Leitsatz (amtlich)

Ausschluss eines Unternehmens von der Wertung wegen unvollständiger Angaben im Angebot.

 

Normenkette

VOB/A § 21 Nr. 1 Abs. 1, § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b

 

Verfahrensgang

Vergabekammer Südbayern (Aktenzeichen 120.3-3194.1-53-12/02)

 

Tenor

I. Der Beschluss der Vergabekammer Südbayern vom 8.1.2003 wird aufgehoben.

II. Das Zuschlagsverbot nach § 115 Abs. 1 GWB wird wiederhergestellt.

III. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens vor dem Beschwerdegericht einschließlich der dort entstandenen notwendigen Auslagen der Antragstellerin je zur Hälfte.

 

Gründe

I. Die Antragsgegnerin (Vergabestelle) schrieb Europaweit Dienstleistungen der Altpapierentsorgung für den Zeitraum 1.1.2003 bis 31.12.2005 aus. Angebote für alle Lose oder Teillose konnten bis 19.8.2002 abgegeben werden. Die Zuschlags- und Bindefrist sollte am 18.12.2002 ablaufen. An der Ausschreibung beteiligten sich u.a. die Antragstellerin und die Beigeladene. Im Leistungsverzeichnis hatte die Antragstellerin – wie zwei andere Bieter auch – bei allen Teillosen in der Zeile

„Festpreis netto/Vergütung* pro Mg Euro

*Nichtzutreffendes ist zu streichen”

zwar genau bezifferte Eurobeträge vermerkt, aber keine Streichung vorgenommen. Auf ein Schreiben der Antragsgegnerin vom 23.8.2002 an sechs Bieter, es werde um Klarstellung gebeten, teilte die Antragstellerin – wie die anderen angeschriebenen Bieter auch – mit, es handele sich um Vergütungen. Am 28.11.2002 informierte die Antragsgegnerin alle Bieter darüber, dass der Zuschlag an die Beigeladene für alle Lose erteilt werden solle und die anderen Angebote aus preislichen Gründen nicht berücksichtigt werden könnten. In dem von der Antragstellerin am 13.12.2002 eingeleiteten Nachprüfungsverfahren beantragte die Antragsgegnerin am 20.12.2002 die Vorabgestattung des Zuschlags an die Beigeladene mit der Begründung, ihr drohten bei Nichtgestattung des Zuschlags erhebliche, nicht wieder ausgleichbare finanzielle Nachteile. Die kontinuierliche Entsorgung von Altpapier sei nicht gesichert und ihr entgehe das finanzielle Entgelt für den Zeitraum bis zum Zuschlag. Außerdem müsse sie gegen vertragliche Vereinbarungen mit der Dualen System AG (DSD AG) verstoßen und setze sich daher Schadensersatzansprüchen aus. Bei der fehlenden Entsorgung sei sie gezwungen, das anfallende Altpapier in einem Heizkraftwerk zu verbrennen; dies widerspreche wegen der ökologischen Belastung den Interessen der Allgemeinheit. Am 20.12.2002 schloss die Antragsgegnerin das Angebot der Antragstellerin wegen Unklarheit und Unvollständigkeit der Preisangaben aus.

Die Vergabekammer hat dem Antrag auf vorzeitige Zuschlagserteilung stattgegeben. Sie hat zur Begründung ausgeführt, die Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrags gehe zugunsten der Antragsgegnerin aus. Das Angebot der Antragstellerin sei wegen unklarer Preisangaben auszuschließen, so dass ihr Nachprüfungsantrag keine Aussicht auf Erfolg habe. Es sei mit einem rechtsstaatlichen Verfahrensverständnis kaum in Einklang zu bringen, die Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrags in der Hauptsache außer Acht zu lassen, zumal wenn die Aussichtslosigkeit auf der Hand liege.

Die Antragstellerin beantragt, dass durch diesen Beschluss aufgehobene Zuschlagsverbot wiederherzustellen. Sie trägt vor, der gesetzlich geschützte Anspruch des Bieters auf Einhaltung der Vergabevorschriften dürfe nur dann durch Vorabgestattung des Zuschlags ausgeschaltet werden, wenn das Interesse der Vergabestelle an einer sofortigen Zuschlagserteilung von besonderem Gewicht sei. Diese Voraussetzung liege hier nicht vor. Drohende Umweltschäden seien nicht zu befürchten, da bisher kein Altpapier habe verbrannt werden müssen. Die Antragsgegnerin sei keinen Schadensersatzansprüchen der DSD AG ausgesetzt und habe zudem den Zeitdruck selbst verschuldet. Die Erfolgsaussicht des Nachprüfungsantrags in der Hauptsache hätte die Vergabekammer nicht prüfen dürfen. Im Übrigen sei der Nachprüfungsantrag zulässig und begründet. Das Angebot der Antragstellerin sei aus der Sicht einer verständigen Auftraggeberin auszulegen. Da der Papierpreisindex und die Altpapiermarktlage seit Jahren konstant gewesen seien, habe ihr Angebot nur als „Vergütung” ausgelegt werden können.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen die Zurückweisung dieses Antrags. Sie meinen, der Nachprüfungsantrag sei offensichtlich unzulässig, weil es sich bei der gewählten Vertragsgestaltung um eine Dienstleistungskonzession handele, die vom gesetzlichen Anwendungsbereich der §§ 97 ff. GWB nicht erfasst sei. Zudem sei er wegen der unklaren und unvollständigen Preisangabe offensichtlich unbegründet. Dies sei in die Interessenabwägung einzubeziehen. Die Antragsgegnerin hat zusätzlich ausgeführt, es seien zwar zwischenzeitlich Interimsaufträge erteilt worden, dies ändere aber nichts an der Eilbedürftigkeit.

II. Der Antrag ist zulässig, § 115 Abs. 2 S. 2 GWB, und begründet. Der vorzeitige Zuschlag i...

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