Leitsatz (amtlich)

In einem Verfahren zur Entlassung eines Betreuers kann ausnahmsweise von der Bestellung eines Verfahrenspflegers abgesehen werden, wenn diese nicht im Interesse der geschäftsunfähigen Betroffenen liegt, weil wegen Ungereimtheiten im Aufgabenbereich Vermögenssorge eine Entlassung unumgänglich ist (Einschränkung zu BayObLG FamRZ 1997, 1358).

 

Normenkette

BGB § 1908b Abs. 1; FGG § 67 Abs. 1 S. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

AG Viechtach (Aktenzeichen XVII 23/97)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des LG Deggendorf vom 13.8.2002 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Für die Betroffene wurde am 7.5.1997 die Beteiligte, ihre Nichte, zur Betreuerin bestellt für die Aufgabenkreise Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge einschließlich Wohnrecht, Leibgeding, Rente und Pflegegeld. Mit Beschluss des AG vom 21.3.2002 wurde die Nichte als Betreuerin entlassen. Gleichzeitig wurde die Betreuung verlängert und auf alle Angelegenheiten einschließlich Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post erweitert, eine Vereinsbetreuerin bestellt und die sofortige Wirksamkeit angeordnet.

Die von der Beteiligten eingelegte sofortige Beschwerde hat das LG am 13.8.2002 zurückgewiesen.

Mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde will die Beteiligte weiterhin die Aufhebung des Entlassungsbeschlusses erreichen.

II. Das Rechtsmittel ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

1. Das LG hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet: Ein möglicher Verstoß des AG gegen die Gewährung des rechtlichen Gehörs sei durch den Anhörungstermin vor dem LG geheilt worden. Die Entlassung eines Betreuers könne dann erfolgen, wenn die Eignung des Betreuers nicht mehr gewährleistet sei oder ein anderer wichtiger Grund für die Entlassung vorliege. Eine konkrete Schädigung des Betreuten sei nicht Voraussetzung, auf der anderen Seite reiche aber auch eine abstrakte Gefahr nicht aus. Bei der amtsgerichtlichen Anhörung habe die Schwester der Betroffenen angegeben, dass die Betroffene von ihrer monatlichen Rente lediglich wenige Mark erhalte und den Rest die Beteiligte an sich nehme. Auch wenn diese zur Erklärung ausgeführt habe, sie habe wegen der Euro-Umstellung der Betroffenen nur wenig Geld gelassen und mit dem Rest fällige Rechnungen in den örtlichen Geschäften beglichen, seien damit die Ungereimtheiten hinsichtlich der Vermögenssorge nicht beseitigt. Die Schwester der Betroffenen habe sowohl gegenüber der jetzigen Betreuerin als auch gegenüber einem weiteren Zeugen erklärt, dass die Beteiligte das Geld nehme. Das Gericht könne nicht mit Sicherheit aufklären, ob die Beteiligte Geld der Betreuten für sich verwende oder nicht. Auch in früheren Jahren hätten sich schon Ungereimtheiten hinsichtlich der Vermögenssorge durch die Beteiligte in Form von möglichen Testamentsmanipulationen und der Abhebung eines größeren Geldbetrages vom Konto der Schwester der Betroffenen ergeben. Um jegliche Gefährdung der Finanzsituation der Betroffenen zu vermeiden, entspreche es einzig ihrem Wohl, eine neutrale Person als Betreuerin einzusetzen. Das Wohl der Betroffenen müsse hier höher eingestuft werden als verwandtschaftliche Beziehungen. Eine Aufteilung der Aufgabenkreise sei in Anbetracht der Spannungen zwischen der Beteiligten und der Betreuerin nicht möglich. Die frühere Bestellung eines Ergänzungsbetreuers sei nach jahrelangen Kompetenzkonflikten zwischen diesem und der Beteiligten nur durch die Entlassung des Ergänzungsbetreuers zu lösen gewesen. Auch habe die Beteiligte bei ihrer persönlichen Anhörung den Eindruck erweckt, sich nur sehr schwer mit Entscheidungen und Einflussnahmen anderer Personen abfinden zu können. Dies sei für eine sachgerechte Betreuungsführung aber unerlässlich.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) stand.

a) Das LG hat zu Recht nur die Entscheidung zur Entlassung der Betreuerin überprüft. Denn hierauf war die Beschwerde, wie sich aus dem Inhalt ihrer Begründung ergibt, zulässigerweise (BayObLG v. 14.6.1995 – 3Z BR 133/95, MDR 1995, 1146 = BayObLGReport 1995, 77 = BayObLGZ 1995, 220) beschränkt.

b) Die Tatsachenfeststellung durch das LG ist im Ergebnis verfahrensfehlerfrei erfolgt.

(1) Im Verfahren zur Entscheidung über die Entlassung des Betreuers ist der Betroffene anzuhören, grundsätzlich sogar persönlich, wenn er der beabsichtigten Entlassung widerspricht (§ 69i Abs. 7 S. 1 FGG). Im vorliegenden Verfahren konnte die Betroffene weder der Entlassung widersprechen noch ihr zustimmen, weil mit ihr eine sinnvolle Verständigung nicht möglich ist. Dies hat das LG bei der persönlichen Anhörung der Betroffenen im Sitzungsprotokoll vom 19.7.2002 selbst festgestellt. Das LG hatte daher zu prüfen, ob der Betroffenen nicht gem. § 67 Abs. 1 S. 1 FGG ein Verfahrenspfleger zu bestellen war (BayObLG v. 21.1.1993 – 3Z BR 169/92, BayObLGZ 1993, 14 = Rpfleger 1993, 491; BayObLG FamRZ 1997, 1358; OLG Zweibrücken FGPrax 1998, 57; Bassenge/Herbst/Roth, FGG/RPflG, 9. Aufl., § 67 Rz. ...

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