat ausgeführt:

Die Antragsgegnerin sei nach § 15 Abs. 3 WEG i.V.m. den bestandskräftigen Eigentümerbeschlüssen vom 10.2.1999 zur Beseitigung verpflichtet. Die Antragsgegnerin sei als Handlungsstörerin und faktische Wohnungseigentümerin passiv legitimiert. Der Eigentümerbeschluss begründe eine selbständige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Beseitigung des Wintergartens und der Außentreppe. Es komme nicht darauf an, ob einzelne Wohnungseigentümer der Errichtung zugestimmt hätten; ebenso könne sich die Antragsgegnerin nicht darauf berufen, dass der Bauträger schon vor Entstehen des Wohnungseigentums die Kelleraußentreppe planwidrig errichtet habe. Der Beschluss beinhalte eine selbständige Anspruchsgrundlage für das Beseitigungsverlangen.

Die Antragsgegnerin habe auch ihre Verpfl...

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